Blick aus dem Lkw-Führerhaus: Daimler hat einen Truck mit Autopiloten entwickelt, der nicht nur den Abstand halten, sondern auch Baustellen oder anderen Hindernissen ausweichen kann Foto: Daimler

Die Politik hat das Zukunftsthema selbst fahrende Autos für sich entdeckt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will auf der A 9 eine Teststrecke, Landeswirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) auf der A 81.

Stuttgart - Fast hat es den Anschein, als wäre zwischen Bayern und Baden-Württemberg ein Wettlauf um die Zukunftstechnologie des autonomen Fahrens entbrannt. Beim Nutzfahrzeugdialog mit führenden Vertretern der Branche kündigte Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) am Montag an, auf der A 81 eine Teststrecke einrichten zu wollen.

„Was in Bayern möglich ist, muss auch bei uns möglich sein“, sagte Schmid. Die Autobahn, die von Würzburg über Stuttgart nach Singen führt, sei unter anderem wegen ihrer Topografie attraktiv. Sie liegt vor allem günstig für die beiden Stuttgarter Autobauer Daimler und Porsche. So baut Daimler derzeit eine neue Teststrecke in Immendingen, das unweit der A 81 liegt. Auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände will Daimler von 2017 an auch das autonome Fahren erproben.

Kurz zuvor hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gesagt, er wolle die A 9 zwischen Nürnberg und München für die Erprobung von selbst fahrenden Fahrzeugen freigeben. Dafür solle die Strecke technisch aufgerüstet werden. Die ersten Vorbereitungen für das Pilotprojekt „Digitales Testfeld Autobahn“ sollten noch in diesem Jahr starten.

So soll etwa die Kommunikation zwischen Straße und Fahrzeug wie auch von Fahrzeug zu Fahrzeug möglich sein. „Dort werden also Fahrzeuge mit Assistenzsystemen und später auch voll automatisierte Fahrzeuge fahren können“, sagte Dobrindt. Auch die beiden bayerischen Hersteller Audi und BMW arbeiten mit Hochdruck am autonomen Fahren, das als Schlüsseltechnologie für die Zukunft der Branche gilt. Für sie ist die nahe gelegene A 9 natürlich ideal.

Daimler-Nutzfahrzeugchef Wolfgang Bernhard begrüßte die Initiative von Nils Schmid. „Wir brauchen eine Versuchsstrecke, um diese Technologie voranzutreiben.“ Dann sei die Chance groß, dass das autonome Fahren nicht nur mit Google und dem Forschungsstandort Silicon Valley in Verbindung gebracht werde, sondern auch mit Baden-Württemberg.

Wann genau die ersten Autos oder Lkw mit Autopilot unterwegs sein werden, steht noch nicht fest. Neben der Zustimmung des Bundesverkehrsministeriums bedarf es auch klarer Regelungen. „Die verkehrsrechtlichen Fragen müssen jetzt zügig geklärt werden“, sagte Schmid.

Dass die Technik bereits weit fortgeschritten ist, hat Daimler zuletzt mehrfach bewiesen. Bei der Elektronikmesse CES in Las Vegas Anfang Januar präsentierten die Stuttgarter mit dem F015 einen Prototypen, der komplett ohne Fahrer auskommt. Bereits vor zwei Jahren absolvierte eine S-Klasse die Strecke von Mannheim nach Pforzheim, ohne dass der Fahrer die Hände am Lenkrad hatte.

Mit dem Future-Truck hat Daimler zudem bei der Nutzfahrzeugmesse IAA im Herbst vergangenen Jahres einen Lkw mit Autopilot präsentiert. Er kann nicht nur den Abstand halten und mit Hilfe eines Notbremsassistenten Auffahrunfälle vermeiden, sondern auch Baustellen oder anderen Hindernissen ausweichen oder eine Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge frei machen.

Branche fordert überlange Lastwagen

Eine Lösung zeichnet sich auch beim umstrittenen Einsatz von überlangen Lastwagen auf Straßen in Baden-Württemberg ab. Zwar ist in der Koalitionsvereinbarung der grün-roten Landesregierung festgeschrieben, dass Baden-Württemberg an einem entsprechenden Feldversuch des Bundes nicht teilnimmt. Angesichts neuer Erkenntnisse wolle man diese Haltung aber überdenken.

„Wir wollen das Thema ergebnisoffen diskutieren“, sagte Schmid. Eine Entscheidung soll nach Informationen unserer Zeitung Ende März fallen. Zwar gilt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) nach wie vor als Kritiker. Er befürchtet eine Verlagerung des Güterverkehrs weg von der Schiene auf die Straße. Doch das Thema ist inzwischen auch bei Ministerpräsident Winfried Kretschmann angesiedelt, der sich zuletzt als wirtschaftsfreundlich positioniert hat.

Daimler hat für 17 Strecken von Logistikstandorten in die Werke eine Sondergenehmigung beantragt. Hintergrund ist die von der EU-Kommission geplante Reduzierung des CO2-Ausstoßes für die Transportbranche. „So wären die anspruchsvollen Ziele der EU am einfachsten und schnellsten umzusetzen“, sagte Daimler-Lkw-Chef Wolfgang Bernhard. Die XXL-Laster haben eine Länge von 25 Metern, das sind 6,50 Meter mehr als ein normaler Lkw. Damit lassen sich Lkw-Fahrten einsparen, der Schadstoffausstoß verringert sich um bis zu ein Drittel.

Auch der Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL) drängt auf eine Zulassung. „Wir betonen bei jeder Begegnung mit Regierungsvertretern, dass wir die Lang-Lkw brauchen“, sagte VSL-Chef Andrea Marongiu kürzlich unserer Zeitung. 20 Firmen hätten Interesse. Sie wollten mit 40 Lkw am Feldversuch teilnehmen.

Schmid machte jedoch klar, dass eine Zustimmung zunächst nur die Teilnahme am bundesweiten Feldversuch bedeute. Dieser läuft seit 2012 und soll 2016 enden. Wie es dann weitergeht, ist noch offen. Allerdings hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt bereits angekündigt, danach so schnell wie möglich in einen Regelbetrieb gehen zu wollen.