Neu im Stuttgarter Opernensemble: Sebastian Kohlhepp. Foto: Martin Sigmund

Er war Ensemblemitglied am Badischen Staatstheater Karlsruhe, dann an der Wiener Staatsoper. Bei der Premiere von Jommellis „Berenike“ im Februar sang er als Gast an der Oper Stuttgart, seit dieser Saison ist Sebastian Kohlhepp (34) hier fest engagiert. An diesem Sonntag singt er den Ferrando in „Così fan tutte“.

Stuttgart - „Et kütt, wie et kütt“, zitiert Sebastian Kohlhepp die Menschen des Landstrichs, in dem er sich zu Hause fühlt: Es kommt, wie es kommen soll. In Bonn, „direkt am Rheinufer“, wohnt der Tenor. Hier bemüht er sich, „zwischendurch auch mal nicht Sänger zu sein“; hier ist die Basis, von der aus er sich aufmacht zu seinen Probephasen für Oper und Konzert, immer mit dem Lebensmotto der Rheinländer im Gepäck, das von Gelassenheit kündet und vom Genießen des Augenblicks.

Oper: Das ist seit Beginn dieser Spielzeit vor allem das Haus in Stuttgart, wo Kohlhepp, jetzt als festes Ensemblemitglied, wieder den Lucio Vero in Niccolò Jommellis „Berenike“ singen wird, außerdem den jungen Herrn in Philippe Boesmans’ „Reigen“ – und, als größte, vielleicht auch anstrengendste Partie, den Ferrando in Mozarts „Così fan tutte“. Hinzu kommt im Dezember eine neue „Zauberflöte“ am Theater Basel. Und Konzert: Das war unlängst eine lange Tournee mit René Jacobs und Bachs Passionen, gerade auch Mozarts c-Moll-Messe mit Helmuth Rilling in Südtirol, am Jahresende dann Bachs Weihnachtsoratorium mit dem Freiburger Barockorchester. 2016 werden es „ein, zwei Passionen“ sein, und einmal wird der Tenor dabei auch mit Hans-Christoph Rademann und der Gächinger Kantorei auftreten.

Balance zwischen Oper und Konzert, dramatischem und lyrischem Singen

Dies vor allem wünscht sich der Sänger für die Zukunft: weiterhin eine gute Balance zu halten zwischen Oper und Konzert – und noch möglichst lange „an einem Tag eine Jommelli-Oper mit ihren furiosen dramatischen Momenten singen und am nächsten Tag in einer Kirche leicht und locker eine Bach-Kantate flöten zu können“.

Möglich wär’s. „Ich habe das Glück, Tenor zu sein“, sagt Sebastian Kohlhepp, „und dazu noch einer, der in beiden Fächern unterwegs ist.“

Lange, muss man einschränken, ist das noch nicht der Fall. Lange war der Tenor, der in Limburg aufwuchs und beim dortigen Knabenchor musikalisch sozialisiert wurde („Im Chor zu singen, macht eine ganz andere Gänsehaut“), vor allem in Profi-Chören unterwegs – darunter auch in Frieder Bernius’ Kammerchor Stuttgart. Zuvor hatte er, „weil ich früher eher die Sicherheitsschiene gefahren bin“ – Schulmusik und Germanistik studiert. Den Schritt zum Solisten, überhaupt erst einmal zum Gesangsstudium, wagte er erst mit 26.

Von Karlsruhe nach Wien, von Wien nach Stuttgart

Dann aber wurde Kohlhepp zum Turbo-Tenor: durchlief das Studium in Frankfurt im Schnellverfahren, wurde direkt nach seinem Examen ans Badische Staatstheater engagiert , sang, „weil ich mal sehen wollte, wo ich überhaupt stehe“, an der Wiener Staatsoper vor – und bekam noch am selben Tag ein Vertragsangebot. Karlsruhe: Das war, sagt Sebastian Kohlhepp, „ein Riesenglück, das Haus war toll für mich – allein die Kantine dort ist eine Wohlfühl-Oase“. Aber irgendwie habe er dann doch weiter gewollt – „so schön es auch ist, aber man läuft dort Gefahr, zu gemütlich zu werden und sein Ziel aus den Augen zu verlieren“.

So kam der Tenor nach Wien – und blieb nur eine einzige Spielzeit. „Wäre ich fünf Jahre jünger gewesen, dann wäre ich vielleicht länger geblieben, hätte mich durch die vielen kleinen Partien hindurchgekämpft und durch das ganze Covern als Zweitbesetzung für andere, um nach ein paar Jahren vielleicht mal eine größere Rolle abzubekommen. Aber so habe ich mit 32 halt höchstens einmal den Froh im ‚Rheingold‘ gesungen und den Jaquino im ‚Fidelio‘, und all die großen Partien, die ich in Karlsruhe schon selbst gesungen hatte – Tamino, Don Ottavio, Lenski –, die durfte ich nur covern für Tenöre mit großen Namen.“

Auf der Bühne ein anderer sein – ganz entspannt

Immerhin hat er dabei gelernt, sich auf der Bühne zu bewegen. „Vorher“, so Kohlhepp, „war ich lange Zeit noch der Chorsänger, der mit Noten auf der Bühne steht“. Heute fühlt sich der Sänger im Rampenlicht zu Hause, und er mag es, „dort jemand anders sein und Sachen ausleben zu können, die man sonst nie ausleben würde“.

Dramatischer, sagt er, sei seine Stimme zuletzt geworden; dennoch will er so lange wie möglich noch im lyrischen Fach bleiben, würde gerne noch Mozarts Belmonte singen und Idomeneo, später den Lenski, seine „Traumpartie“, „und womöglich kommt in sechs, sieben Jahren auch mal ein ‚Freischütz‘“.

Jetzt aber erst der Ferrando. Die Ensembles in „Così fan tutte“: „reiner Balsam“. Die Arien hingegen (die man, weil sie so unterschiedlich sind, auch mit zwei verschiedenen Tenören besetzen könne): „ein Kampf“.

Und wenn beim Singen mal was daneben geht? Sebastian Kohlhepp bleibt gelassen: „Hauptsache, ich stelle etwas dar auf der Bühne. Wer damit ein Problem hat, soll sich zu Hause eine DVD ansehen.“ Da ist er dann wieder, der (Wahl-)Rheinländer. Wie sagt der noch so wundervoll entspannt: „Et hätt noch immer joot jejange.“