Im Zuge der mutwilligen Baumfällungen ist bei Leonberg-Höfingen ein Waldarbeiterwagen zerstört worden Foto: Polizei Ludwigsburg

In den Wäldern rund um Leonberg werden seit Wochen mächtige alte Bäume mutwillig umgesägt. Der Profiler Adolf Gallwitz, bekannt als Berater und Fahnder der Sendung „Fahndungsakte“ bei Sat 1, sucht nach den Gründen.

Leonberg - Es ist so sinnlos, es ist so absolut sinnlos“, sagt der Ludwigsburger Polizeipressesprecher Stefan Hermann, und nicht nur ihm tut in der Seele weh, was seit Wochen regelmäßig rund um Leonberg geschieht. Ein oder mehrere Unbekannte sägen offensichtlich aus purer Lust an der Zerstörung mächtige hochgewachsene Bäume um, meist sind es Buchen und Eichen, die ältesten waren etwa 150 Jahre alt. Immer stehen die Bäume an befestigten Waldwegen.

Der erste Fall datiert von Anfang September in Hemmingen. Drei Tage später fielen acht Bäume im Gewann Steigwald zwischen Hemmingen und Eberdingen. Sechs Tage später schlug der Täter an der Bundesstraße 295 beim Renninger Naturtheater zu. Mitte Oktober fällte er in Heimerdingen. Am schlimmsten wütete er vorige Woche in Höfingen, da ließ er Bäume auf einen Wagen für Waldarbeiter fallen, der komplett zerschlagen wurde.

Der Fall ist einzigartig in Deutschland

Der Fall ist einzigartig in Deutschland. Meist werden Bäume illegal gefällt, wenn irgendein Zweck dahinter steckt. Mal verstellten sie jemandem die Aussicht, mal wollte ein Grundstücksbesitzer möglicherweise einen Bauplatz freimachen. Aber aus einer Art Manie heraus, hat noch niemand reihenweise Baumriesen gefällt.

Die Taten stellen auch Adolf Gallwitz, den wohl prominentesten Profiler Deutschlands, vor ein Rätsel. Er antwortet auf unsere Anfrage: „So etwas kommt extrem selten vor. Der Täter handelt nicht aus den klassischen psychologischen Motiven wie etwa ein Brandstifter oder ein Pferdeschänder.“ Es handel sich um eine Sachbeschädigung an etwas Besonderem. „Der Täter verrichtet eine schwere Arbeit, die gefährlich ist, sehr anstrengend und noch dazu sehr laut.“ Die in Frage kommenden Täter klassifiziert er folgendermaßen: „Man muss immer daran denken, dass es ein Racheakt sein könnte. Etwa ein Waldarbeiter, der entlassen wurde, oder ein Spaziergänger, der aus seiner Sicht von Waldarbeitern oder Förstern dumm angemacht wurde.“

Es komme aber auch jugendlicher Übermut in Frage: „Wir haben seit einiger Zeit in der Stuttgarter City junge Leute, die nicht mehr wissen, was sie mit ihrer Kraft machen sollen. Sie könnten das zur Challenge entwickeln. Wer kann in kurzer Zeit am besten Bäume fällen? Möglicherweise ist dann auch Alkohol im Spiel.“ Als Täter komme auch ein Einzelgänger in Frage, der durch „die tägliche Dosis an Corona-Angst immer mehr psychisch destabilisiert“ werde. Solche Menschen wollten ein Zeichen setzen, damit die Leute „endlich aufwachen“ – wozu auch immer.

Vielleicht ein psychisch Kranker

Es könne sich laut Gallwitz bei dem Täter um einen psychisch Auffälligen oder psychisch Kranken handeln. „Solche Leute werden davon inspiriert, was sie täglich in den Nachrichten hören und ergreifen dann eine Position. Da gibt es alle möglichen Motive, etwa jemand, der wegen der Baumbesetzungen denkt, ,jetzt fange ich an, die schönsten Bäume umzusägen, dann kann sich keiner draufsetzen.’“ Gallwitz fasst zusammen: „Hinter den Taten steckt eine Anstrengung, da steckt Leidenschaft, und die hat ihren Grund. Der Täter will unmittelbar sehen, dass über ihn in den Medien berichtet wird. Denn er könnte ja auch versuchen, die Bäume schleichend zu vergiften oder Wurzeln abzuhacken.“

Das Polizeipräsidium Ludwigsburg zählt nun auf Zeugen. Förster und Spaziergänger sollen genau hinzuschauen, wenn eine Motorsäge angeworfen wird. Es ist möglich, dass der Täter nur Nachts im Licht von Autoscheinwerfern arbeitet. Hier hofft die Polizei auf die Jägerschaft, die auch in der Dunkelheit durch die Wälder streift. Eine Schwierigkeit gibt es allerdings: Wer möchte schon nachts im Wald einem Unbekannten begegnen, der eine Kettensäge hat.