Nicolas Manthos, sonnenbeschienen auf dem Ozean Foto: Nicolas Manthos

Der Fellbacher Nicolas Manthos hat alleine in einem gerade mal 5,50 Meter langen Segelboot rund 18 000 Kilometer vom Mittelmeer über den Ozean bis in die Karibik und in einer zweiten Tour zurück nach Frankreich absolviert. Dabei hatte er so manche knifflige Situationen zu überstehen.

Es gibt eine unendliche Vielzahl an Möglichkeiten, um die einem gegönnten Jahrzehnte in diesem Leben mit einiger Würze zu verleihen und dem gelegentlich etwas gleichförmigen Alltag zu entfliehen. Beispielsweise könnte man vermeintlich todesmutig auf Abhänge zu rennen, dann abspringen – und sich schwerelos fühlend durch die Lüfte schaukeln lassen, um sich den Traum vom Fliegen zu erfüllen. Oder man klettert in einen kleinen Kahn, steuert hinaus in die Unendlichkeit, trotzt der tosenden See und kämpft sich todesmutig durch die Weltmeere.

 

Seine Leidenschaften: Gleitschirm und Segelboot

Einer, der leidenschaftlich beides macht, ist der Fellbacher Nicolas Manthos. Hauptberuflich arbeitet er tatsächlich als Gleitschirmlehrer für die Flugschule, die unter dem originellen Namen Luftikus ihren Sitz in Stuttgart-Hofen hat. Für die Schule ist Manthos viel unterwegs, unternimmt Reisen in die Alpen nach Italien und Österreich oder vor allem im Winter Flüge nach Südafrika, Neuseeland oder Indien, um auf den Menschen das Gleitschirmfliegen beizubringen. „Ich bin eigentlich immer unterwegs“, sagt er.

Foto: Grafik StZ; Quelle Nicolas Manthos

Doch das Gleiten liebt er nicht nur im Himmel, sondern auch auf dem Wasser. Denn der 28-Jährige ist seit einigen Jahren – entstanden ist die Idee bei ihm in den Anfängen der Coronaphase – auch passionierter Segler. Seine ersten größeren Versuche unternahm er, nachdem er ein kleines Boot gekauft und mit einem Anhänger nach Griechenland gekarrt hatte, auf dem Mittelmeer. Dort erkannte er, dass er seine Kenntnisse in der Luft über Wind und Wetter durchaus auch aufs Wasser übertragen konnte.

18 000 Kilometer in vier Etappen

Denn offenbar kennt der junge Mann in seinem Faible für Luv und Lee, für Rigg und Reffen, für Kiel und Krängung, für Gischt, Schoten, Halse, Trimm und Vorliek wahrlich keine Grenzen. Wie sonst ließe es sich erklären, dass Manthos in einem wahren Mammuttrip 18 000 Kilometer zurückgelegt hat – von Pertika in Griechenland durchs Mittelmeer an Gibraltar vorbei bis zu den Kanarischen Inseln, dann weiter über den Atlantik bis in die Karibik nach Antigua – und nach einem Jahr Pause bei einem zweiten Trip über Tausende Seemeilen wieder zurück nach Frankreich.

Die gesamte Reise, für er insgesamt 120 Tage allein in seinem nur etwas mehr als fünf Meter langen Segelboot unterwegs war, hat er allerdings nicht in einem Rutsch gemacht, sondern aufgeteilt in vier verschieden lange Einzeltrips, die teils durch mehrmonatige Pausen unterbrochen waren.

Die bei der Hinfahrt längste Passage startete am 12. Februar 2022 im spanischen La Linea und führte mit knapp einwöchigem Zwischenstopp Lanzarote (und ein paar luftigen Gleitsegeleinheiten dort) weiter über 3500 Seemeilen nach Antigua.

Ein entscheidender Moment war die Abfahrt an der spanischen Küste: „Die Parole war jetzt oder nie – denn ich wusste, wenn ich jetzt nicht loslege, werde ich es später bereuen. Und es war vor allem klar, ab jetzt kann ich nicht mehr zurück, denn gegen die Passatwinde aus Norden kann man kaum ankommen.“

Stürme im Mittelmeer als Vorbereitung für den Ozean

Sein Wagemut beeindruckte auch andere Segler. „Manche dachten, der hat einen Vogel, mit seinem fünfeinhalb Meter langen Boot diese Strecke in Angriff zu nehmen, sonst waren zehn bis 14 Meter das Mindeste“, sagt Manthos. „Aber ich hatte keine Skrupel, hatte ja bei den vorherigen Touren im Mittelmeer schon Stürme, 70 bis 80 km/h Wind und hohe Wellen erlebt.“

Auf dem Atlantik ging es viel sanfter, ja fast entspannt zu. „Es ist super gelaufen, ich hatte den perfekten Wind von hinten – meine Erlebnisse im Mittelmeer waren deutlich anspruchsvoller.“ Der Passatwind treibe das Boot – Manthos hat ihm den Namen „1/4 Life Crisis“ gegeben – voran, man müsse es nur in schön gerader Linie lenken, „das ist fast simpel“. Man segle die ganze Zeit durch, „der Autopilot steuert, das ist eine mechanische Windsteueranlage ohne Strom“.

Tägliche Meldung an die Mama

Für die Wegstrecke in die Karibik hatte er zwischen 30 und 60 Tagen einkalkuliert, „ich hatte also 120 Liter Wasser und genügend Proviant und Essen für 60 Tage dabei“. Einmal am Tag hatte er über Satellitenverbindung an seine Mutter geschrieben, „sie wollte, dass ich mich täglich melde, das habe ich natürlich gemacht“. Seine Freunde konnten zudem online seine jeweilige Position auf dem Tracker klicken.

„Einen surrealen Moment gab es, als mir meine Mutter vom Kriegsausbruch in der Ukraine berichtete und ich draußen völlig allein auf dem Ozean war – ich konnte das überhaupt nicht glauben.“

In der Summe vier Monate allein in einem Boot mit Kochecke in der kleinen Kajüte, wo er mit seinen 1,85 Metern meist nur geduckt sitzen konnte – was macht das mit einem? „Ich bin eigentlich gern unter Menschen und hätte nicht gedacht, dass diese Zeit mental so einfach war; ich habe die Zeit mit Nichtstun verstreichen lassen, viel gelesen oder die Wellen angeschaut. Und ich bin auf keinen Fall zum Einsiedler geworden“.

Fünf Tage vor der Ankunft in Antigua allerdings riss am Mast ein Drahtseil zum Vorsegel, da musste Manthos dann doch in den Werkzeugkasten mit Ersatzteilen greifen, „man kann ja auf hoher See nicht in den Baumarkt gehen“, scherzt er.

Auf Antigua ließ er das Boot im Hafen, kehrte für mehr als ein Jahr in sein „richtiges Leben“ als Gleitschirmlehrer nach Deutschland zurück, ehe er Anfang Mai 2023 die Rückfahrt in Angriff nahm. „Das war eine ganz andere Nummer, deutlich anspruchsvoller, am Anfang war es wahnsinnig heiß, dann ist man Tiefdruckgebieten ausgesetzt, es gibt regelmäßig Stürme, 50 Liter Wasser schwappten ins Boot, die größte Gefahr ist, dass man über Bord geht, deshalb muss man immer mit einem Seil festgemacht sein.“

Das kleinste Segelboot auf dem Atlantik

Zwischendurch musste er noch eine viertägige Komplettflaute mental verkraften, doch bei perfekten Wetterbedingungen erreichte er am 26. Juni dieses Jahres sein Ziel in der Bretagne, die Fischerstadt in Lorient an der französischen Atlantikküste.

Auf sein Abenteuer ist Nicolas Manthos zurecht erkennbar stolz: „Ich bin mir sicher, das ist bestimmt das kleinste Segelboot, mit dem jemals ein Mensch in beide Richtungen den Atlantik überquert hat.“

Vortrag, Lichtbilder und Filme in der Schwabenlandhalle

Noch detaillierter und ausführlicher schildert Manthos seine ebenso aufregende wie einzigartige Reise in einem Multimediavortrag am Freitag, 10. November, um 19 Uhr in der Fellbacher Schwabenlandhalle. Das 5,50 Meter kleine Segelboot können die Interessenten zu Einstimmung vor dem Eingang in Augenschein nehmen.

Biografie Nicolas Manthos

Tandempilot
Geboren am 24. Juli 1995 in Stuttgart, zieht Nicolas Manthos zwei Jahre später mit seinen Eltern in die Beethovenstraße nach Fellbach. Er besucht die Silcherschule und das Friedrich-Schiller-Gymnasium. Nach einem Auslandsjahr in Kanada beendet er seine Fachhochschulreife am Kolping-Berufskolleg mit der Fachrichtung Foto- und Medientechnik. Nach einem Unfall auf der Slackline, bei dem sein linkes Auge sehr stark beeinträchtigt wird, entschließt Nicolas Manthos sich, „nur noch zu machen, wozu ich Lust habe“. Seit 2016 arbeitet er als Gleitschirm-Fluglehrer sowie als Tandempilot in ganz Süddeutschland.

Multimedia-Vortrag
Die Höhepunkte und Flauten seiner 120 Tage im Mini-Segelboot auf dem Ozean stellt er in einem Abenteuervortrag am Freitag, 10. November, 19 Uhr, im Uhlandsaal der Schwabenlandhalle vor. Tickets zu 16 Euro gibt es beim Loop des SV Fellbach (Bühlstraße 145) und an der Abendkasse.