Ein schwuler Pfarrer? Es ist noch nicht allzu lange her, da wäre das undenkbar gewesen. Heute sieht das anders aus, sagt der Degerlocher Pfarrer Detlef Häusler. Foto: picture alliance /dpa/Arno Burgi

Detlef Häusler ist Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Degerloch und schwul. Was er sich selbst vor einigen Jahren noch nicht eingestehen konnte, lebt er heute ganz offensiv.

Degerloch - Als Detlef Häusler sich vergangenes Jahr auf die Pfarrstelle in Degerloch beworben hat, spielte es keine Rolle, dass mit ihm keine Frau ins Pfarrhaus einziehen würde, sondern ein Mann. In der Bewerbung spielte der schwule Pfarrer mit offenen Karten – und der Kirchengemeinderat stimmte für ihn. „Beim Blick auf die Lebenssituation queerer Menschen hat sich ganz viel getan“, sagt der 58-Jährige. Sein eigener Werdegang macht aber deutlich, dass das nicht immer so war.

 

Als Kind und Jugendlicher sei ihm in Jugendkreisen klar vermittelt worden, Homosexualität sei eine Sünde, erzählt Häusler. Aufkeimende Ängste, dass er selbst schwul sein könnte, schob er beiseite. „Es gab für mich als junger Mensch nicht die Möglichkeit, dass ein Leben so aussehen könnte“, sagt er. „Ich wollte als glaubender Mensch richtig leben.“ Bis zum Alter von Mitte 30 habe er sich selbst erfolgreich eingeredet, dass er homoerotische Impulse einfach offener wahrnehme als andere, erzählt er und muss dabei herzlich lachen.

Er brennt für seine Arbeit als Pfarrer

Hätte er sich früher eingestanden, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt, hätte er nicht Theologie studiert, ist sich Häusler heute sicher. „Das ging überhaupt nicht zusammen.“ Abgesehen davon sei er sich immer sicher gewesen, dass er den richtigen Beruf ergriffen habe. Bei der Arbeit in seinen Gemeinden habe er immer gespürt, genau am richtigen Ort zu sein, das zu tun, wofür er brenne und von den Gemeindegliedern dafür geschätzt zu werden. „Ich habe gemerkt, dass mein Platz in der Kirche ist, obwohl ich wusste, dass ich mich in anderen Bereichen leichter tun würde.“

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Erst als er sich beruflich etabliert hatte, war der Moment gekommen, sich seine eigene Lebenswahrheit einzugestehen. Nur kurze Zeit verheimlichte er seine sexuelle Orientierung, „aber das habe ich nicht ausgehalten. Es hat mich zerrissen“, sagt Häusler. Er entschied sich, offen in Konfrontation zu gehen und sprach seinen Dekan und die Kirchenleitung darauf an. Beide seien ihm sehr wohlwollend begegnet, „zum Glück“.

Detlef Häusler ist sich sicher: Noch zehn, 15 Jahre früher sei diese Offenheit undenkbar gewesen. Den Weg dafür hätten viele Kollegen vor ihm geebnet, die intensiv dafür gerungen hätten, dass etwas in Bewegung kommt. Noch in den 1970er Jahren seien Kirche und Gesellschaft in ihren Werten relativ deckungsgleich gewesen. „Aber dann fing es an, auseinanderzudriften. Was gesellschaftlich als stimmig empfunden wird und was bei der Kirche möglich ist, hat sich verschoben“, sagt der Pfarrer.

Als Schwuler nie angefeindet worden

Wenngleich er weiß, dass es Gemeinden gibt, die sich schwerer mit queeren Menschen tun, hat er selbst nie Anfeindungen erlebt. Er habe es immer geschafft, auch mit jenen Menschen in Kontakt zu kommen, die mit seiner sexuellen Orientierung gefremdelt hätten. Gerne denkt er daran zurück, als er seine Pfarrstelle in Büsnau antrat und sich mit dem Kirchengemeinderat darauf verständigte, dass sein Mann zunächst nicht mit ins Pfarrhaus einziehen würde. „Nach drei Monaten haben alle gesagt: Holen Sie ihn her.“ Das Thema Homosexualität sei für ihn und seine Arbeit nie im Vordergrund gestanden. Sie sei auch nicht Teil seiner Predigten. „Aber sie macht mich natürlich sensibler für Minderheiten.“

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Die Aktion der vergangenen Woche, als 125 Menschen, die beruflich oder ehrenamtlich in der römisch-katholischen Kirche tätig sind, sich outeten, hat Detlef Häusler als sehr mutig empfunden. „Da war so viel brennendes Herz und Liebe für die Kirche. Ich hoffe, dass der Impuls, der jetzt da ist, gut weitergeht.“ Er ist sich sicher, dass viele Menschen hinter dem stünden, was durch die Initiative sichtbar wurde. „Im Grunde ist eine breite Zustimmung da – vermutlich nicht nur an der Basis.“

Er wünscht sich, dass Menschen einfach sein dürfen, wer sie sind. Er erlebe das als ganz grundsätzliche Sehnsucht – nicht nur von queeren Menschen. „Das ist ein Bedürfnis aller, und der Inbegriff des Evangeliums.“ Seine eigene Geschichte vergleicht er mit dem Schicksal mancher Frauen, die das Gefühl hätten, in männerdominierten Bereichen „noch besser und fehlerloser“ sein zu müssen. „Ich hatte oft das Gefühl, ich muss mir noch mehr Mühe geben und richtig gut sein, um der sein zu können, der ich bin.“ Die Vorzeichen stehen gut dafür, dass Detlef Häusler und sein Mann in Degerloch sie selbst sein können. Gemeindeglieder und Nachbarn hätten sie sehr herzlich Willkommen geheißen. „Wir freuen uns auf das neue Lebensumfeld.“

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