Andrea Nahles. Foto: dpa

Die erste Hürde ist genommen. Das schwarz-rote Renten­paket hat den Segen des Bundeskabinetts. Altkanzler Schröder lässt an dem Vorhaben freilich kein gutes Haar.

Die erste Hürde ist genommen. Das schwarz-rote Rentenpaket hat den Segen des Bundeskabinetts. Altkanzler Schröder lässt an dem Vorhaben freilich kein gutes Haar..

Berlin - Es war sicher kein leichter Gang für die Sozialministerin. Andrea Nahles (SPD) wusste, dass sie einen schweren Stand haben würde, als sie ihr Rentenpaket nach der Kabinettssitzung der Presse vorstellte. So gut wie alle Journalisten, die da im Saal der Bundespressekonferenz versammelt waren, mäkeln teils seit Wochen an ihren Plänen zur Rente mit 63 herum. Auch die Aufwertung der Mütterrenten kommt in den Medien nicht gut weg.

Doch Nahles ließ sich nicht beirren. Die 43-Jährige, die seit wenigen Wochen den mit Abstand größten Etat aller Bundesminister verwaltet, griff den Hauptkritikpunkt ihrer Gegner auf, die die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren für ein Privileg für einige Facharbeiter halten, und erklärte: „Das ist nicht geschenkt, das ist verdient.“ Es gehe darum, die Lebensleistung der Menschen anzuerkennen – die Erziehungsleistung von etwa 9,5 Millionen Müttern sowie die Lebensleistung der langjährigen Beitragszahler, die – so die Ministerin – jahrzehntelang „malocht“ und in die Sozialkassen einbezahlt hätten. Im Ton bestimmt und in der Sache sattelfest verteidigte sie sich und ihr großes Rentenpaket.

Auch eine Breitseite von unerwarteter Stelle irritierte sie nicht. Niemand Geringeres als Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) war in einer Boulevard-Zeitung heftig mit ihren Plänen ins Gericht gegangen. Schröder schrieb, „die Durchlöcherung der Rente mit 67 sei ein absolut falsches Signal“. Und weiter: „Wie soll das finanziert werden?“ Nahles ging auf die Kritik Schröders in der Sache nicht ein, konterte aber einigermaßen locker: „Ich habe immer deutlich gesagt, was ich von seinen Gesetzen gehalten habe. Deswegen darf ich mich jetzt nicht beschweren.“

Nahles verbreitete ansonsten recht überzeugend den Eindruck, dass sie in der Sache durchaus mit sich im Reinen ist. „Wir erfüllen ein Versprechen, das die Parteien im Wahlkampf gemacht haben.“ Sie bestreite nicht, dass das Vorhaben teuer sei. Auch dass die Beitragszahler zur Kasse gebeten werden, stritt sie nicht ab. Sowohl die Beitragszahler als auch die Rentner würden die Maßnahmen bezahlen. Die Frage sei vielmehr: „Ist der Mehraufwand gerechtfertigt, und können wir ihn uns leisten?“ Voller Selbstbewusstsein gab Nahles die Antwort darauf sogleich selbst: „Ja.“ Die Ministerin musste dann aber einräumen, dass nicht alles perfekt ist an ihrem Gesetzentwurf. Er ist an einer entscheidenden Stelle unfertig. Erklärtes Ziel der Koalition ist, dass die Rente mit 63 nach 45 Jahren nicht dazu führt, dass die Frühverrentungspraxis aus den achtziger und neunziger Jahren wiederauflebt. Nur: Bislang ist dem Ministerium nichts eingefallen, wie dem Herausdrängen von älteren Arbeitnehmern aus dem Arbeitsmarkt ein Riegel vorgeschoben werden kann.

Sie habe dazu diverse Vorschläge bekommen, die allerdings alle nicht mit der Verfassung vereinbar seien, sagte Nahles. Nun hoffe sie darauf, dass den Abgeordneten im Laufe des parlamentarischen Verfahrens eine zündende Idee komme.

Hintergrund ist, dass auch Zeiten mit Bezug von Arbeitslosengeld I zu den 45 Beitragsjahren zählen sollen. Denkbar ist, dass Unternehmen künftig Arbeitnehmer, die für die Rente mit 63 infrage kommen, schon mit 61 in die Arbeitslosigkeit schicken. In dieser Altersgruppe wird das Arbeitslosengeld I bis zu 24 Monate gezahlt.

Nahles appellierte an die Unternehmen: „Die Verantwortung liegt bei den Arbeitgebern.“ Die unerwünschte Frühverrentungspraxis werde nur dann aufleben, wenn die Arbeitgeber viel Geld in die Hand nähmen, um über Abfindungen die Arbeitslosigkeit der Älteren finanziell abzufedern. Nahles ließ erkennen, dass die Koalition nun daran denke, Abfindungen durch gesetzliche Vorgaben „weniger attraktiv“ zu machen.

Kritiker bemängeln am Rentenpaket, dass die Reform vor allem aus den Rücklagen der Rentenkasse bezahlt wird – also mit dem Geld der Beitragszahler. Nahles gibt zu erkennen, dass sie diesen Vorwurf nicht völlig abwegig findet. „Auch ich hätte mir einen höheren Steueranteil gewünscht“, sagt sie.