Am 30. September sind Demonstranten gegen das Projekt Stuttgart 21 mit Wasserwerfern abgedrängt worden. Am Mittwoch wird sich der Landtag mit einer Aufklärung des Polizeieinsatzes befassen. Foto: apn

Am Mittwoch wird der Landtag nach dem Willen der Opposition den Polizeieinsatz prüfen.

Stuttgart - Die Südwest-CDU ist im Umfragetief, eine hoch emotionale Debatte über den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs tobt - und nun auch noch ein Untersuchungsausschuss zu einem harten Polizeieinsatz: Der Ausgang der Landtagswahl in Baden-Württemberg in einem halben Jahr ist offener denn je.

Am Mittwoch wird der Landtag nach dem Willen der Opposition aus SPD und Grünen einen Ausschuss einsetzen, der das von vielen als brutal empfundene Vorgehen der Polizei gegen eine Demonstration von Stuttgart-21-Gegnern parlamentarisch aufklären soll. In der seit 57 Jahren regierenden CDU sieht man im ersten Untersuchungsausschuss in der zu Ende gehenden Legislaturperiode ein unkalkulierbares Risiko. Mittlerweile macht in Stuttgart das Wort vom „schwarzen Donnerstag“ die Runde. Denn an jenem 30. September wurden in der Landeshauptstadt erstmals seit 40 Jahren Wasserwerfer gegen den Protest tausender Bürger aufgefahren.

Die Bahn wollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt mit einem neuen Bauabschnitts am heftig umkämpften Hauptbahnhof beginnen. Die Polizisten sollten das Fällen der ersten Bäume im Schlossgarten absichern. Aber die Beamten sahen sich einer immer größer werdenden Menge von Demonstranten gegenüber, die sich auch aus einer am gleichen Tag genehmigten Schülerdemonstration speiste. Zu hunderten setzten sich die Menschen den Baufahrzeugen in den Weg. Das Wegtragen wurde für die Beamten zur Schwerstarbeit. Warum die Polizei schließlich mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Menge vorging, ist umstritten. Von Aggression der Demonstranten spricht der Innenminister Heribert Rech (CDU). Allerdings musste sein Ministerium die Behauptung von Steinwürfen auf Beamte noch am Einsatztag wieder zurückziehen. Von grundloser Gewalt gegen friedliche Bürger sprechen die Gegner des Bahnprojekts.

Nun soll der Untersuchungsausschuss klären, ob die Regierung das harte Vorgehen der Polizei angeordnet hatte. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) bestreitet dies. Er habe sich nie in das operative Geschäft der Sicherheitskräfte eingemischt, wird er nicht müde zu betonen. Auch die Polizeigewerkschaft hält das für nicht vorstellbar. Aber es mehren sich die Stimmen in der Polizei, die eine politische Vorgabe vermuten. Die Beamten stehen seit dem Einsatz, bei dem hunderte Demonstranten und dutzende Polizisten verletzt wurden, massiv in der Kritik. Und die Fernsehbilder von Wasserwerferattacken, blutenden Demonstranten, verstörten Schülern und weinenden Müttern haben sich tief in die Köpfe der Menschen eingegraben. Im Regierungslager aus CDU und FDP richtet man sich auf ungemütliche Zeiten ein, denn der Untersuchungsausschuss könnte bislang unbekannte Fakten zutage fördern. Von Fehleinschätzungen und großen taktischen Mängeln bei der Einsatzplanung der Polizei bis zu Widersprüchen in den Aussagen von Regierungsmitgliedern nach dem Einsatz ist vieles denkbar.

SPD und Grüne werden alles daran setzen, auch die Stühle von Mappus und Rech zum Wackeln zu bringen. Dass die Arbeit von Untersuchungsausschüssen den Rücktritt von Ministern zur Folge haben können, ist in Baden-Württemberg wohl bekannt. So musste der frühere Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) 2004 seinen Hut nehmen, weil er im FlowTex-Ausschuss zum größten Wirtschaftsbetrug im Land einer fehlerhaften Aussage überführt wurde. In der weiteren Folge musste dann auch Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP) gehen. Sie wurde wegen Verrats von Dienstgeheimnissen verurteilt, weil sie Döring über Ermittlungen gegen ihn informiert haben soll.