Die dreieckige Felsformation des Matterhorns bei Zermatt ist der meistfotografierte Berg der Welt. Foto: Schweiz Tourismus

Vor 150 Jahren wurde das Matterhorn zum ersten Mal bestiegen. An der spektakulären Felspyramide in Zermatt hat sich eine dramatische Geschichte abgespielt.

Zermatt - Man muss das Matterhorn einmal gesehen haben, um sich seine Dimension vorstellen zu können und zu verstehen, warum es etwas Besonderes ist, eine Ikone, ein Wahrzeichen, das es als Schokolade gibt und dessen Abbild weltweit Mineralwasserflaschen, Zigaretten- und Käseverpackungen ziert. Wer den Gipfel gesehen hat, wird auch verstehen, warum jedes Gebirge sein eigenes Matterhorn hat und warum es, in drei Strichen auf ein Papier gezeichnet, selbst jene erkennen, die sich nicht für Berge interessieren. Und man sollte es auch gesehen haben, um die dramatische Geschichte der Erstbesteigung vor genau 150 Jahren zu verstehen.

Man sieht es schon von Zermatt aus, jenem Ort im Schweizer Wallis, auf den das Matterhorn seinen Schatten wirft, doch erst wenn man auf dem Wanderweg weiter nach Süden marschiert, wird einem das ganze Ausmaß dieses 4478 Meter hohen Berges bewusst. Schon bald baut sie sich erhaben auf, eine Felspyramide, die sich oben ein wenig nach links einzudrehen scheint, so dass sich die Nordwand abenteuerlich überhängend nach außen neigt. Es sieht aus, als wäre hier ein riesiges Stück des Berges einfach weggebrochen und hätte den Rest in einem labilen Gleichgewicht zurückgelassen. Zwischen der weißen Linie des Matterhorngletschers unten und den Wolkenbändern oben wirkt die Landschaft oft, als wäre sie in einen Rahmen gestellt worden. Vermutlich hat die Magie, die von diesem Berg ausgeht, der Schriftsteller Mark Twain am besten in Worte gefasst.

Das "goldene Zeitalter des Alpinismus"

„Seine seltsame Gestalt“, schrieb er in seinem halbfiktiven Reisebericht „Bummel durch Europa“, „seine fürstliche Isolierung und seine majestätische Unähnlichkeit mit den eigenen Artgenossen machen ihn sozusagen zum Napoleon der Gebirgswelt.“ Es passt gut zum „Napoleon der Gebirgswelt“ dass er 1865, als das „goldene Zeitalter des Alpinismus“ zu Ende ging, der letzte noch unbestiegene, oder besser unbesiegte Gipfel der Alpen war. Im Sommer jenen Jahres kam es folglich zu einem dramatischen Showdown, mit zwei Helden, die aufeinander zusteuerten, einem Höhepunkt und einer großen Tragödie: Der Brite Edward Whymper brach am 13. Juli 1865 frühmorgens gemeinsam mit Lord Francis Douglas, Robert Hadow und Charles Hudson und vier heimischen Bergführern in Zermatt auf. Sie kamen gut voran und bauten mittags auf 3350 Meter ein Zelt auf. Auch am nächsten Tag lief alles nach Plan. Um zehn Uhr hatten sie eine Höhe von 4260 Metern erreicht. Sie mussten die Ostseite verlassen, da sich die Felswände im oberen Verlauf wie Hochhäuser auftürmen, und kletterten in die Nordseite. Am Ende war der Aufstieg doch überraschend einfach: „Dieser einzig schwierige Teil war von keiner großen Ausdehnung, schrieb Whymper. Um Viertel vor 2 Uhr lag die Welt zu unseren Füßen, und das Matterhorn war besiegt. Hurra! Nicht ein Fußstapfen unserer italienischen Nebenbuhler war zu sehen.“

Dabei handelte es sich um Jean-Antoine Carrel und seien Leute. Carrel war ein Bergführer aus dem italienischen Breuil, der als der beste Kenner des Berges und einer der begabtesten Kletterer der Zeit galt. Er versuchte das Cervino, wie das Matterhorn in Italien heißt, von Süden aus zu erklimmen. Die Mannschaft um Carrel war bereits am 11. Juli von Breuil aus aufgebrochen. Als Whymper und seine Leute vom Gipfel aus auf den südwestlichen Grat blickten, erkannten sie die Italiener und riefen lauthals spöttisch hinunter. „Der Berg ruft“ - der Ursprung dieses geflügelten Wortes. Carrel und seine Männer kehrten um, als sie das Geschrei auf dem Gipfel vernahmen. Schon zwei Tage später brachen sie wieder auf und befanden sich am folgenden Morgen wieder an der Stelle, wo sie vor drei Tagen umgekehrt waren. Nun begann die „schlimmste Kletterpartie, von der man weiß“, erzählte Carrel später, ein Auf und Ab durch die Vertikale, bis sie schließlich um drei Uhr nachmittags auf dem Gipfel standen - drei Tage zu spät. Wer sich heute als Wanderer dem Matterhorn nähert, der sieht einen sich von Minute zu Minute verändernden Berg.

Heute ist der Hörnligrat der sogenannte Normalweg

Die Wolken branden erst von Süden heran und klatschen wie Wasser auf einen spitzen Felsen. Kurz darauf zieht die Sonne auf, und die Wolken weichen einem knallblauen Himmel. Der Hörnligrat, jener Grat, der Whymper zum Gipfel führte, zeigt sich immer deutlicher. Man erkennt die Hörnlihütte, die fürs Jubiläum komplett umgebaut wurde, am Fuße des Grats, und folgt ihm bis zum Gipfel des neunthöchsten Berges der Alpen. Heute ist der Hörnligrat der sogenannte Normalweg, auf dem sich an schönen Tagen Hunderte von Bergsteigern hinaufschieben und den Steinschlag zur größten aller Gefahren machen. Außer am 14. Juli 2015 - an diesem Tag ist der Berg geschlossen, um den Opfern der Erstbesteigung zu gedenken. Denn beim Abstieg ereignete sich die Tragödie:

Whymper und seine Mannschaft machten sich nach der Erstbesteigung auf den Weg nach unten.Vorsichtig und aneinander angeseilt stiegen sie Schritt für Schritt ab. Whymper ging hinten und bekam nicht genau mit, was vorne passierte. Später schreibt er: „Ich hörte von Croz einen Ausruf des Schreckens und sah ihn und Hadow abwärtsfliegen. Im nächsten Moment wurden Hudson und unmittelbar darauf auch Lord Douglas die Füße unter dem Leib weggerissen.“ Dann riss zwischen Taugwalder vor ihm und Lord Douglas das Seil.

„Einige Sekunden lang sahen wir unsere unglücklichen Gefährten auf den Rücken niedergleiten und mit ausgestreckten Händen nach einem Halt suchen. Noch unverletzt kamen sie uns aus dem Gesicht, verschwanden einer nach dem anderen und stürzten von Felswand zu Felswand auf den Matterhorngletscher, in eine Tiefe von beinahe 1200 Metern hinunter.“ Von Lord Douglas, der in eine tiefe Gletscherspalte gefallen war, fehlt bis heute jede Spur - irgendwann wird das Eis ihn wieder freigeben. Das Matterhorn, dieser Berg der Berge, thront auch 150 Jahre später noch ungerührt und erhaben über all dem.

Infos zu Wallis

Mythos Matterhorn
Das Matterhorn, ein markanter dreieckiger Felszahn, 4478 Meter hoch, gilt als einer der bekanntesten Berge der Welt und als meistfotografierter Berg überhaupt, www.zermatt.ch/matterhorn

Museum
Das Matterhornmuseum Zermatlantis, Kirchplatz, CH-3920 Zermatt, widmet sich auch dem Triumph und der Tragödie um die Erstbesteigung des Matterhorns, www.zermatt.ch/museum

Allgemeine Informationen
Schweiz Tourismus, www.myswitzerland.com