Folgt er ihr noch? Horst Seehofers Masterplan ist das Programm eines drastischen Umsteuerns in der Asylpolitik. Foto: dpa

Unabhängig vom Streit um die Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge an der Grenze markiert Seehofers Katalog eine Wende in der Asylpolitik. Und die Zuspitzung geht auf seine Kappe.

Berlin - Es gibt ihn also wirklich. Am Sonntag hatte Horst Seehofer nach wochenlanger Geheimniskrämerei seinen etwas pompös „Masterplan“ genannten Maßnahmen-Katalog „zur Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung“ vorgelegt – auf einer Sitzung der CSU-Gremien. In Berlin durften die CDU-Präsiden derweil weiter warten. Nun macht der Plan im Internet Karriere und ist allseits zugänglich. Offenbar ist dies aber nicht die Endfassung. Das Papier, das Seehofer am Sonntag präsentierte, habe er „als CSU-Vorsitzender und nicht als Bundesminister des Inneren“ vorgelegt, erklärte eine Sprecherin seines Ministeriums am Montag. Das Ministerium arbeite noch an dem Papier, womöglich gebe es „geringfügige Anpassungen“.

63 Punkte sind aufgelistet, Stein des Anstoßes ist Punkt 27: „Künftig ist auch die Zurückweisung von Schutzsuchenden beabsichtigt, wenn diese in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bereits einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert sind.“ Das ist nicht überraschend. Allerdings wird deutlich: Nirgendwo ist in dem Text des Masterplans von einer Fristsetzung die Rede.

Im nachfolgenden Spiegelstrich scheint nur ein ungefährer Zeithorizont auf: „Wie mit dem Grenzregime weiter zu verfahren ist, muss im Lichte der kurzfristig zu erwartenden Ergebnisse der Reformbestrebungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems entscheiden werden.“ Das zeigt: Es hätte der CSU durchaus die Möglichkeit zur Verfügung gestanden, auf der Grundlage des Masterplans auf Ultimaten an die Kanzlerin zu verzichten. Die Zuspitzung ist ein Alleingang Seehofers. Der Hinweis könnte noch wichtig werden. Er ermöglichte einem potenziellen Nachfolger etwas Druck abzubauen, ohne inhaltlich zurückweichen zu müssen.

Nationale Projekte als Herzstück

Den Zuschnitt des Masterplans hat Seehofer, wie sich zeigt, immer korrekt dargestellt. In den vier Handlungsfeldern „Herkunftsländer“, „Transitländer“, „Europäische Union“ und „Inland“ zählt er teils bereits laufende Maßnahmen, teils Absichten und Vorhaben auf. Manches ist, auch aufgrund der Verhandlungen der Kanzlerin, schon auf EU-Ebene übernommen. Wie zum Beispiel die Absicht, „sichere Orte zur Rückführung von im Mittelmeer aufgegriffenen Flüchtlingen“ in Nordafrika einzurichten.

Das Herzstück des Masterplans bilden aber die nationalen Projekte. Gemäß dem Grundsatz: „Je weniger das gemeinsame europäische Asylsystem leisten kann, desto mehr gewinnen nationale Maßnahmen und ihre Wirksamkeit an Bedeutung.“ Dazu sollen dann die „Durchführung von vorübergehenden Binnengrenzkontrollen“, eine „intensive Schleierfahndung“ und die „Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei“ gehören.

Aber das eigentliche Leitthema des Plans ist ein gesteigerter Druck auf Flüchtlinge: um sich schneller zu integrieren, bei Verfahren aktiver mitzuarbeiten und um zu erreichen, dass sich illegal im Land aufhaltende Menschen rascher abgeschoben werden können. Dazu sollen zum Beispiel die Anker-Zentren dienen, in denen Familien maximal ein halbes Jahr, Einzelpersonen höchstens 18 Monate bleiben sollen. Bis dahin soll ihr Status geklärt sein und aus den Zentren sollen diejenigen abgeschoben werden, deren Asylantrag abgelehnt worden ist.

Ein alter Plan aus Bayern wird aufgegriffen

Wer während des Asylverfahrens sein Heimatland besucht, soll automatisch das Asylrecht verlieren. Bei rechtskräftig verurteilten Straftätern soll es zu Widerrufsverfahren kommen, eine gesetzliche Mitwirkungspflicht soll festgeschrieben werden. Bei der Unterbringung in Aufnahme-Einrichtungen soll auf „konsequente Anwendung des Sachleistungsprinzips“ geachtet werden.

Wer bei den Asylverfahren nicht mitwirkt, etwa bei der Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit, soll „leistungsrechtliche Sanktionierung“ erfahren, und geprüft werden soll „die Beteiligung von Schutzsuchenden an Gerichtskosten“, ein alter Vorschlag des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann. Der wird derzeit in Berlin bereits als möglicher Nachfolger Seehofers – sollte dieser als Minister zurücktreten – gehandelt. Dies zeigt, dass so schnell nichts mehr einfach wird im Zusammenleben der Schwesterparteien.

Der Masterplan bekennt sich allerdings auch zur „Förderung der legalen Zuwanderung“. Es soll ein „bedarfsorientiertes Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz“ erarbeitet werden. Angela Merkel hatte zuletzt betont, dass sie „62,5 von 63 Punkten“ unterstützt. Das ist bemerkenswert, denn der Plan dokumentiert auch unabhängig vom Streit über die Zurückweisungen eine Wende in der Asylpolitik.