Sebastian Heymann hebt ab und wuchtet den Ball ins Tor: Der Rückraumspieler war auch beim Duell mit den Rhein-Neckar Löwen mit fünf Treffer bester Frisch-Auf-Werfer. Foto: Baumann

1,98 Meter Gardemaß, 96 Kilo, Würfe mit 120 Kilometern pro Stunde, hohe Spielintelligenz: Handball-Bundestrainer Christian Prokop beruft Sebastian Heymann von Frisch Auf Göppingen in den 28-Mann-Kader für die Heim-WM. Dem 20-Jährigen gehört die Zukunft.

Göppingen - Christian Prokop hat in den vergangenen Tagen einen kleinen Telefon-Marathon hinter sich. Einer der Gesprächspartner des Handball-Bundestrainers war dabei auch Hartmut Mayerhoffer.

Immer wieder tauschte sich der 39-Jährige auch mit dem Bundesliga-Trainer von Frisch Auf Göppingen aus. Am Adventssonntag teilte Prokop dann seine Entscheidung mit: Sebastian Heymann steht im 28-Mann-Kader der deutschen Nationalmannschaft für die Heim-WM. Der Hörer ist Mayerhoffer aufgrund dieser Nachricht nicht aus der Hand gefallen. „Es hat mich nicht sehr überrascht, denn es ist der Lohn und eigentlich auch die logische Konsequenz für seine grandiose Entwicklung“, sagt der Frisch-Auf-Coach.

Marian Michalczik verdrängt

Heymann hat auf seiner Position schon mal Marian Michalczik (21, GWD Minden/acht A-Länderspiele) verdrängt, der von Prokop nicht berücksichtigt wurde. Die erstmalige Nominierung in das vorläufige Aufgebot heißt für den Göppinger aber nicht, dass er auch zum Kader zählt, den der Bundestrainer bis zum WM-Eröffnungsspiel gegen Korea in Berlin am 10. Januar (18.15 Uhr) auf 16 Akteure reduzieren muss. Stand jetzt ist die Wahrscheinlichkeit nicht extrem hoch.

Aber ausgeschlossen ist eine Teilnahme nicht – denn die Königsposition im linken Rückraum ist die Problemzone im deutschen Team: Shooter Julius Kühn (Kreuzbandriss) fällt definitiv aus, Paul Drux (Füchse Berlin) ist angeschlagen, Steffen Fäth drückt bei den Rhein-Neckar Löwen die Bank, Fabian Böhm (TSV Hannover-Burgdorf) und Philipp Weber (SC DHfK Leipzig) spielen mit ihren Vereinen eine schwache Runde. Also doch Heymann? Also doch einen 20-Jährigen ins kalte Wasser werfen, den die Gegner nicht auf dem Schirm haben und der Spiele alleine entscheiden kann?

Prokop: „Heymann gehört die Zukunft“

Prokop legt sich logischerweise nicht fest, hatte aber schon Ende November im Interview mit unserer Zeitung gesagt: „Unabhängig von einer Nominierung, Sebastian Heymann gehört die Zukunft.“

Keine Frage: das Ausnahmetalent bringt alles für eine große Karriere mit. Er hat mit 1,98 Metern Gardemaß, er wiegt 96 Kilogramm, seit er vor zwei Jahren den Drittligisten TSB Horkheim verlassen hat, legte er sechs Kilo an Muskelmasse zu. Die körperliche Robustheit ist für seine Spielweise ungemein wichtig. Denn Heymann bringt nicht nur eine gute Spielfähigkeit mit. Er kann sich auch nicht nur aus neun Metern Distanz in die Höhe schrauben und den Ball mit 120 Stundenkilometern aufs Tor wuchten. Nein: er geht mit seiner Dynamik auch explosionsartig in die Schnittstellen der Deckung und sucht mutig den Körperkontakt in Eins-gegen-Eins-Situationen.

Stark in der Deckung und klar im Kopf

Zwei weitere Aspekte sprechen für den Rückraumspieler, der vor kurzem seinen Vertrag bei Frisch Auf bis 2022 verlängerte. Zum einen steht er im Innenblock seinen Mann, zum anderen bringt er die mentale Reife mit. „Sebastian ist klar im Kopf, dazu bodenständig, bescheiden und ungemein fleißig. Manchmal musste man ihn zu seinem Glück zwingen, ihn antreiben und ihm aufzeigen, was für ein guter Spieler er ist“, weiß Jochen Zürn, sein Ex-Trainer und Förderer beim TSB Horkheim. Der Handball ist Heymann praktisch in die Wiege gelegt. Er ist 250 Meter von der Horkheimer Stauwehrhalle aufgewachsen. Sein Vater Martin war viele Jahre Jugendleiter beim TSB, Mutter Sabine als Helferin im Einsatz.

Nur Verletzungen können ihn stoppen

Was den Mann auf dem Weg ganz noch oben stoppen kann? Vor allem Verletzungen. Eine Kapselverletzung, eine Gehirnerschütterung und vor allem ein Mittelfußbruch hatten Heymann 2017 zurückgeworfen, im Juli 2018 trat ihm bei der Junioren-Nationalmannschaft ein Gegespieler auf den Fuß. Folge: Ein geprellter Knochen, ringsherum Flüssigkeit und Schmerzen rund um die eingesetzte Platte. Wieder war eine Pause fällig. Inzwischen bereitet ihm diese Verletzung keine Probleme mehr. Derzeit zwickt nur ein wenig der Rücken, weshalb er seine Teilnahme am Lehrgang der U-21-Nationalmannschaft diese Woche in Warendorf abgesagt hat.

Vielleicht ist es aber nur eine Vorsichtsmaßnahme mit Blick auf die A-Nationalmannschaft. Sebastian Heymann konnte das am Montag nicht beantworten. Er hatte sein Handy ausgeschaltet.

Kraus und Kneule nicht dabei, dafür Bitter und Schiller

Michael „Mimi“ Kraus zählt nicht zum 28-Mann-Kader für die Heim-WM, der bis 10. Januar auf 16 Akteure reduziert werden muss. Dafür wurde sein Vereinskollege vom TVB Stuttgart, Johannes Bitter, nominiert. Der Torwart könne im Falle einer Verletzung seines Stamm-Duos Andreas Wolff/Silvio Heinevetter laut Bundestrainer Christian Prokop „absichern“ und der Mannschaft „den Rücken stärken. Er ist zu 100 Prozent motiviert.“ Bei Kraus sei seine Hand-Verletzung ein „Mitgrund. Sie birgt ein Risiko.“ Auch Spielmacher Tim Kneule (Frisch Auf Göppingen) ist nicht dabei.


Neben Bitter stehen Sebastian Heymann, Marcel Schiller (beide Frisch Auf Göppingen) und Martin Strobel vom Zweitligisten HBW Balingen-Weilstetten im 28er Kader. Zwei weitere Spieler haben Wurzeln in Württemberg: Kai Häfner (TSV Hannover-Burgdorf) ist in Schwäbisch Gmünd geboren, Tim Suton (TBV Lemgo) kam in Kirchheim/Teck zur Welt.