Ausgerechnet die Flüchtlingspolitik von Horst Seehofer ist manchen in seiner Unionsfraktion plötzlich nicht mehr hart genug – der Minister verteidigt seien Kompromisse. Foto: dpa

Innenminister Seehofer tauscht die Rollen und verteidigt nun das in einer Koalition Machbare. Das ist nach den Ereignissen des vergangenen Jahres bemerkenswert, meint unser Berliner Korrespondent Christopher Ziedler.

Berlin - Es ist noch nicht lange her, dass Horst Seehofer jede Gelegenheit genutzt hat, um die CDU und deren Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik vor sich herzutreiben. Kaum war die Obergrenze beschlossen, sollten Zurückweisungen an der Grenze her. Das gipfelte darin, dass die Fraktionsgemeinschaft der Union im Bundestag fast zerbrach, seine CSU bei der Wahl in Bayern abgestraft wurde und er den Parteivorsitz abgeben musste. Die Selbsterkenntnis, dass es so nicht weitergehen konnte, hat der Spitze der Schwesterparteien und der Bundesregierung seither Frieden beschert. Wie brüchig er im Blick auf die bevorstehenden Wahlen sein könnte, zeigt der Unmut in der Fraktion darüber, dass nun ausgerechnet Seehofers Flüchtlingspolitik nicht mehr hart genug sein soll.

Mindestens so gewöhnungsbedürftig ist der Seitenwechsel des Innenministers. Er gesellt sich ausdrücklich nicht mehr zu jenen, die mit Maximalforderungen die eigenen Anhänger auf Bäume jagen, von denen sie nicht mehr herunterkommen. Stattdessen verteidigt er die regierungsinternen Kompromisse mit den SPD-Ministerien rund um sein Abschiebegesetz als demokratischen Normalfall und warnt – sicher auch aus Eigeninteresse – vor einem Koalitionswechsel, den er nicht überstehen würde. Bemerkenswert ist Seehofers Wandlung vom Saulus zum Paulus aber allemal.