Abends wird das Züricher Frauenbad zur Barfußbar – dann haben auch Männer Zutritt. Foto: Zürich Tourismus

Ans Wasser oder in die Berge? In Zürich geht beides. Hier gibt’s den Alpenblick zum Bad dazu.

Ans Wasser oder in die Berge? In Zürich geht beides. Hier gibt’s von den warmen Holzbohlen der Fluss- und Seebäder einen Blick auf die schneebedeckten Alpen.

Badeurlaub, das klingt nach Norderney, Mallorca oder Adria. Aber Zürich, baden mitten in der Großstadt? "Wenn Du morgens barfuß am Zürichsee stehst und Holzdecks und Schwimminseln noch ganz für Dich allein hast, dann ist das Meditation pur", lacht Sybille Burkhardt, Rettungsschwimmerin und Betreiberin des Seebads Enge am Zürichsee. "Bei Nebel habe ich die Illusion, am Meer zu sein, bei Platzregen genieße ich das Naturspektakel, an einem sonnigen Tag schaue ich, dass es allen Badegästen gut geht." Während wir reden, schlurfen die ersten Frühschwimmer über den Steg und steigen trotz der noch kühlen 19 Grad zielstrebig ins Wasser.

Vor lauter Staunen rutscht meine Brille vom Tisch. Eine kurze Suche, dann wird klar – das leise Glucksen gehörte exakt zu meiner Brille, die trotz Ufernähe gerade sechs Meter tief den See sinkt. Zum Glück ist Jörg schon da, er ist groß, jung, muskulös, Doktor der Physik und liebt es, jenseits seines Labors hier als Bademeister zu arbeiten – und zu tauchen. Das gehört zum Service der Zürcher Fluss- und Seebäder – allzu oft landen Handys, Ohrringe, Sonnenbrillen und manchmal sogar Gebisse im tiefen Dunkel. Ist das Objekt der Begierde dann gefunden, wird es als Trophäe im Sektglas gereicht.

Das Seebad Enge ist ein Ort der Lässigkeit, schwarze und rote Bodenkissen sind auf den Holzbohlen um niedrige Couchtische gruppiert, der Banker im Nadelstreifenanzug ist hier genauso Gast wie die Frau im bunten Sommerkleid, die eine Badetasche über der Schulter trägt. Es ist ein Platz, an dem jeder willkommen ist, um ein echtes Stück Zürcher Lebensqualität zu erleben. Der Eingang zum Bad, das am rechten Ufer des Zürichsees entlang nur ein paar Gehminuten von der Altstadt entfernt liegt, wird von über 300-jährigen Hängebuchen umschmeichelt, das schlichte Holzbad ist nur durch einen Steg mit dem Ufer verbunden und schwimmt gänzlich im See. In der Mitte des Badedecks glitzert das Nichtschwimmerbecken, rundherum liegen die Badegäste, lesen oder tun mit Vorliebe einfach gar nichts. Wer sich hier auf den warmen Holzbohlen vom Seegang sanft schaukeln lässt, hat einen fantastischen Weitblick auf die Stadt mit ihren Brücken und Türmen, den See mit seinen Schiffen und natürlich auf die Alpen.

Auf der anderen Seite des Sees, genau gegenüber, liegt das Jugendstilbad Utoquai, wer gut bei Puste ist – eineinhalb Kilometer – kann es auch schwimmend erreichen. Das Wasser ist klar, riecht sehr frisch und hat fast Trinkwasserqualität. Nichts wie rein! Die ersten Schwimmzüge im See sind kühl, dann aber ist Zug um Zug ein Genuss. Es ist schon ein irres Gefühl, mitten im See zu sein und vor sich die Silhouette einer der lebenswertesten Städte Europas zu haben. Tradition zählt hier viel. Das Seebad Utoquai, eine Oase der Entspannung, ist 110 Jahre alt. Es hat ein holzumkränztes Frauendeck, das die Frauen vor den Blicken der Männer schützt, ein gemischtes Deck und ein Männerdeck, das die Männer vor dem Geschnatter der Frauen schützt.

Zürich ist die Stadt mit der weltweit größten Dichte an Schwimmbädern und hat eine der schönsten See- und Flussbäderlandschaften Europas. Fast 30 Millionen Franken fließen jährlich in die gut 40 Badeanlagen und sorgen für Sauberkeit, Sicherheit und dafür, dass der Gast umgerechnet nur rund vier Euro Eintritt zahlt, denn Schwimmen ist die beliebteste Sportart der Zürcher. Wer mag, kann die Stadt mit ihren 1200 Trinkwasserbrunnen auch vom Boot aus betrachten. Eine Rundtour auf den mit Glas gedeckten Booten dauert eine Stunde und führt vorbei am historischen Rathaus und an Kirchen wie dem doppeltürmigen Großmünster oder dem Fraumünster mit den Chagall-Fenstern.

Sehen und gesehen werden ist in Zürich wichtig, aber auch das ganz Intime hat einen hohen Stellenwert. So im Frauenbad Stadthausquai, einem romantischen Relikt vergangener Zeiten. Das nostalgische, weiß gestrichene Laubsägeli-Bad mit seinen orientalisch geschwungenen Ecktürmchen im Herzen der Altstadt ist so alt, perfekt und in sich abgeschlossen, dass es wie eine Filmkulisse wirkt. Gebaut 1888, ist das Bad klein, heimelig, für Frauen unter sich, mit einer Wassertiefe von 1,50 Meter in dem einen und gut drei Meter Tiefe in dem anderen Becken. Ein geschützter Ort mitten im Fluss mit Blick auf das Großmünster und eine ideale Kombination aus pulsierendem Stadtleben und Ruheoase.

Am Abend ab 20 Uhr dann verwandeln sich einige Badestellen in bunt beleuchtete Open-Air-Bars, so auch das Frauenbad, das zur Barfußbar wird und dann auch Männern Eintritt gewährt. Das Publikum ist bunt gemischt, von 30 bis 70, viele in ganz normalen Jeans. Es ist einfach schön hier – unter mir das Türkisblau des beleuchteten Wassers, über mir das Nachtblau des Himmels und mitten im Herz ein jubilierendes Himmelblau – für den Lebensgenuss in genau diesem Moment. Getanzt oder einfach nur gewippt wird zu Gipsy Kings und den Weather Girls – barfuß, logo. Das kostet anfangs Überwindung, aber schon beim zweiten Lied ist klar: Das nächste Mal sofort barfuß, dieses Gefühl ist Urlaub pur und macht mächtig gute Laune. 

Zürich und andere Wasserparadiese für Städter