Die Sarasin-Bank hat Kunden Anteile an einem hochriskanten Fonds vermittelt. Foto: epa

Die Schweizer Privatbank soll dem Ulmer Drogerie-Unternehmer Erwin Müller rund 45 Millionen Euro Schadenersatz wegen falscher Anlageberatung zahlen. Das Verfahren könnte in die nächste Instanz gehen.

Stuttgart - Nach jahrelangem juristischen Tauziehen darf sich der Ulmer Drogeriechef Erwin Müller berechtigte Hoffnung machen, durch riskante Kapitalgeschäfte verlorene Millionen zurückzubekommen. Das Landgericht Ulm verurteile die Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin am Montag zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 44,8 Millionen Euro plus Zinsen an Müller. „Die Beklagte (Bank) sei zum Schadenersatz verpflichtet, da sie den Kläger hinsichtlich seiner Kapitalanlage falsch beraten habe“, heißt es in der Urteils-Begründung. Die Schweizer können binnen eines Monats Widerspruch einlegen, wie sie es im früheren Verlauf des Prozesses bereits angekündigt hatten, dann würde das Verfahren (4O66/13) zum Oberlandesgericht Stuttgart wandern. Man prüfe das weitere Vorgehen und behalte sich diesen Schritt vor, teilte die Bank am Montag auf Anfrage mit.

Müller hatte 2013 als Privatmann Klage gegen Sarasin eingereicht. Der heute 84-Jährige machte das Geldhaus für die Verluste verantwortlich, die er mit Investitionen in den hochriskanten Luxemburger Sheridan-Fonds erlitten hatte. Er sei über das umstrittene Geschäftsmodell des Fonds sowie die damit verbundenen Risiken im Unklaren gelassen worden. Nach Angaben der Anwälte Müllers sei diesem eine Rendite von zehn Prozent in Aussicht gestellt worden. Die Bank hatte die Vorwürfe bestritten und erklärt, Müller sei von einem eigenen Berater über steueroptimierte Anlagemöglichkeiten mit Hilfe des Sheridan-Fonds sowie damit verbundene Risiken informiert worden.

Der Ulmer Milliardär ist einer von einem guten Dutzend betuchten Deutschen, denen das Schweizer Geldhaus Anteile an dem Luxemburger Fonds vermittelte. Dieser war auf sogenannte Cum-Ex-Geschäfte spezialisiert, durch die dem deutschen Fiskus nach Schätzungen von Experten ein Schaden von bis zu zwölf Milliarden Euro entstanden ist. Die illegale Praxis, die eine Überwachungslücke im Steuersystem ausgenutzt hat, wurde 2012 durch das Bundesfinanzministerium grundsätzlich gestoppt. Anleger verloren durch Cum-Ex-Deals Millionen. Auch das Geld, das Anleger mit Hilfe der Sarasin-Bank in den Sheridan-Fonds gesteckt hatten, war nach dessen Zusammenbruch größtenteils weg.

Müller hat 50 Millionen Euro investiert und größtenteils verloren

Erwin Müller, der als Unternehmer die gleichnamige Drogeriekette mit europaweit 770 Filialen und 34 000 Beschäftigten führt, hatte Anfang 2011 Anteile im Wert von 50 Millionen Euro am Fonds erworben und 2012 nur 5,6 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve zurückerhalten. Die „fehlerhafte Beratungstätigkeit“ durch Sarasin machte das Gericht in seiner Begründung an zwei Pflichtverletzungen fest: Zum einen sei dem Kläger damals fälschlicherweise zugesichert worden, dass seine Einlage gegen Verlust versichert sei. Zudem habe die Bank Müller nicht vollständig über die Provisionsregeln aufgeklärt. Das Urteil erfolgte unter Anwendung deutschen Rechts. Zuvor hatte Sarasin vergeblich versucht, die Behandlung der Klage Müllers vor einem Gericht in Deutschland zu verhindern und ein Verfahren in der Schweiz angestrebt.

Eckart Seith, einer der Anwälte des öffentlichkeitsscheuen Drogerie-Unternehmers, begrüßte das Urteil am Montag: „Das Urteil widerlegt die jahrelangen falschen Anschuldigungen der Bank Sarasin gegen Herrn Müller. Es bestätigt die 100-prozentige Verantwortung der Bank für den unserem Mandanten zugefügten Schaden.“ Der Stuttgarter Anwalt selbst gilt als Schlüsselfigur bei der Aufdeckung illegaler Cum-Ex-Geschäfte, wodurch er in der Schweiz in den Fokus der Justiz geraten ist: So ermittelt die Staatsanwaltschaft Zürich seit 2014 wegen Wirtschaftsspionage gegen ihn.