Die Felsentherme in Vals, von Architekt Peter Zumthor entworfen, verbindet die Sinnlichkeit von Berg, Stein und Wasser in einem Bauwerk . Foto: Keystone

Peter Zumthors verkauft seine weltberühmte Therme in Vals. Das Bergdorf ist entsetzt.

Vals -  Aus dem Nebel tauchen geheimnisvolle Wesen auf. Nur aus Kopf und Oberkörper bestehend, bewegen sie sich wie in Zeitlupe über die dampfende Wasseroberfläche. Reißt der Dunst einen Moment lang auf, so zeigen sich schneebedeckte Gipfel, auf denen das Mondlicht ruht. Trotz dieser gespenstischen Szenerie fühlt man sich irgendwie geborgen: Das bis zur Brust reichende Thermalwasser ist türkisgrün und dreißig Grad warm.

Gegen Mitternacht ist es in der Valser Felsentherme am schönsten. Zum einen gilt nun ein Schweigegebot, zum anderen haben nur die Hotelgäste Zutritt. Tagsüber herrscht dagegen einiger Andrang, vor allem am Wochenende. Wer dann nur zum Baden kommen möchte, muss Monate vorher reservieren. Peter Zumthors frühes Meisterwerk gehört nun mal zu den berühmtesten Thermenanlagen der Welt. Seit der Eröffnung im Jahr 1996 pilgern Menschen aus aller Herren Länder in das von wilden Dreitausendern umstandene Bergdorf, um sich dem hochgelobten Bauwerk in Bademontur zu nähern.

Alles in allem beträgt der Investitionsstau 50 Millionen Schweizer Franken

Doch es gibt auch ein massives Problem: der abgetakelte Hotelbereich aus den sechziger Jahren, in dem bisher nur wenige Zimmer renoviert wurden. Besonders in den fünf- bis achtstöckigen Außenhäusern ist vieles marode. Alles in allem beträgt der Investitionsstau 50 Millionen Schweizer Franken. Die Gemeinde Vals, der der ganze Komplex gehört, kann solche Summen nicht aufbringen. Da war es nur folgerichtig, dass der Verwaltungsrat nach einem privaten Investor Ausschau hielt. Seltsam ist nur, dass das vierköpfige Gremium sich Ende vergangenen Jahres in einer Art Vorvertrag auf den weltweit agierenden Immobilienhändler Remo Stoffel festlegte, ohne zuvor mit dem Gemeinderat Rücksprache gehalten zu haben.

Zum schweizweit diskutierten Politikum wurde das Gemauschel aber nur deshalb, weil Architekt Peter Zumthor nun seinerseits nach Geldgebern Ausschau hielt und auf die vorliegenden Übernahmepläne mit einem Gegenangebot reagierte. Der gebürtige Basler wollte verhindern, dass die Ikone des kontemplativen Badevergnügens in die Hände von Spekulanten fällt. Was sich in den folgenden Wochen und Monaten im Bergtal abspielte, spottet jedoch jeder Beschreibung. Im Dorf formierte sich eine Gruppe, die alle Register zog, um den Sieg Zumthors zu verhindern. Um auch die Dorfjugend zu mobilisieren, wurde ihr als Dreingabe zum Hotelneubau eine Mehrzweckhalle versprochen, für die noch in diesem Jahr Baubeginn sein sollte. Die Strategie ging auf: Bei der Abstimmung unterlag der Schöpfer der Therme mit 287 zu 219 Stimmen. Argumente waren kaum noch ausgetauscht worden. Zumthors Gegner bedienten stattdessen das Ressentiment gegen die „Kulturbringer aus der Stadt“, das in Bergdörfern naturgemäß weit verbreitet ist. Als langjährige Hoteldirektorin hatte Zumthors Frau immer wieder Avantgarde-Musiker und Literaten nach Vals geholt - und ein intellektuelles Publikum, das zu den Veranstaltungen von weit her anreiste, am Dorf selbst aber nicht immer interessiert war. Klar, dass in dieser Dissonanz eine soziale Sprengkraft lag. Sie musste nur entfesselt werden.

Vals lebt vom Verkauf ihrer vor Ort veredelten Rohstoffe

Die Niederlage des Stararchitekten ist umso erstaunlicher, als er es war, der Vals auf die Erfolgsspur gebracht hatte. Statt für ein weiteres Spaß- und Erlebnisbad hatte er sich für die Reduktion auf das Wesentliche entschieden - auf ein Ensemble, das aus nichts anderem bestand als aus den vor Ort vorhandenen Elementen Stein, Wasser und Licht. Dieses ‚Zurück zum Lokalen’ löste eine beispiellose wirtschaftliche Kettenreaktion aus. Nicht nur in der Gastronomie, auch im produzierenden Gewerbe stieg die Zahl der Arbeitsplätze deutlich an. Durch seine Verwendung in der Therme war der Valser-Quarzit so bekannt geworden, dass er inzwischen auch nach Übersee exportiert wird. Selbst der Bundesplatz in Bern wurde vor wenigen Jahren mit diesem Stein gepflastert.

So hat die 1000-Seelen-Gemeinde innerhalb weniger Jahre jene breite ökonomische Basis bekommen, die im Berggebiet heute Seltenheitswert hat. Statt von staatlichen Subventionen und touristischen Monostrukturen lebt sie vom wertschöpfungsintensiven Verkauf ihrer vor Ort veredelten Rohstoffe - dem Naturstein, dem Thermal- und Trinkwasser und dem bereits 1950 gebauten Wasserkraftwerk. Entsprechend klein ist die Abhängigkeit vom Wintersportgeschäft, die in vergleichbar abgelegenen Alpentälern längst zum Fluch geworden ist. Vals ist eines der ganz wenigen Beispiele dafür, dass man im Berggebiet überleben kann, ohne seine Natur zum Rummelplatz der Sport- und Spaßgesellschaft zu verunstalten.

Was wäre nun nahe liegender gewesen, als Zumthor auch die Hotelanlage neu bauen zu lassen? Neben der Therme, die schon zwei Jahre nach ihrem Bau unter Denkmalschutz gestellt wurde, hätte der Ort ein weiteres Kulturdenkmal erhalten, das ihm Zustrom gesichert hätte. So einfach wollten es sich die Valser aber nicht machen. Gelenkt von Zumthors Intimfeind, dem Steinbruchunternehmer Pius Truffer, gaben sie der „Stoffelpart AG“ den Zuschlag, obwohl deren Sanierungs- und Neubaupläne noch mehr als vage sind. Warum dieses Risiko? Ganz einfach: Remo Stoffel ist ein gebürtiger Valser, taugt also als Gegenspieler zur Welt der hohen Kultur, als deren Vertreter Zumthor von den einen geschätzt und von den anderen gefürchtet wird. Andererseits kann man darauf vertrauen, dass man dem neuen Inhaber der Therme sehr genau auf die Finger schauen wird. Die Mehrheit der Dorfbewohner weiß sehr genau, dass man mit der Therme und ihrem Publikum ein Kapital hat, das man nicht leichtfertig auf Spiel setzen darf.

Infos zu Graubünden

Anreise
Mit dem Zug über Zürich nach Chur, von dort stündlich mit direktem Anschluss nach Ilanz. Dort umsteigen auf das Postauto, Reisezeit nach Vals ca. 40 Minuten, Haltestelle direkt vor der Therme. Mit dem Auto über die Autobahn Zürich-Chur, an Chur vorbei. Dann auf die Kantonsstraße Richtung Laax/Flims u. Disentis. Abfahrt Ilanz, dort Richtung Vals halten. Fahrzeit Autobahnabfahrt-Vals ca. 1,5 Stunden.

Allgemeine Informationen
Graubünden, größte Ferienregion der Schweiz, www.graubuenden.ch; Gemeine Vals, www.vals.ch.

Therme Vals und Hotel
Therme Vals und Hotel Therme Vals, www.therme-vals.ch, CH-7132 Vals, Telefon Therme 0041/81/926 89 61, Telefon Hotel 0041/81/9 26 80 80. Im Hotel ÜF pro Person zwischen 89 und 188 Euro im DZ (je nach Gebäude), Eintritt in die Therme im Preis enthalten. Die Therme ist täglich von 11 bis 20 Uhr geöffnet (für Hotelgäste ab 7 Uhr). Reservierungen über Ticketshop oder per Telefon an der Badekasse. Die Anzahl der Plätze pro Tag ist begrenzt. Für Hotelgäste ist keine Reservation notwendig. Die Aufenthaltsdauer ist innerhalb der Öffnungszeiten unbegrenzt, Kinder haben Zutritt ab fünf Jahren. Mobiltelefone und Fotokameras sind in der Therme nicht erlaubt.

Unterkunft
Hotel Alpina, schickes kleines Hotel am Dorfplatz, www.hotel-alpina-vals.ch, 70 bis 92 Euro pro Person ÜF im DZ; Gasthaus Edelweiss, www.edelweiss-vals.ch, im Ortszentrum, ÜF im DZ 54 bis 67 Euro.