Weil er im Streit einen Freund erstochen hat, muss ein 81-Jähriger für sechs Jahre ins Gefängnis.

Hechingen - Weil er im Streit einen guten Freund erstochen hat, muss ein 81-jähriger Mann aus Balingen (Zollernalbkreis) für sechs Jahre ins Gefängnis. Die Richter am Landgericht Hechingen verurteilten ihn am Donnerstag wegen Totschlags. Der Angeklagte hatte bis zuletzt behauptet, sein Freund habe zuerst angegriffen und er habe sich nur gewehrt. Doch der Vorsitzende Richter glaubte ihm kein Wort: „Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie uns anlügen“, sagte Herbert Anderer. „Wir wissen, dass die Tat anders verlaufen ist, als Sie es uns erzählen.“

Der 81-Jährige war für das Gericht kein typischer Angeklagter. Mit hellgrauen Haaren und dem milden Blick eines Großvaters saß er auf der Anklagebank. Die Gelenke des alten Mannes sind so steif, dass er sich nur langsam bewegen kann. Und trotzdem sind die Ermittler sicher, dass er im vergangenen November neunmal auf sein ebenfalls 81 Jahre altes Opfer eingestochen hat.

Die beiden alten Männer waren schon lange gute Freunde. Der Angeklagte wohnte nach der Scheidung von seiner Frau allein. Ein eintöniges Leben habe er geführt, sagte ein Gutachter. Soziale Kontakte habe er kaum gehabt, jeden Tag verbrachte er viele Stunden vor dem Fernseher. Die Besuche seines Freundes seien für ihn immer ein Höhepunkt gewesen, erzählte der Angeklagte den Richtern. „Wir haben uns unterhalten, haben gelacht.“ Dazu tranken sie billigen Wein aus Tüten.

So war es auch am Abend des 10. November 2010. Weshalb dann plötzlich die Stimmung umschlug, blieb auch in dem Prozess völlig unklar. Die Tat an sich haben Kriminologen bis ins Details rekonstruiert: Einen kurzen Kampf muss es gegeben haben. Die Männer standen sich gegenüber, als der 81-Jährige seinem Freund das Messer in den Hals stach. Tödlich verletzt sackte der zu Boden. Dort rammte ihm der Täter das Messer noch achtmal in den Hals und die Brust. Aber warum?

Der Angeklagte müsse völlig ausgerastet sein, betonte der psychiatrische Gutachter. Das sei extrem untypisch für einen Mann dieses Alters, der noch nie in seinem Leben mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sei. „Da muss etwas ganz Massives passiert sein, anders kann ich mir das nicht erklären.“ Eine schwere Kränkung, Eifersucht oder Streit um Geld könne der Auslöser gewesen sein. Aber letztlich ist das Spekulation.

Der 81-Jährige selbst verlor über sein Motiv kein Wort. Und er brach sein Schweigen auch dann nicht, als der Staatsanwalt einen letzten Versuch unternahm: „Hier im Saal sitzen die Tochter und zwei Enkelkinder des Opfers. Wollen Sie nicht doch sagen, wie es wirklich war?“, frage er den Angeklagten. Der aber wiederholte ein weiteres Mal seine von den Beweisen widerlegte Version der Ereignisse. Selbst sein Verteidiger glaubte ihm kein Wort. „Er hat sich diese Tat-Version wohl auch zum Schutz vor sich selbst angeeignet“, versuchte sich der Anwalt an einer Erklärung.

Dass er sich nicht einmal bei den Hinterbliebenen seines Opfers entschuldigte, lasteten ihm die Richter schwer an. Selbst in seinem Schlusswort ging dem 81-Jährigen kein Wort des Bedauerns über die Lippen. Er sagte nur: „Ich möchte gerne eine Einzelzelle.