Eine Hebamme schiebt ein Neugeborenes über den Klinikflur. Foto: dpa

Am Überlinger Spital sind drei Hebammen gleichzeitig schwanger geworden. Jetzt fehlt es am Personal für den Kreißsaal. Aber selbst in Stuttgart werden werdende Eltern mitunter abgewiesen.

Überlingen - Die Augen fest verschlossen, schmiegt sich Matea zart, aber entschlossen an ihr Kuschelfell. Das kleine Glück (3520 Gramm, 50 Zentimeter) ist der vorerst letzte neue Erdenbürger in der Babygalerie des Überlinger Klinikums. Seit dieser Woche hat die Geburtshilfe geschlossen – „vorübergehend“, wie der Klinikgeschäftsführer Sven Axt betont. Vierzig Schwangere, die sich für den Zeitraum bereits angemeldet hatten, seien persönlich über die Betriebsunterbrechung des Kreißsaals informiert worden. Sie müssen auf andere Kliniken im Umkreis ausweichen.

Der Grund für die Schließung ist eigentlich ein erfreulicher. Der Klapperstorch, der in Scharen auf den Dächern des Gutsgebäudes am nahen Affenberg in Salem nistet, hat nämlich ganze Arbeit geleistet. Drei der acht angestellten Hebammen, die am Überlinger Spital im vergangenen Jahr noch 577 Kinder ans Licht der Welt beförderten, sind nämlich selbst schwanger und dürfen aufgrund der Mutterschutzfristen nun nicht mehr arbeiten. Eine weitere Kraft sei längerfristig krankgeschrieben. Selbst für denHelios-Konzern, der als Europas größter Klinikeigner auch das Haus am Bodensee betreibt, ist so etwas offenbar nicht mehr auszugleichen. „Wir setzen alles daran, die offenen Stellen schnellstmöglich zu besetzen“, verspricht Axt. Im Juli, so seine Hoffnung, werde man den Betrieb wieder aufnehmen.

Eltern müssen neue Geburtsklinik suchen

Während manche noch wegen des überraschenden Babybooms im Kreißsaal darüber spekulieren, ob Schwangerschaft in Überlingen neuerdings ansteckend ist, suchen andere schon ein Ausweichquartier für den großen Moment. „Die Suche geht von vorne los“, klagt eine werdende Mutter. Doch da gibt es immerhin gute Nachrichten: „Wir haben noch nie eine werdende Mutter abgewiesen“, sagt Susann Ganzert vom Medizin Campus Bodensee, der die Kliniken in Friedrichshafen und Tettnang betreibt.

Der Weg über die Bundesstraße ist oft allerdings verstopft und unter einer Dreiviertelstunde nicht zu schaffen. Es drohen „Straßenkinder“, so wie in Geislingen (Kreis Göppingen). Als dort vor sieben Jahren die Geburtshilfe weggespart wurde, kam schon am ersten Wochenende ein Baby im Rettungswagen auf der Steige zur Welt.

Badisches Kind mit schwäbischem Pass

Im einst zwangsvereinigten Bodenseekreis kommt noch eine unsichtbare, aber gleichwohl immer noch virulente Grenze dazu: Überlingen ist badisch, kurz vor Friedrichshafen beginnt Württemberg. Zwar befinden sich die wenigsten Altbadener noch im zeugungs- oder gebärfähigen Alter, dennoch dürften auch junge Paare davor zurückschrecken, ihren Nachwuchs mit der lebenslangen Bürde eines schwäbischen Geburtsortes zu belasten. Sie müssten in dem Fall nach Singen oder Konstanz ausweichen. Letzteres wäre nach Kilometern ohnehin die nächste Adresse, liegt bekanntlich aber auf der anderen Seeseite. Da besteht das Risiko von Wassergeburten der anderen Art.

Ob auch die Kapazitäten dort ausreichen, muss sich zeigen. „Auch an Stuttgarter Kliniken werden immer wieder Frauen weggeschickt, weil der Kreißsaal voll ist“, sagt Christel Scheichenbauer vom Landeshebammenverband. „Für die betroffenen Frauen ist das eine Katastrophe“.

Nachwuchsmangel bei den Hebammen

Seit Jahren würden zu wenig Hebammen ausgebildet. „Wir haben ein Nachwuchsproblem. Der Markt ist leer gefegt“, sagt Scheichenbauer. Zudem werde der Beruf durch bürokratische und versicherungsrechtliche Hürden immer unattraktiver. „Für Teilzeit rechnet sich die klassische Freiberuflichkeit nicht.“ Dies führe dazu, dass Hebammen nach der eigenen Elternphase häufig nicht in ihren Beruf zurückkehrten. „Viele bleiben nur fünf bis sieben Jahre. Wir haben eine hohe Fluktuation“.

In Überlingen scheint es nun weniger ein Nachwuchsproblem als ein Problem wegen des Nachwuchses zu sein. Wo die drei schwangeren Hebammen selbst entbinden wollen, ist übrigens nicht bekannt.