Kontrolle ist besser: Das Hauptzollamt Stuttgart hat letztes Jahr 1180 Betriebe überprüft. Foto: dpa

In jedem elften Gastrobetrieb gibt es Verstöße gegen den Mindestlohn. Für den Zoll ist das aber nicht das Hauptproblem.

Stuttgart - Der Barbesitzer wird kalt erwischt. Als Zollbeamte sein Lokal betreten, versucht er schnell noch etwas unter einem Treppenabsatz zu verstecken. Wenig später, in einem anderen, einem asiatischen Restaurant, würde sich ein Mitarbeiter am liebsten ebenfalls verstecken, als er seine Papiere vorzeigt. Szenen diverser Kontrollen des Hauptzollamts Stuttgart, die es offenbar zu selten gibt: „Der Zoll muss mehr und intensiver kontrollieren“, fordert Hartmut Zacher von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG).

Besonders alarmiert ist der Stuttgarter NGG-Geschäftsführer über die jüngste Jahresbilanz der Zöllner: In jedem elften überprüften Gastronomiebetrieb ist der Mindestlohn von 9,19 Euro die Stunde nicht gezahlt worden. „Es kann doch nicht sein, dass es immer noch Chefs gibt, die ihren Beschäftigten das absolute Minimum vorenthalten“, so Zacher am Dienstag. Schließlich komme es bei Kellnern, Köchinnen und Hotelangestellten am Monatsende auf jeden Euro an.

Der Zoll braucht mehr Leute

Der Stuttgarter Zoll hatte im vergangenen Jahr 1170 Betriebe aller Art – vom Bauunternehmen bis zum Imbiss – auf mögliche illegale Beschäftigung, Sozialleistungsbetrug und Steuerhinterziehung überprüft. Dabei wurden in der Region Stuttgart 302 Betriebe des Gastgewerbes ins Visier genommen – ein Ermittlungsplus von 29 Prozent. Die Zöllner deckten dabei in 27 Fällen Mindestlohnverstöße auf – und damit in jedem elften Betrieb.

Die Gewerkschaft hat am Dienstag auf eine Auswertung des Bundesfinanzministeriums reagiert. Der Zoll brauche für mehr Kontrollen auch mehr Personal, forderte der NGG-Geschäftsführer. Bundesweit sei die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll aber vom Personalziel von 10 000 Beamten noch weit entfernt. Beim Hauptzollamt Stuttgart sind hierfür 138 Beamte im Dienst.

Was hat der Barbesitzer unter der Treppe?

Thomas Seemann, Sprecher des Hauptzollamts, freut sich über den gewerkschaftlichen Rückenwind. „Allerdings ist bei unseren Kontrollen das Thema Mindestlohn nur ein Teilaspekt“, sagt er. Vorrangig gehe es um Steuerhinterziehung, illegale Ausländerbeschäftigung und Sozialleistungsbetrug – Delikte mit dem größten Schaden. Wegen der Vielzahl von Betrieben im Hotel- und Gaststättengewerbe oder in der Bau- und Reinigungsbranche könne man auch nicht überall kontrollieren. „Wir konzentrieren uns daher schon vorab auf die voraussichtlich schweren Fälle“, so Seemann. Tatsächlich seien zehn bis 20 Prozent der Personalstellen noch unbesetzt, Verstärkung sei aber in Sicht.

Mindestlohn ist dann meist ein Randaspekt – wie die anfangs erwähnte Razzia enthüllt: Ein Mitarbeiter eines asiatischen Restaurants, ein Vietnamese, darf sich nur in Ungarn aufhalten, nicht in Deutschland. Und der Barbesitzer hat unter dem Treppenabsatz ein illegales Wetten-Terminal versteckt, aber auch Drogen, ein verbotenes Messer und eine Schreckschusswaffe. Ein Fall für die Polizei.