Bei Union und SPD wächst nach dreiwöchigen Koalitionsverhandlungen die Nervosität: Während die CSU mit einem Vorstoß für bundesweite Volksentscheide die Schwesterpartei CDU provozierte, ging die SPD vor ihrem Parteitag auf Konfliktkurs zur Union. Foto: dpa

Harmonie sieht anders aus: CDU, CSU und SPD nutzen altbekannte ideologische Konflikte, um sich auf Kosten des anderen zu profilieren. Bis zum Koalitionsvertrag ist es noch ein weiter Weg.

Harmonie sieht anders aus: CDU, CSU und SPD nutzen altbekannte ideologische Konflikte, um sich auf Kosten des anderen zu profilieren. Bis zum Koalitionsvertrag ist es noch ein weiter Weg.

Berlin - Bei Union und SPD wachsen nach dreiwöchigen Koalitionsverhandlungen Nervosität und Gereiztheit. Während die CSU mit einem Vorstoß für bundesweite Volksentscheide die Schwesterpartei CDU provozierte, ging die SPD vor ihrem Parteitag auf Konfliktkurs zur Union. Führende Sozialdemokraten warfen CDU und CSU ein überholtes Familienbild vor. Zudem brachte die SPD ein rot-rot-grünes Bündnis ins Spiel - aber erst für 2017.

An diesem Mittwoch kommen Union und SPD zum fünften Mal in großer Runde in Berlin zusammen. Dabei wird es um Bildung, Innere Sicherheit, Justiz, Umwelt, Verbraucherschutz und die europäische Bankenregulierung gehen.

Die CSU versuchte erneut, sich wie bei Pkw-Maut oder doppelter Staatsbürgerschaft gegenüber der CDU zu profilieren: Gemeinsam mit der SPD präsentierte sie die Idee, die Bürger künftig in Volksentscheiden über Europafragen oder beschlossene Gesetze abstimmen zu lassen. Das Nein der CDU kam prompt: „Volksentscheide würden dem Parlament schaden.

Wir wollen diese Form der Demokratie nicht untergraben“, sagte Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU) am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Auch Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel hatte sich mehrfach gegen Volksentscheide ausgesprochen. Der zuständige CSU-Verhandlungsführer Hans-Peter Friedrich ruderte daraufhin zurück. „Es gibt dazu keinerlei Verständigung“, sagte der amtierende Bundesinnenminister der dpa zu Berichten, Union und SPD hätten sich bereits auf mehr direkte Demokratie geeinigt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel ist bereit, Volksentscheide im Grundgesetz zu verankern. Das könne die Kluft zwischen Bürgern und Politik verringern. „Viele Menschen haben die Sorge, dass eine große Koalition allein schon durch die Zahl der Mandate im Bundestag über ihre Köpfe hinweg Politik macht“, sagte Gabriel zu „Spiegel Online“. Union und SPD haben zusammen etwa 80 Prozent der Parlamentssitze.

Auf dem SPD-Parteitag steht die komplette Führungsspitze zur Wahl

Die SPD bemühte sich vor dem am Donnerstag beginnenden Parteitag in Leipzig um ein schärferes Profil. So gerieten in der Nacht zum Dienstag die Unterhändler der Koalitions-Arbeitsgruppe Familie, Frauen und Gleichstellung bei Homo-Ehe und Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare aneinander. Die stellvertretende SPD-Chefin Manuela Schwesig soll sich heftig über die Unionsseite geärgert haben. Die Zeitung „Die Welt“ zitierte sie mit dem Satz: „Ich kann den SPD-Mitgliedern unter diesen Umständen nicht empfehlen, einer Koalitionsvereinbarung zuzustimmen.“

Die SPD bestritt das Schwesig-Zitat. Generalsekretärin Andrea Nahles sprach aber von ernsthaften Problemen für die Koalitionsverhandlungen, die am 27. November abgeschlossen sein sollen. „Das ist kein Theaterdonner, sondern da sind wirklich ernste Konflikte jetzt aufgebrochen.“ Beim Ausbau der Ganztagsschulen und bei der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften handele es sich um ideologische Konflikte.

Auch eine Sitzung der AG Verkehr wurde im Streit um eine Ausweitung der Lkw-Maut vorzeitig abgebrochen. Beim Thema Gesundheit und Pflege taten sich ebenfalls Gräben auf. So stellte sich die CSU beim Plan eines 500-Millionen-Euro-Fonds zur Umwandlung von Kliniken quer. Nur SPD und CDU sind noch dafür, wie am Dienstag in Berlin deutlich wurde. Diesen Konflikt müssten Union und SPD auf höherer Ebene klären, kündigte SPD-Verhandlungsführer Karl Lauterbach an.

Auf dem SPD-Parteitag steht die komplette Führungsspitze zur Wahl. Bislang können die Sozialdemokraten aus den Koalitionsgesprächen wenig Greifbares vorweisen. Ein gesetzlicher Mindestlohn zeichnet sich zwar ab, ist aber noch nicht vereinbart. Die im Wahlkampf angekündigten Steuererhöhungen will die Union verhindern. In Leipzig will die SPD auch erste Weichen für die Zeit nach einer großen Koalition stellen. 2017 soll ein Bündnis mit der Linkspartei möglich sein - das kann durchaus als Warnsignal an die Union verstanden werden, die aus der Bundestagswahl im September mit 41,5 Prozent als klarer Sieger hervorging. Die SPD kam auf nur 25,7 Prozent.