Nadelöhr: Der Weilertunnel sollte hier für Entlastung sorgen. Foto: Tanja Kurz/tk

Die seit 40 Jahren geplante zweiröhrige Teilumfahrung von Schwäbisch Hall wird hinterfragt. Zu teuer und nicht mehr notwendig, so die Argumente.

Explodierende Kosten, unsicherer Untergrund, rückläufiger Bedarf: Seit der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) Bedenken gegen das Projekt Weilertunnel angemeldet hat, gehen in der Kocherstadt die Wogen hoch. Die grüne Gemeinderatsfraktion, die zuletzt 2021 mit einem Memorandum gegen das Bauvorhaben gescheitert war, sieht ihre Bedenken bestätigt und hat eine Sondersitzung erwirkt. Der FDP-Fraktionsvorsitzender Walter Döring fordert von der Verwaltung einen „runden Tisch“ mit allen Beteiligten, um alle relevanten Themen „ergebnisoffen“ zu diskutieren.

Der Bau des knapp 400 Meter langen, zweiröhrigen Weilertunnels – offiziell „Verlegung der B14/B19 in Schwäbisch Hall“ – bildet den letzten noch ausstehenden, mittleren Abschnitt für die Stadtumfahrung. Begonnen wurde bereits 1977, die ursprüngliche Vereinbarung zwischen Stadt und Land geht auf das Jahr 1968 zurück. Der Bund trägt die Kosten für das Projekt, das 2014 mit 49,1 Millionen Euro geplant wurde. 2021 beliefen sich die Schätzungen bereits auf 100 Millionen Euro – vom Bund der Steuerzahler als „Geldverschwendung“ im Schwarzbuch angeprangert. Als Gründe werden neben allgemeinen Preissteigerungen am Bau Auflagen für den Artenschutz sowie geologische und hydrologische Schwierigkeiten genannt – ein diesbezügliches Gutachten steht noch immer aus. Während die Kosten steigen, verringert sich der Bedarf. Die 2013 freigegebene Westumgehung leitet bereits an der Stadtgrenze einen Teil des über die B 14 von Stuttgart kommenden Verkehrs in Richtung A6 ab. 2015 soll die Belastung an der Stadtumfahrung laut dem damaligen OB Hermann-Josef Pelgrim, einem glühenden Befürworter des Projekts, bei 32 200 Fahrzeugen pro Tag gelegen haben; Verkehrszählungen ermittelten zuletzt 21 600 Fahrzeuge.

Mit gänzlich anderen Zahlen wandte sich Ende Oktober vergangenen Jahres Landesverkehrsminister Winfried Hermann schriftlich an den Bund mit der Frage, ob die Entscheider noch an der Planung festhalten wollten. „Die Straßenverkehrszählung 2015 wies einen Wert von circa 15 000 Kfz pro Tag auf“, heißt es in dem Schreiben. Zudem ist von „weit über das Dreifache der ursprünglich mit 49,1 Millionen Euro veranschlagten Kosten“ die Rede. „Ich möchte Sie deshalb bitten, dem vom Land vorgeschlagenen einröhrigen Tunnel grundsätzlich zuzustimmen.“ Auch der komplette Verzicht, ließ Hermann wissen, müsse aus seiner Sicht geprüft werden. Ende Dezember informierte das Bundesverkehrsministerium die Stadt: „Es wurde zwischen dem Land und dem Bund Einvernehmen erzielt, dass zunächst die verkehrlichen Rahmenbedingungen geklärt werden müssen, um weitergehende Entscheidungen treffen zu können.“ Ein Festhalten an den Plänen klingt anders.

Für die Grüne Jutta Niemann, Landtagsabgeordnete und Stadträtin, ist der Weilertunnel nach mehr als 40 Jahren Planung ohnehin „verkehrspolitisch überholt“. Die selbst gesetzten Klimaziele könnten in Gefahr sein, wenn der Tunnel gebaut werde. „Man muss den Mut haben, neu zu denken.“ Aber wie geht es für die von Lärm und Abgasen betroffenen Bewohner in der Weilervorstadt weiter? Darauf hebt FDP-Stadtrat Döring ab, der die Stadtentwicklung des derzeit wenig attraktiven Gebiets im Blick hat. Die Antwort vonseiten der Verwaltung steht aus. Ebenso ein Plan für Fußgänger, Radfahrer und den ÖPNV, wie die grüne Fraktion seit langem bemängelt. Auf Anfrage verweist die Verwaltung auf die öffentliche Sondersitzung am Montag kommender Woche, „welcher nicht vorgegriffen werden soll“.