Scorpions-Sänger Klaus Meine Foto: dpa

Aus ihrem geplanten Abschied wurde nichts – im Gegenteil: Die Scorpions haben ein neues Album vorgelegt und denken, wie Klaus Meine sagt, „nur noch nach vorne“.

Herr Meine, wo liegt denn für Sie noch der Kick, eine neue Platte herauszubringen. Im Prinzip haben Sie doch alles erreicht?
Man hat doch nie im Leben alles erreicht, oder? Das wäre doch auch furchtbar. Würden wir so denken, dann hätten wir schon 1991 nach dem gigantischen Welterfolg von „Wind Of Change“ aufhören müssen. Wir treten nicht an, um im Schweiße unseres Angesichts irgendetwas zu toppen. Wir gehen da raus, stehen auf der Bühne, spielen mittlerweile für drei Generationen von Fans – und die werden immer jünger. Das ist doch fantastisch. Es ist ein Privileg, dass wir nach so vielen Jahren überhaupt noch diese globale Bühne bespielen können. Das ist es, was uns motiviert.
Ihre Abschiedstour hatten Sie aber bereits beendet.
Für „Return To Forever“ hatten wir schon 2011 begonnen, zwischen Konzerten immer wieder ein paar Songs aufzunehmen. Wir hatten gemerkt, dass da noch ein paar versteckte Juwelen aus den 1980er Jahren herumlagen, die wir zum Abschied für unsere Fans unbedingt fertig machen wollten. Dann kam uns das „MTV Unplugged“-Projekt dazwischen. Das hat unsere „creative gates“ geöffnet, so dass wir plötzlich nicht nur neue Songs für „MTV Unplugged“ geschrieben haben, sondern jeder von uns auch mit neuen Ideen ins Studio kam.
Deswegen der Rückzieher vom Karriereende?
Unsere Plattenfirma sagte: „So leicht lassen wir euch noch nicht gehen.“ Das ist eine sehr komfortable Situation und wesentlich besser, als wenn der Künstler mangels Erfolg oder Ideen vom Hof gejagt wird. (Lacht)
Wenn über die Scorpions gesprochen wird, geht es meist um Superlative, Erfolge, Rekorde, Auszeichnungen – hören Sie das noch gerne, oder würden Sie manchmal einfach nur in Ruhe Musik machen?
Also ich höre es lieber, wenn Erfolge statt Misserfolge aufgezählt werden. Vergangenes Jahr habe ich gelesen, dass „Wind Of Change“ auf der Internet-Plattform Vevo mehr als 100 Millionen Mal angeklickt wurde. Das ist eine derart gigantische Zahl, dass ich mir auch erst mal die Augen reiben musste. Ich glaube, wir sind die erste deutsche Band, die diese Marke geknackt hat.
Peilen Sie das 60-Jahr-Band-Jubiläum an?
Wir lassen uns lieber auf keine Prognosen mehr ein – das klappte ja schon mit der Abschiedstour nicht.
Auch der Rock’n’Roll kommt nicht gegen das Alter an.
Ja, er wird älter. Ich habe vergangenes Jahr zusammen mit Steven Tyler von Aerosmith die Rolling Stones in Berlin gesehen – die sind ja Giganten noch aus einer Generation vor uns. Das war der Wahnsinn, was die da abgezogen haben. Ich tippte Tyler an und sagte: „Das ist doch nicht zu fassen, der Jagger ist 70.“ Und Tyler meinte nur: „Klaus, wir sind beide auch schon 66 Jahre alt.“ Dass wir nach so vielen Jahren noch die Leute da draußen erreichen und für drei Generationen spielen, ist ein Privileg.
Viele Bands, mit denen Sie früher zusammen auf Tour waren, hatten wahnsinnige Drogenprobleme. Sie hingegen nie. Waren Sie schlauer als die?
Ich weiß nicht, ob wir schlauer waren. Gerade in den 1980er Jahren lag dieses Paket aus Sex, Drugs & Rock’n’Roll ja auch bei uns auf dem Tisch. Sex und Rock’n’Roll waren okay, nur die Drogen haben wir immer außen vor gelassen. Musik war die bessere Option. Ansonsten würden wir heute wahrscheinlich auch nicht 50 Jahre Scorpions feiern können.
Was können junge Bands von Ihnen lernen?
An sich selbst zu glauben – egal, was die Leute auch sagen, und egal, wo dein Ausgangspunkt ist. Wer hätte damals schon gedacht, dass ausgerechnet die Band aus Hännöver, West Germany, eine Weltkarriere hinlegt?
Haben Sie auch was von jüngeren Bands gelernt? Auf Tour zum Beispiel?
Die jungen Bands haben eher immer auf die Bühne geguckt, wie „die Alten“ das machen. Wir waren ja schon Mitte der 1980er Jahre „die Alten“. Da saßen dann Bon Jovi am Bühnenrand und haben geschaut, wie man seine Fans begeistert.
„Wind Of Change“ war der Soundtrack zu einem Weltumbruch. Wenn Sie jetzt gerade Nachrichten schauen – wäre es nicht mal wieder an der Zeit für so ein Lied?
Ich glaube, es wäre eher Zeit für einen Weltumbruch. Vor 25 Jahren haben wir gemeinsam in eine friedliche Zukunft geschaut. So vieles von dem, was wir für selbstverständlich gehalten haben, scheint gerade auseinander zu fallen. Wir erleben eine junge Generation, die plötzlich wieder Angst vor einem Krieg in Europa hat. Es ist wohl tatsächlich an der Zeit für einen neuen „Wind Of Change“, ein Umdenken und die Hoffnung, dass wir gemeinsam in eine friedliche Zukunft gehen.