Auch gebrauchte Taschen kann man im Obscür erstehen Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Etwa 40 Secondhand-Läden in Stuttgart bieten Klamotten in unterschiedlichster Art. Aussortiert hat man sie, nun suchen die Kleider einen neuen Besitzer. Einen, der Liebe auf den zweiten Blick schätzt. Ein Blick, der sich lohnen kann.

Stuttgart - Secondhand-Läden haben oft einen zweifelhaften Ruf: vollgepackt, überfüllt, voll mit Ramsch. Ein Vorurteil, wie ein Rundgang durch Stuttgarts Secondhand- Boutiquen zeigt:

 

Das Prinzip

Wie läuft das eigentlich mit einem Secondhand-Geschäft? Ganz einfach: Wer Kleidungsstücke hat, die er nicht mehr trägt, aber die noch gut in Schuss sind, bringt sie einfach in einen Secondhand-Laden. Secondhand ist Englisch und bedeutet aus zweiter Hand. Für den Verkauf wollen die meisten Ladenbetreiber in der Regel eine Kommission von 50 Prozent. Wird das Kleidungsstück verkauft, erhalten Besitzer und Verkäufer je die Hälfte des Erlöses. Wenn nicht, geht der Artikel eben zurück an den Besitzer. Viele SecondhandVerkäufer kaufen aber auch gebrauchte Ware oder B-Ware ein und verkaufen diese.

Für Mann und Frau

Beim Obscür in der Hirschstraße 24 ist es das 50:50-Prinzip – schon seit über acht Jahren. Obwohl der Laden mitten in der Stadt liegt, ist er ein wenig versteckt. So auch die kleinen Schätze, die Mann oder Frau dort entdecken können. Wie zum Beispiel Lederschuhe für zehn Euro, ein dunkler Jeansrock von Tom Taylor für vier Euro, aber auch Schallplatten und CDs. „Die sind eher für die Männer gedacht“, scherzt Verkäufer Alex Pfitzenmayer, „wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Frauen doch eher für die Kleidung interessieren und Männer mehr Zeit den Platten widmen.“ Übrigens: Der Name Obscür ist Programm. Übersetzt heißt es das Verborgene, das Unentdeckte.

Überzeugungstäterin

Gleiches gilt für den Secondhand-Laden Alex am Stöckach. Der Laden ist voller Schätze, die entdeckt werden wollen: stylische Leoparden-High-Heels für zehn Euro oder eine braune Männer-Lederjacke für sieben Euro. Die Besitzerin ist selbst ein Secondhand-Fan. Überzeugungstäterin sozusagen. „Ich habe kaum Zeit, privat shoppen zu gehen, da greife ich selbst auf Secondhand zurück, wenn ich Kleidung für meinen Laden aussuche“, sagt Alex Prohask, die vor vier Jahren das Secondhand-Geschäft eröffnet hat und zwei weitere Läden in Feuerbach und Bad Cannstatt betreibt.

Secondhand in Stuttgart: Läden für Kleidung, Möbel, Babysachen.

Die Leidenschaft für Secondhand teilt Prohask mit den meisten ihrer Kunden: Es ist immer wieder wie eine Abenteuerreise. Es ist die Lust am Suchen, Stöbern, Probieren und schließlich Finden. Es sei das besondere Etwas, das Kunden in normalen Boutiquen auf diese Art nicht finden würden. Es ist die Liebe auf den zweiten Blick.

Geführte Entdeckungsreise

Renate Mpimpilis nimmt ihre Kunden im Secondhand-Laden Mona Lisa in der Hasenbergstraße 46 im Stuttgarter Westen dagegen lieber an die Hand. Mit anderen Worten: Hier gibt es geführte Entdeckungsreisen durch den Waren-Dschungel. Beratung steht bei Renate Mpimpilis im Vordergrund. „Der Mantel steht dir gut“, sagt sie zu einer Kundin und ergänzt nach deren skeptischem Blick: „Ich würde das nicht sagen, wenn es nicht so wäre.“ Seit acht Jahren hat Mpimpilis mit ihrem Konzept Erfolg. Kunden schätzen Mpimpilis’ offene und ehrliche Art.

Nicht minder wichtig ist aber auch hier der Gedanke, einen Goldschatz für kleines Geld entdecken zu können. Zum Beispiel Lederjacken in unterschiedlichen Farben, eine WESC-Jeans für zwölf Euro oder Mäntel für 24 Euro. Derzeit gibt es auf alle Winterwaren sogar noch 30 Prozent Rabatt. Und wer möchte, bekommt noch einen Sonderservice. „Ich bin gelernte Nagelmodelistin“, sagt sie, „viele, die zum Shoppen kommen, gönnen sich noch eine Maniküre.“

Luxus aus zweiter Hand

Ob die Idee mit den Extras auch vom Mädchenflohmarkt in der Calwer Passage ist? Immerhin gibt es dort manchmal Sekt für die Kunden. Nicht alleine wegen des Schaumweins ist der Mädchenflohmarkt mehr als ein Secondhand-Laden. Hier gibt es exklusive Designerware. Mitunter zum Schnäppchenpreis: Eine Daunenjacke von Burberry kostet nur 600 Euro anstatt 1200 Euro. Eine Handtasche von Moschino 300 anstatt 650 Euro! Kurzum: Hier gibt es Luxus aus zweiter Hand. Doch leider nur für die Frau. „Die verbringen einfach mehr Zeit mit dem Suchen“, sagt Florentin Möhrle, Angestellte im Mädchenflohmarkt.

Unikate zum Ersteigern

Mit Luxus und edler Ware beglückt auch das Auktionshaus Eppli die Kunden. Die Boutique im Königsbau hat sich auf Unikate spezialisiert, wie Filialleiterin Iris Hahn erzählt: „Wir nehmen alles außer Ehemänner und Häuser“, scherzt sie und zeigt verschiedene Pelzmäntel. Die Preise liegen zwischen 500 und 2000 Euro.

Aber es gibt auch exklusive Kleider. Zum Beispiel ein rotes Kostüm von Dior für 200 Euro. Nicht die einzige bekannte Marke, die dort gehandelt wird. So gibt es zahlreiche Koffer von Chanel oder Taschen von Louis Vuitton.

Anders als bei den anderen Secondhand-Läden kann man die Einzelstücke beim Auktionshaus Eppli wöchentlich ersteigern – inklusive einer ganz eigenen Geschichte pro Stück. „Das ist ja das Schöne an den Sachen“, sagt Iris Hahn, „jedes Secondhand-Stück hat etwas ganz Individuelles.“