Kein Einstieg ohne gültigen Fahrausweis: Steigt man trotzdem ein, kann das sehr teuer werden. Vom 1. Juli an kostet Schwarzfahren 60 Euro. (Symbolfoto) Foto: VVS

Vergessen gilt nicht, oder? Schwarzfahrer kosten den VVS zirka 16 Millionen Euro im Jahr. Zum 1. Juli wird nun das Strafgeld von 40 auf 60 Euro erhöht. Wir haben die wichtigsten Änderungen aufgelistet.

Stuttgart/Berlin - „Die Fahrscheine, bitte!“ tönt es durch Bahnabteil oder Stadtbahnwagen, wenn sich die Kontrolleure nähern. Wer ein gültiges Ticket hat, kann dem gelassen entgegensehen. Schwarzfahrer müssen vom 1. Juli 2015 an tiefer in die Tasche greifen.

 

Dann nämlich wird das "erhöhte Beförderungsentgelt“ angehoben - von 40 auf 60 Euro. Diesen Betrag muss zahlen, wer ohne Ticket erwischt wird oder seinen Fahrschein nicht ordnungsgemäß entwertet hat. Im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) sind täglich etwa 200 Kontrolleure unterwegs, Schwerpunkte werden im Feierabendverkehr und rund um Schulzentren gelegt.

Die letzte Erhöhung ist inzwischen zwölf Jahre her. Seither ist das Leben teurer geworden, auch Tickets kosten heute mehr - aus Sicht des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) schrecken 40 Euro daher nicht mehr ausreichend ab.

VVS gehen über 16 Millionen Euro Einnahmen verloren

Laut dem VVS sind ungefähr drei Prozent der Fahrgäste ohne gültiges Ticket unterwegs. In Zahlen ausgedrückt sind das etwa 130.000 Personen im Jahr. Das entspräche einem Verlust von etwa 16,4 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr. Dem stehen im Jahr 2014 Fahrgeldeinnahmen von rund 475 Millionen Euro gegenüber, so eine VVS-Sprecherin.

VVS-Geschäftsführer Horst Stammler begrüßt daher die Entscheidung: „Nach zwölf Jahren wird es Zeit, das Strafgeld für Schwarzfahrer anzupassen. Es kann nicht sein, dass die ehrlichen Fahrgäste jedes Jahr höhere Fahrpreise bezahlen müssen und ausgerechnet die Schwarzfahrer nicht.“

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"Schwarzfahren in Bussen und Bahnen darf sich nicht lohnen“, sagt auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Er hat eine Bundesrats-Initiative aufgegriffen und zwei Verordnungen angepasst. Viele Verkehrsbetriebe schaffen die Umstellung allerdings nicht mehr rechtzeitig. In Hamburg, München und im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr gelten die Änderungen etwa erst ab August.

Auch in den Zügen der Deutschen Bahn AG werden erst von August an 60 Euro Strafe fällig. "Bis zum 31. Juli zahlen alle noch 40 Euro", erklärte eine Bahnsprecherin. Aus "systemischen Gründen" sei die Erhöhung zum 1. Juli nicht möglich gewesen. Das bedeutet, dass auch in den S-Bahnen in und um Stuttgart das Fahren ohne Fahrschein erst vom 1. August an teurer wird.

In Stuttgarts Stadtbahnen und Bussen werden Schwarzfahrer dagegen schon zum 1. Juli mit 60 Euro zur Kasse gebeten.

Was zahle ich, wenn ich nur mein Abo vergessen habe? Wann machen sich Schwarzfahrer strafbar und was sagen Fahrgastverbände und Verbraucherschützer zum Aufschlag fürs Schwarzfahren? Wir beantworten die wichtigsten Fragen:

Kostet die Strafe für das vergessene Abo auch mehr?

Nein. Bisher schlägt für Fahrgäste, die bei einer Kontrolle "nur" ihr gültiges Abo nicht vorzeigen können, ein "ermäßigtes Beförderungsentgelt" über sieben Euro zu Buche. Das wird auch so bleiben. Nachträglich kann man den persönlichen Verbundpass mit gültiger Monatsmarke bei einem der SSB-Kundenzentren vorzeigen oder eine Kopie an die SSB schicken. Gleiches gilt auch für Schüler, die ihr Scool Abo nicht vorzeigen konnten.

Was mache ich, wenn der Automat defekt ist?

Ist ein Fahrscheinautomat defekt, sollte man versuchen, das Ticket am nächstgelegenen Gerät zu kaufen. Am besten man dokumentiert den Defekt mit einem Foto, Uhrzeit, Datum und der Nummer des Automaten, auch Zeugen sind von Vorteil. Wird man auf dem Weg zum nächsten Halt kontrolliert, muss man beweisen können, dass der Kauf unmöglich war. Weiter als eine Station sollte man auf keinen Fall fahren, denn dann gilt das Argument "Automat kaputt" nicht mehr.

Wann kommt es zu einer Strafanzeige wegen Schwarzfahrens?

Wer mehrmals beim Schwarzfahren erwischt wird, muss mit einer Strafanzeige des Verkehrsunternehmens rechnen. Und zwar unabhängig davon, ob die 60 Euro bezahlt wurden. Im schlimmsten Fall kann das zu einer Gefängnisstrafe führen.

So werden Fahrgäste, die Tickets fälschen, sofort angezeigt. Hat man das Ticket drei Mal "vergessen", muss man ebenfalls mit einer Anzeige rechnen. Eine Ausnahme gibt es für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren. Nach dem dritten Schwarzfahren können sie, soweit nicht strafrechtlich vorbelastet, an einem speziellen Workshop teilnehmen. Durch diese Initiative der Deutschen Bahn und des VVS bleibt ihnen die Strafverfolgung erspart - die 60 Euro müssen sich trotzdem bezahlen.

Ist Schwarzfahren denn so ein großes Problem?

Die Verkehrsunternehmen kostet es auf jeden Fall viel Geld. 250 Millionen Euro gehen ihnen jedes Jahr durch nicht gekaufte Tickets verloren, schätzt der VDV. Und noch einmal 100 Millionen müssen sie in die Hand nehmen, um die Kontrolleure und deren Ausrüstung zu bezahlen.

Die Kriminalstatistik listet fürs vergangene Jahr 271.119 Fälle von „Beförderungserschleichung“ auf, wie das Schwarzfahren in der Fachsprache des Strafgesetzbuches heißt - im Vergleich zu 2013 ein Anstieg um 15,2 Prozent. Laut VDV hat das aber hauptsächlich damit zu tun, dass immer intensiver kontrolliert wird. Denn gezählt wird natürlich nur, wer erwischt wird.

Und mit 60 statt 40 Euro Geldbuße lässt sich das lösen?

Darüber gehen die Meinungen weit auseinander. VDV-Sprecher Lars Wagner spricht von einem „guten und richtigen Anfang“. Sein Verband hatte sich dafür eingesetzt, dass notorische Schwarzfahrer beim zweiten und dritten Mal nicht mehr mit 60 Euro davonkommen, sondern bis zu 120 Euro zahlen müssen.

Auch der Fahrgastverband Pro Bahn und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) vertreten die Meinung, dass nur gestaffelte Geldbußen etwas bewirken. So etwas ist nun nicht vorgesehen - dabei kann man in Deutschland im Extremfall fürs Schwarzfahren sogar im Gefängnis landen. Diese Kriminalisierung ist für die Verbraucherschützer der falsche Weg. Und die pauschale Erhöhung um 20 Euro treffe die Falschen, meinen vzbv und Pro Bahn.

Das sagen Kritiker der Neuregelung

„Man muss versuchen, in irgendeiner Form zu differenzieren zwischen Leuten, die wirklich vorsätzlich ständig schwarzfahren, und Leuten, die am Automaten gescheitert sind“, sagt der Ehrenvorsitzende von Pro Bahn, Karl-Peter Naumann. Das viel zu komplizierte Tarifsystem mit seinen regionalen Unterschieden mache es den Kunden unnötig schwer, an die richtige Fahrkarte zu kommen. Mal müssten die Tickets vor der Fahrt gekauft werden, mal in der Bahn, mal müssten sie abgestempelt werden, mal nicht, kritisiert auch vzbv-Expertin Marion Jungbluth.

Sie ist überzeugt, dass viele Schwarzfahrten gar nicht absichtlich passieren. Der Gesetzgeber sehe für solche Fälle eigentlich eine Kulanzregelung vor. Aber: „Man stellt zunehmend fest, dass die Kontrolleure das Wort Kulanz gar nicht kennen.“

Ist diese Kritik berechtigt?

Auch der VDV räumt ein, dass es solche „Graufahrer“ gibt. Für die Kontrolleure sei es nicht immer einfach festzustellen, ob jemand absichtlich oder versehentlich schwarzfährt. „Es gibt keine Ausrede, die die noch nicht gehört haben“, sagt Sprecher Wagner. Dabei erwische es sicher auch hin und wieder einen Fahrgast zu Unrecht. Aber deshalb die ganze Erhöhung infrage stellen?

„97,98 Prozent unserer Kunden sind ehrliche Kunden - und aus deren Sicht muss man’s doch mal sehen“, findet Wagner. „Die zahlen das, was die Anderen nicht zahlen, irgendwann über den Ticketpreis mit.“