Längstes Feuergefecht zwischen Polizei und Straftäter seit der Festnahme des RAF-Terroristen Andreas Baader 1972: SEK-Polizist während des Einsatzes Foto: 7aktuell.de//Hessenauer

Um Einsätze wie gegen „Reichsbürger“ zu bewältigen, müssen auch in Baden-Württemberg spezialisierte Polizeieinheiten besser ausgestattet werden, kommentiert Franz Feyder.

Der Grüne Cem Özdemir hat ihn, der Unternehmer Gottfried Härle aus Leutkirch auch und der Vertraute von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der frühere Chef der Staatskanzlei, Klaus-Peter Murawski, hat ihn sowieso: den Verdienstorden Baden-Württembergs. Vergeben wird die höchste Auszeichnung für herausragende Verdienste um das Land, „insbesondere im sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Bereich“.

Verdienste also, wie die der Polizisten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) Baden-Württemberg, die in der vergangenen Woche dem Kugelhagel eines rechtsradikalen „Reichsbürgers“ bei Boxberg standhielten und schließlich den Mann dingfest machten, der ein ganzes Waffenarsenal in seiner Wohnung hortete. Eine Festnahme, nachdem der 54-jährige einem Elitepolizisten in die Oberschenkel geschossen hatte. Verdient gemacht haben sich vor allem die beiden Polizisten, die mit ihren Schilden ihren Kameraden Schutz gewährten: Kaum einer kann ermessen, was es heißt, nur mit einer Pistole bewaffnet hinter dem Schutzschild zu hocken. Zu hören, wie das Panzerglas splittert und die Garben aus einer Kalaschnikow einschlagen.

In dieser Situation nicht zu weichen, dem Rechtsextremismus – dem das Land vollkommen zu Recht den Kampf angesagt hat – keinen Raum zu geben, sich selbst zur Zielscheibe im übertragenen wie im wahrsten Sinn des Wortes zu machen, das ist ein herausragendes, ein besonderes Verdienst um die Demokratie und das Land Baden-Württemberg: Im längsten Feuergefecht Deutschlands zwischen Polizisten und Straftätern seit der Festnahme des RAF-Terroristen Andreas Baader und seiner Kumpane 1972.

Dafür könnte man den beiden Polizisten den Verdienstorden des Landes verleihen. Und damit der Einheit die Wertschätzung zuteil werden lassen, die ihnen selbst von ihren eigenen Vorgesetzten teilweise verwehrt wird: Die Landespolizeipräsidentin dachte noch vor einem Jahr ernsthaft darüber nach, ob das Land ohne ein SEK nicht besser dastünde. Der Inspekteur der Polizei sprach von niedlich aussehenden Jungs in Stramplern.

Diese mangelnde Wertschätzung gerade für die Einheiten der Landespolizei, denen viele das Attribut Elite zu Recht beifügen, erstreckt sich auch auf die Frauen und Männer der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE), die inzwischen immer öfter an der Seite des SEK stehen. Oder – beispielsweise im Kampf gegen Extremisten und organisierte Kriminelle – das Kommando entlasten. Nämlich dann, wenn in der Gefahrenanalyse zwar davon ausgegangen wird, dass ein Täter gewaltbereit ist, über seine Bewaffnung aber nichts bekannt ist.

25 Jahre nachdem der Landtag beschloss, eine BFE aufzustellen, um bei tumultartigen Demonstrationen und Fußballspielen Straftäter dingfest zu machen, hat sich der Alltag der Einheiten teilweise grundlegend verändert: Ohne sie würden viele Razzien gar nicht oder viel später durchgeführt, Straftäter nicht festgenommen oder überführt, weil das personell schwächer aufgestellte SEK jetzt schon überlastet ist.

Im Gegensatz zu den anderen Bundesländern sind die sechs BFE Baden-Württembergs jedoch für diese Realität weder ausgerüstet noch gezielt ausgebildet. Steht aber geplant mit minderwertigerer Schutzweste ebenso im Kugelhagel des „Reichsbürgers“, wie das SEK. Ihre BFE jetzt schnell auch für solche, längst Alltag gewordenen Einsätze auszurüsten, sie auf das Niveau der anderen Bundesländer zu bringen, ist eine vorrangige Aufgabe der Politik. Und wäre wenigstens eine kleine Wertschätzung für die, die ihr Leben auch im Kampf gegen rechts einsetzen.