Foto: Leif Piechowski

Laut Informationen des Verfassungsschutzes soll die Immobilie an der Heilbronner Straße, die als sogenannte „Ideale Org“ (Scientology-Kirche) dienen soll, von einer Strohfirma aus dem Ausland bereits für acht Millionen Euro erworben worden sein. Scientology dementiert das.

Stuttgart - Ein sogenannter Stresstest – nicht zu verwechseln mit dem in Zusammenhang mit Stuttgart 21 – gefällig? Was sich in der Königstraße nicht gerade wie eine Sekte gebart, ist in Wahrheit ein Stand von Scientology. Hier sollen neue Mitglieder rekrutiert werden. Das Stresstestgerät, erklärt ein Scientology-Mitglied, das namentlich nicht genannt werden möchte, misst negative mentale Ladungen und kann deren Ursachen ermitteln. Befragt man den 66-Jährigen aber zu der Aussage des Landesverfassungsschutzes Baden-Württemberg, Scientology wolle in der Heilbronner Straße sein deutschlandweit größtes Zentrum gründen, heißt es nur: „Das wissen nur die da oben und das ist auch gut so.“ Laut Informationen des Verfassungsschutzes soll die Immobilie, die als sogenannte „Ideale Org“ (Scientology-Kirche) dienen soll, von einer Strohfirma aus dem Ausland bereits für acht Millionen Euro erworben worden sein. Scientology dementiert das und beschuldigt den Verfassungsschutz, Hetze gegen die Organisation zu betreiben, wie es in einer schriftlichen Stellungnahme von Hubert Kech von der Scientology-Gemeinde Baden-Württemberg heißt. „Auch alle weiteren Angaben zu dem Thema sind reine, fast schon gebetsmühlenhaft wiederholte Spekulationen der zitierten Behörde, wie z.B. die Aussagen über den angeblichen Schwerpunkt für Deutschland“, schreibt Kech.

Der Verfassungsschutz beharrt auf seiner Position, über Informationen zu verfügen, die kaum Zweifel an den Plänen von Scientology zulassen. „Die operative Geheimhaltung erlaubt es uns aber nicht, weitere Details bekannt zu geben“, sagt Georg Spielberg, Pressesprecher beim Verfassungsschutz Baden-Württemberg. Allerdings heißt es auch seitens des Verfassungsschutzes, dass Scientology seit zehn Jahren ein größeres Zentrum in Stuttgart plant – was Scientology wiederum nie dementiert hat.

Da wäre der Standort an der Heilbronner Straße mit 5000 bis 6000 Quadratmetern auch verglichen mit dem aktuellen, eher hinterhofmäßigen Quartier auf gerade mal 1000 Quadratmetern schon ein sehr großer Unterschied, meint der Scientologe auf der Königstraße. Von der Prestigewirkung ganz zu schweigen. „Scientology will seinen Einfluss mehren und vor allem Köpfe aus Politik, Wirtschaft und dem Bankenwesen für sich gewinnen“, sagt ein Sprecher des Verfassungsschutzes. Sieht man sich die beiden einzigen deutschen Scientology-Kirchen in Hamburg und Berlin an, wird deutlich, dass Scientology bei der Standort- und Immobilienauswahl großen Wert auf repräsentative Wirkung legt.

Scientology wird zwar vom Verfassungsschutz beobachtet, ist aber in Deutschland keine verbotene Vereinigung sondern als legaler Verein eingetragen. „Selbst wenn es stimmt, dass Scientology die Immobilie erworben hat, sind uns die Hände gebunden“, sagt Fabian Schlabach, Pressereferent der Stadt Stuttgart. Die Stadtverwaltung sei angewiesen, eingetragene Vereine weder inhaltlich, politisch noch weltanschaulich zu bewerten.

Das findet der 66-jährige Scientologe auch richtig, der jeden Dienstag in der Königstraße für die Organisation wirbt. Dabei stößt er nicht immer auf Gegenliebe. „Ihr gehört alle verschossen“ oder „Ihr dürft überhaupt nicht hier sein“, würden ihm manche Passanten an den Kopf werfen. 1976, sagt er, ist der Betriebswirt Scientology beigetreten. „Über eine Zeitungsanzeige, die einen kostenlosen Persönlichkeitstest angeboten hat“, so der Scientologe weiter, „aber wir sind ja mittlerweile so von der Presse schlecht gemacht worden, dass wir gar keine Anzeigen mehr schalten dürfen.“

Nicht ganz zu unrecht, wenn der Verfassungsschutz damit Recht behält, dass sich Scientology in unlauterer Weise an seinen Mitgliedern bereichere. Die Behörde geht davon aus, dass Scientology-Anhänger allein in Baden-Württemberg eine Million Euro jährlich mit an die Organisation bezahlen müssen, weltweit ist von 120 Millionen Euro die Rede.

Nach Angaben des Verfassungsschutzes hat Scientology in Baden-Württemberg knapp 1000 Mitglieder, nach eigenen Angaben der Gruppe sind es über doppelt so viele. Auch wenn sich laut Verfassungsschutz die Aktivitäten der Organisation in Baden-Württemberg nicht verringern, sei die Anhängerzahl weltweit rückläufig.