Seit März haben sich zehn Schüler der Seelachschule aus der Klassenstufe sechs bis neun einmal pro Woche erst zum Lesen, dann zum Kicken getroffe Foto: Leonie Hemminger

Das Projekt „Kicken und Lesen“ führt Seelachschüler sowohl an den Ball als auch ans Buch.

Weilimdorf - Auf Sebastians rotem Bayern-München-Trikot steht in großen Lettern „Gomez“. Doch obwohl er Fan des Beinahe-Torschützenkönigs der Europameisterschaft ist, freut er sich trotzdem über den Sieg der Spanier – schließlich hat er beim Projekt „Kicken und Lesen“ vor seinen Mitschülern eine kleine Präsentation über den amtierenden Welt- und Europameister gehalten. Wie er sich die Infos beschafft hat? „Mit Fußball gucken und im Kicker lesen“, sagt der 15-Jährige.

„Kicken und Lesen“ ist ein Projekt der Baden-Württemberg Stiftung. Ziel ist, die Lesekompetenz und Sprachfähigkeit speziell von Buben zu stärken. Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist offizieller Schirmherr, der VfB Stuttgart fungiert als Kooperationspartner. Seit März wird das Projekt an neun Schulen in Baden-Württemberg mit unterschiedlichen Schwerpunkten durchgeführt.

Das Gemeinschaftserlebnis Sport (GES), ein Programm der Landeshauptstadt Stuttgart und des Sportkreises Stuttgart, setzt „Kicken und Lesen“ an der Seelachschule in Weilimdorf um. Einmal pro Woche kommen Fabian Schönleber und Felix Purkert vom GES an der Förderschule vorbei. 45 Minuten wird gemeinsam gelesen, 45 Minuten wird gekickt. Zehn Buben der Klassenstufe sechs bis neun nehmen teil.

Fußball als Leseanreiz

„Die Gruppe ist sehr fußballfixiert, ein Leseanreiz war bei ihnen bisher aber noch nicht so gegeben“, sagt Schönleber. „Wir haben versucht, die Jungs über die EM zu locken und zu animieren, über Fußball zu lesen.“ Gemeinsam wurde das Regelwerk des Fußballverbands durchgearbeitet. Außerdem wurden zusammen Artikel in der Fußballzeitschrift „Kicker“ gelesen. Außerhalb der Schule besuchte die Gruppe die neue Stadtbibliothek und erfuhr, wie ein Ausweis beantragt wird und Bücher ausgeliehen werden. Das letzte Heimspiel des VfB durften die Schüler im Stadion anschauen und als Reporter darüber berichten.

„Beim Lesen bemerken wir bei allen Schülern einen Fortschritt“, sagt die Schulleiterin Barbara Preisinger. Die Buben seien sehr motiviert bei dem Projekt dabei. Die Förderschüler, die sich sonst beim Lernen schwerer tun, könnten tolle Erfolgserlebnisse erfahren. „Oft geben die Eltern wenig Unterstützung, wenn es um Vereine oder Sporttätigkeit geht. Deshalb ist es gut, wenn das im schulischen Rahmen stattfinden kann“, sagt Preisinger. Wenn außer beim Kicken auch noch beim Lesen Erfolge erzielt werden, ist die Rektorin überglücklich. „Ein ganz schlechter Leser wurde kürzlich gesehen, wie er in der Straßenbahn gelesen hat. Ist das nicht toll?“

Der Fanbeauftragte des VfB Peter Reichert unterstreicht, dass der Stuttgarter Sportverein großen Wert darauf legt, sich für die Bildung von Jugendlichen einzusetzen. „Unsere Jugend muss in der Schule gut sein und einen Abschluss machen. Schließlich schaffen es die allerwenigsten, Profisportler zu werden“, sagt Reichert.