Zahlreiche Mühlen – hier die Ölmühle Michelau – laden auf eine Zeitreise ein. Foto: Gottfried Stoppel

Historisches Handwerk, Vorführungen und frühere Lebens- und Produktionsbedingungen: Der Mühlentag bietet spannende Einblicke.

Eine Mühle liegt oft abgeschieden an einem Bach, nur selten mitten im Ort. Die ausgeklügelte Mechanik, bei der ein Rad ins andere greift und die sogar nachts durcharbeitet, sorgten für manche Legende. Die Geschichte über den Waisenjungen Krabat von Otfried Preußler, der in einer Mühle zum Lehrling eines finsteren Hexenmeisters wird und die dunklen Mächte letztlich besiegt, ist zum Klassiker geworden. Seit jeher sind Mühlen Mythen umwoben.

 

Doch aus wissenschaftlicher Sicht sind Mühlen und die Nutzung der Wasserkraft vor allem Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Am Deutschen Mühlentag, der bundesweit an Pfingstmontag begangen wird, rückte die alte Technik und ihre Bedeutung in den Fokus – und hier in der Region hat der Schwäbische Wald die höchste Mühlendichte.

Das Fachwerkgebäude der Meuschenmühle in Rienharz besitzt ein 7,87 Meter großes Wasserrad. Foto: Gottfried Stoppel

Mühlentag: Anschaulich erleben, wie viel Know-how in der alten Technik steckt

An diesem Tag wurden die meisten Mühlen im Schwäbischen Wald bewirtschaftet und öffneten ihre Pforten für eine Besichtigung. Wie viel kluges Know-how hinter der Mechanik steckt, das war anschaulich zu erleben. Im Rems-Murr-Kreis waren neun Standorte mit von der Partie, acht davon liegen entlang der Mühlenwanderwege im Schwäbisch-Fränkischen Wald.

Bereits einen Tag zuvor an Pfingstsonntag konnten die Besucher viel Spannendes in der Sonderausstellung unter dem Titel „Es klappert die Mühle im Schwäbischen Wald“ im Museum in Welzheim erfahren. Während heute der Beruf fast ausgestorben ist, waren Mühlen und Müller besonders prägend für Waldgegenden wie den Schwäbischen Wald. „Die Vielfalt an Mühlen sind bedingt durch die vielen wasserführenden Täler im Schwäbischen Wald“, sagt Naturparkführer Wolfgang Grabe. „Wo Wasser floss, wurde Wasserkraft genutzt“, sagt er über den Beginn einer Industrialisierung, vor der bisher vor allem Muskelkraft und die Kraft von Nutztieren eingesetzt worden war. Viele würden zunächst an Getreidemühlen denken, doch es gab unter anderem auch Schleifmühlen, Gipsmühlen, Sägewerke, Ölmühlen und viele weitere, die die Wasserkraft nutzten. Wolfgang Grabe bietet regelmäßig Führungen in der Meuschenmühle an. „Es ist mein zweites Wohnzimmer“, sagt der Naturparkführer. Mit dem letzten Müller der Meuschenmühle, Karl Grau, sei er eng befreundet gewesen. In der Ausstellung ist eine Fotografie zu sehen, wie der Müller mit hochgekrempeltem Hemd am drehenden Wasserrad steht. Die Ausstellung des Historischen Vereins Welzheimer Wald zeigt viele Aspekte über die Bedeutung der wassergetriebenen Anlagen in der Vergangenheit und der Bedeutung der Mühlen.

Öl war leicht verderblich und wurde je nach Bedarf hergestellt

Wie funktionierte es, Leinsaat tropfenweise Öl herauszupressen? Das ist in dem voll funktionsfähigen Modell der Ölmühle von Michelau zu sehen. Konstruiert hat es Walter Buck aus Michelau. Wie das Ölschlagen mit einer Keilpresse ablief, das demonstrierte Buck. „Da das Öl leicht verderblich war, wurde es je nach Bedarf hergestellt“, sagt Buck. Am Ende des Mittelalters wurden zunehmend Ölmühlen errichtet, in denen die Wasserkraft die Schlagarbeit übernahm. Für den emeritierten Professor für Elektrotechnik, der die Ölmühle Michelau einige Jahre betreut hat, ist die Technik der Mühlen und ihre historische Rolle eine Herzenssache.

Bei einer Führung im Museum in Welzheim bot er aufschlussreiche Details. „Die Geschichte des Öls ist aus meiner Sicht unterrepräsentiert“, sagt Buck angesichts ihrer großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung. „Öl ist ein Kulturgut“, sagt er. Die Entwicklung der Ölgewinnung bereicherte er mit mancher Anekdote. So habe er in seiner Kindheit in Stuttgart noch erlebt, dass ein so genanntes Ölweible unterwegs war, das Öl in Blechflaschen halbliterweise von Haus zu Haus verkaufte.

In der Ölmühle Michelau wurde der Mühlentag offiziell eröffnet

Die Ölmühle Michelau stand auch im Mittelpunkt des Mühlentags am Pfingstmontag. Im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums der Gemeinde Rudersberg fand dort die offizielle Eröffnung statt und wurde mit einem bunten Rahmenprogramm gefeiert. Das Gelände mit Schaugarten, Kiosk und Kinderspielplatz lud zum Verweilen ein und die Dorfgemeinschaft Michelau feierte dort ihr Fleckenfest. Besonders ist auch die Ladestation für E-Bikes, die dort installiert ist.

Das Thema Mühlen fasziniert die Besucher immer wieder

Dass das Thema Mühlen Besucher fasziniert, das weiß auch Naturparkführer Wolfgang Grabe. Die Sonderausstellung zu den Mühlen sei auf großes Interesse gestoßen. Allerdings mache sich natürlich bemerkbar, dass die Schwäbische Waldbahn wegen der Flutschäden nicht in Betrieb sei. Daher sei der Waldbus, der die Besucher vom Remstal bequem nach Welzheim bringe, ein wichtiges Angebot, das auch viele Jahre auf der Reisemesse CMT beworben wurde.

Die Ölmühle Michelau liegt wenige Gehminuten von der Bahnstation Michelau der Wieslauftalbahn entfernt, die seit Mitte April wieder nach den Flutschäden in Betrieb ist und bis Rudersberg Nord fährt. Allerdings rollt das Wiesel nicht an Sonn- und Feiertagen. Michelau ist mit dem Waldbus der Linie 265 an Sonn- und Feiertagen erreichbar. Der Fahrplan ist in der VVS-App eingepflegt.

Das Museum Welzheim, Pfarrstraße 8, ist sonntags von 13 bis 16 Uhr offen, der Eintritt ist frei. Die Ausstellung „Es klappert die Mühle im Schwäbischen Wald“ läuft noch bis zum 15. Juni. Weitere Infos gibt es auch unter www.schwaebischerwald.com.

Bundesweiter Aktionstag

Mühlenkunde
Am Pfingstmontag öffnen bundesweit rund 650 historische Mühlen. Der Verein, die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung, und ihre Landes- und Regionalverbände lädt jedes Jahr zum Deutschen Mühlentag ein. An diesem Tag lassen die Wind- und Wasser-, Dampf- und Motormühlen ihre Flügel und Wasserräder drehen. Infos zu den Mühlen in ganz Deutschland liefert die Homepage www.muehlen-dgm-ev.de.