Gespräche mit anderen in einer Selbsthilfegruppe können entlasten. Foto: dpa

Offener Austausch über ein gesellschaftliches Tabu: Seit einem halben Jahr treffen sich Angehörige psychisch Kranker in Murrhardt.

Waiblingen - Es ist kein leichtes Thema, das Elisabeth Müller bewegt. Ihre Cousine ist schizophren. Derzeit wird sie stationär in einer Klinik behandelt. Elisabeth Müller, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, kümmert sich um sie. „Sie ist wie ein weiteres Kind für mich“, sagt die 67-Jährige. Sie besucht sie, spricht mit ihr, fängt sie auf und hilft, wo die Verwandte Unterstützung braucht.

Doch wenn Elisabeth Müller über ihr Engagement und ihre Belastung sprechen möchte, stößt sie auf ein großes Tabu: „Psychische Erkrankungen sind überaus stigmatisiert“, sagt die Rentnerin. Manche Gesprächspartner wechseln schnell das Thema, andere schweigen betreten oder geben gut gemeinte Ratschläge: „Aber Ratschläge sind auch Schläge“, weiß Müller aus leidvoller Erfahrung.

Keine Vorwürfe

Seit einem halben Jahr findet die Frau aus dem Rems-Murr-Kreis allerdings regelmäßig offene Ohren – und das bei absoluter Verschwiegenheit. Denn dann trifft sie sich mit ihrer selbst gegründeten Selbsthilfegruppe für Angehörige psychisch Kranker in Murrhardt und kann über all das sprechen, was sie bewegt – und was sonst keiner hören mag: „Es ist schön, endlich verstanden zu werden.“ Wenn sie von den Treffen spricht, zeigt sie eine große Zufriedenheit: „Diese Sinnhaftigkeit, sich zu treffen, ist toll. Man unterstützt sich gegenseitig.“ Bei den Treffen gebe es keine Vorwürfe. Nur Dankbarkeit.

Dass Elisabeth Müller diese Gruppe gegründet hat, liegt auch an ihren guten Erfahrungen mit einer Selbsthilfegruppe, die sich um ein ganz anderes Thema kümmert. Müller leidet nämlich unter Rheuma. Vor einem Jahr wurde ihr empfohlen, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. „Ich habe schnell gemerkt, wie wichtig es ist, nicht alleine zu sein“, sagt die Frau. Sie habe sich sofort verstanden gefühlt.

Vom Konzept überzeugt

Das Konzept der Selbsthilfe hat Müller schließlich so überzeugt, dass sie im September 2018 die Gruppe für Angehörige psychisch Kranker ins Leben gerufen hat. Mithilfe der Selbsthilfekontaktstelle erledigte Müller die Formalien. Doch dann gestaltete sich die Suche nach einem Raum für die Gruppentreffen zunächst sehr schwierig. „Wahrscheinlich liegt es an den großen Berührungsängsten bei dem Thema“, mutmaßt die Frau. Glück hatte sie schließlich bei der Volkshochschule (VHS) Murrhardt: „Dort habe ich offene Türen eingerannt“, erzählt Müller.

Nun treffen sich fünf bis sechs Angehörige etwa ein Mal im Monat in Murrhardt. „Wir sind alle gleichberechtigt“, sagt Müller. Die Moderation der Gespräche übernehme immer wieder ein anderer. Das große Tabuthema psychische Erkrankungen wolle die Gruppe entstigmatisieren. „Wir sind auf dem besten Weg dazu“, zeigt sich Elisabeth Müller optimistisch.

Die Selbsthilfegruppe für Angehörige psychisch Kranker trifft sich jeden zweiten Freitag im Monat um 18.30 Uhr in den Räumen der VHS Murrhardt, Obere Schulgasse 7. Das nächste Treffen der Gruppe, die sich den Namen „Hope“ gegeben hat, ist für den 10. Mai geplant. Direkten Kontakt zu Elisabeth Müller gibt es unter 0 15 73 - 5 45 36 45.