Foto: Sauerländer Verlag

Ein Besuch des Streichholzmuseums zeigt: Die Geschichte des Zündholzes ist nichts für Romantiker.

Es war kalt draußen. Abscheulich kalt. Ein kleines Mädchen ging barfuß durch die Straßen. In den blaugefrorenen Händen hielt sie ein Bündel Schwefelhölzer, aber niemand wollte ihr etwas abkaufen. Wo doch heute der letzte Abend im Jahr war, und der Duft von Gänsebraten aus den Häusern auf die Straßen zog. Das kleine Mädchen setzte sich in einen Winkel auf den eiskalten Boden. Nach Hause traute sie sich nicht, ohne einen Schilling. Aber wenigstens wärmen wollte sie sich ein wenig an der hellen Flamme eines Schwefelhölzchens. Ritsch, zündete sie es an der Hauswand an und genoss das Licht, das ihr die Wärme eines eisernen Ofens vorgaukelte. Das nächste Hölzchen machte die Hauswand durchsichtig, und sie sah den gedeckten Tisch mit der dampfenden Gans.

 

Ein neues Hölzchen brachte einen prächtig geschmückten Weihnachtsbaum, und wieder ein neues ließ die gütige alte Großmutter in den Flammenschein treten. Damit diese Herrlichkeiten nicht wieder verschwanden, zündete das kleine Mädchen den Rest des Bündels an und sah wie die Großmutter sie hochhob, dorthin, wo es keine Kälte, keinen Hunger und keine Angst mehr gab. Am Neujahrsmorgen fand man das Kind erfroren, mit den abgebrannten Schwefelhölzchen und einem Lächeln im Gesicht und wunderte sich, was sie Schönes gesehen haben mochte.

Das Märchen vom Mädchen mit den Schwefelhölzchen schrieb Hans Christian Andersen um 1848 ohne viel zu fantasieren. Er wusste aus eigener Erfahrung was es hieß, als Kind zu frieren und zu hungern, und er kannte die ersten Streichhölzer, leicht entzündliche Espenstäbchen, die etwas seit 1815 in Mode kamen. Bis dato musste noch mit Stein und Stahl mühsam Feuer geschlagen werden. Das Zündholz war dagegen eine saubere und sogar bei Wind und Wetter brauchbare Sache.

Wer nun aber die zündende Idee hatte und das transportable Streichholz erfand, ist nicht auszumachen. Auf alle Fälle aber mischten die schwedischen Brüder Johan und Carl Lundström kräftig mit. Sie bauten 1848 in der kleinen Handelsstadt Jönköping am Vätternsee die erste Streichholzfabrik und verwirklichten mit dem Patent des deutschen Chemikers Rudolf Böttger zwölf Jahre später die Sicherheitszündhölzer, die als Schwedenhölzer zum Synonym für Streichhölzer und zum Exportschlager in die ganze Welt wurden.

Doch zunächst saßen in der Lundströmschen Streichholzfabrik schlecht entlohnte Frauen wie Lena Törnqvist , deren Schicksal stellvertretend für alle Arbeiterinnen im Streichholzmuseum, in den ehemaligen Fabrikräumen, lebendig wird. Lenas Foto zeigt eine entstellte Person mit verschobenen Gesichtszügen, den Folgen der Berufskrankheit Phosphornekrose, an der hier viele litten. Schwaden des hochgiftigen weißen Phosphors zogen durch die Räume, in der die Arbeiter zehn Stunden am Tag Espenholz pressten, hobelten, bündelten und in die Phosphormasse tauchten. Die Folgen waren verheerend: gelbliche Gesichtshaut, Zahnausfall, Kieferknochenfrass, elendes Dahinsiechen. Lena überlebte und versuchte, mit dem Kleben von Zündholzschachteln die Familie durchzubringen. Das Leid nahm erst ein Ende, als die Lundströms den weißen Phosphor durch roten ersetzten und Sicherheitsstreichhölzer produzierten.

In der Druckerei wurden die Etiketten für die Streichholzschachteln gedruckt. Aus den schnöden Packpapierpäckchen mit einem ovalen Stempel und dem Schriftzug "Jönköpings Tändstickor" wurden im Laufe der Jahre kunstvoll gestaltete Werbeflächen mit Tieren aus fernen Ländern, exotischen wie historischen Gestalten. Bis nach China, Lateinamerika und Afrika wurden die Tändersticks aus Schweden exportiert. Die umfangreiche Sammlung von Original-Etiketten und Schachteln gehört zu den vergnüglichsten Exponaten der Ausstellung.

Wer mag, darf an einem Arbeitstisch selbst versuchen, Streichhölzer zu bündeln und zu verpacken – was meistens misslingt, weil durch den Metallring immer ein paar Hölzchen witschen und das Bündel auseinanderfällt, bevor es zu einem ordentlichen Päckchen aus grobem Papier wird.

Die Jönköpinger Kinder waren darin geschickt, sie machten in den ersten 25 Jahren der Fabrik, etwa die Hälfte der Belegschaft aus, gelten als ebenso geschickte wie billlige Arbeitskräfte. Selten erreichten sie das Erwachsenenalter. Das hatte ein Ende mit der Einführung von Maschinen, die ab 1870 von Alexander Lagerman entwickelt wurden und Streichhölzer viel billiger und zum Gebrauchsgegenstand für alle machten. Als dann 1892 die erste Komplettmaschine in der Streichholzfabrik aufgestellt wurde, konnten täglich 40 000 Schachteln von dem riesige Koloss ausgespuckt werden – eine Revolution für die Fabrikation und den Verkauf, und eine Katastrophe für die Arbeiter, die nicht mehr gebraucht wurden. Es kam zu Arbeiterrevolten, aber die maschinelle Produktion der Säkerhets Tändstickors war nicht mehr aufzuhalten.

Info Das Streichholzmuseum liegt im Streichholzviertel am Hafen von Jönköping. Bis Ende Mai ist es Dienstag bis Sonntag von 11 bis 15 Uhr geöffnet, der Eintritt kostet rund 4 Euro, Kinder bis 19 Jahre sind frei. Auskünfte im Tändstickmuseet, Tel. 00 46 / 36 10 55 43, http://www2.jonkoping.se/kultur/matchmuseum/tyskindx.htm.

Allgemeine Informationen zu Schweden gibt es bei Visit Sweden (Tel. 069 / 22 22 34 96, http://www.visitsweden.com). Auskünfte und Broschüren zu Jönköping gibt es beim Tourist Office, Telefon 00 46 / 36 10 50 50, http://www.jonkoping.se. Die hübsche Stadt mit vielen Museen liegt am Vätternsee in Smaland.