Wie hinter Gittern wird zurzeit am Fellbacher Tower gebaut: Ein Gutachten hemmt die Baufreigabe für die Fertigstellung nach neuen Plänen. Foto: Martina Santelli

Auf der Baustelle des höchsten Wohngebäudes weit und breit wird fleißig gearbeitet. Es ist nur von außen kaum etwas davon zu sehen. Derzeit werden Innenausbauten entfernt. Noch immer steht die Baufreigabe aus – ein Gutachten fehlt.

Fellbach - Beim Fellbacher Tower geht’s voran, auch wenn man äußerlich kaum einen Baufortschritt sieht. Die Investorin CG-Gruppe steht laut ihrem Chef Christoph Gröner vor der Vertragsunterschrift für die Verpachtung des 164-Zimmer-Hotels am Fuße des 107 Meter hohen Turms. „Wir haben eine klare Zusage von einer bekannten Hotelkette“, sagt der Chef-Projektentwickler. Den Namen will er noch nicht nennen.

Die ehemalige Bauruine ist auch sonst tatsächlich wieder eine Baustelle

Auch sonst trügt der äußere Eindruck einer stillgelegten Baustelle. Das gilt schon seit einigen Monaten nicht mehr, zeigt George Moutoulis, Gröners Stuttgarter Statthalter, auf. Nicht nur ist das schräge Dächle in luftiger Höhe des 34. Stockwerks abgesägt worden, was dem tatkräftigen Christoph Gröner schon allein aus optischen Gründen ein besonderes Anliegen war, aber auch zwei weitere Wohnungen möglich machte. Manchem Bürger mag dieser Rückbau gar nicht so deutlich aufgefallen sein.

Die ehemalige Bauruine ist auch sonst tatsächlich wieder eine Baustelle: In ihrem Inneren wird fleißig gearbeitet, sagt George Moutoulis. So bestätigt er, dass, bedingt durch den Neuzuschnitt der Wohnungen, alle schon vom früheren Bauherrn eingebauten Leitungen, Trennwände und sanitäre Anlagen, die es bis zum 18. Stockwerk gibt, entfernt werden. Schließlich sollen statt ursprünglich geplanten zwei oder drei künftig sieben Wohnungen auf einem Stockwerk eingebaut werden. Um dies zu erreichen und dennoch jedem einzelnen Mieter ein „sinnvolles Wohnen“, so Moutoulis, anzubieten, muss der ganze Wolkenkratzer erst mal ganz das werden, was er in den oberen Stockwerken ohnehin noch ist: ein purer Rohbau.

Teams mit insgesamt 40 Fachingenieuren seien über Monate beschäftigt gewesen

Den Bau zu entkernen, ist auch ohne das finale Okay für den Aus- und Umbau erlaubt, bestätigt eine Sprecherin der Stadtverwaltung Fellbach. Noch immer steht nämlich der begehrte rote Punkt der Baufreigabe aus, weil das angeforderte Gutachten des Prüfstatikers über den geplanten Umbau noch fehlt. Daran arbeitet ein Stuttgarter Büro. Das Gutachten und die Baufreigabe werden sich sogar noch weiter verzögern, nimmt die Stadtverwaltung an. Denn die Leute in der CG-Gruppe haben erneut nachgedacht über die aus der Zeit vor 2012 stammende Planung. In Ideen, Gedanken, Entwurfsskizzen und Verhandlungen ist das Hochhaus im vergangenen Jahr optimiert worden. „Wir haben uns in den vergangenen Monaten mit der Statik, mit dem Brandschutz, mit dem Schallschutz im Tower auseinandersetzen müssen“, sagt Christoph Gröner, und damit begann man, den gesamten Tower zu überdenken, auch wenn schon die Baugenehmigung der Stadt Fellbach für 194 Wohnungen statt zuvor 66 vorlag. Teams mit insgesamt 40 Fachingenieuren seien über Monate beschäftigt gewesen, erzählt Moutoulis.

Stockwerk für Stockwerk sei der Bauzustand eingescannt worden

Vorgabe des neuen Bauherrn war es, den Energiestandard KfW 55 zu erreichen, das ist fast der halbe Energieverbrauch vergleichbarer Bauten. Im bundesweiten Durchschnitt seiner Bauvorhaben strebt Gröner sogar einen Standard an, der mit einem Fünftel des Primärenergiebedarfs auskommt, ein KfW 20 sozusagen, wenn dieser Standard tatsächlich schon definiert wäre. Im halb fertigen früheren Gewa-Tower mit seiner Glasfassade war dies schwierig: „Wir sind mit noch so tollen Gläsern nicht klar gekommen“, erzählt Gröner.

Stockwerk für Stockwerk sei der Bauzustand eingescannt worden, um ihn zu dokumentieren und auch, um einer Hinweisliste des ehemaligen Generalunternehmers Baresel nachzugehen, die während des vergangenen Insolvenzverfahrens Aufsehen erregt und einen damaligen Kaufinteressenten der Bauruine abgeschreckt hatte. „Wir wollten wissen, was wurde eigentlich gebaut? Es ging darum, jedes Thema auszumerzen, was als Baumängel in der Rede war“, sagt Architekt Jörg Wolf. Durch die jetzt vorliegenden 3D-Daten könnten die Planer auch völlig ausschließen, dass nach einem Umbau in kleinere Wohnungen vielleicht irgendwo eine Tür nicht mehr aufgeht oder ähnliches. „Wir sind auf einem ganz sicheren Pfad“, sagt Christoph Gröner.

Doch die benötigte Kühlleistung stellte sich als erheblich heraus

Die Transparenz hilft dabei, den Bauablauf zu planen. Auch die weiteren Baukosten seien so ganz genau zu kalkulieren. Kopfzerbrechen bereitete unter anderem die Kühlung: „Wenn das im Hochhaus nicht klappt, können Sie im Sommer die Badehose in ihrer Wohnung auspacken“, sagt der Bauunternehmer mit Neigung zu drastischen Worten. Doch die benötigte Kühlleistung stellte sich als erheblich heraus und belastete die so kritisch betrachtete Energiebilanz des Gebäudes noch weiter. Also mussten die regenerativen Anlagen her, wie die Turbinen auf dem Dach, um den Aufwind zu nutzen und die Fotovoltaik-Anlagen auf Turm- und Hoteldach. Deren Strom treibt künftig eine Kühlung an, die aus geothermischen Anlagen abgeschaut ist: Mit der ständig vorhandenen Kühle in der Tiefgarage wird eine Flüssigkeit gekühlt und anschließend durch Leitungen durch die Böden gepumpt, um bei Bedarf die Temperatur auf jedem Stockwerk zu senken – eine umgekehrte Fußbodenheizung sozusagen. Schließlich führten die Überlegungen zum vor kurzem bekannt gewordenen Plan, die Fassade im nächsten Jahr auszutauschen.

Im zweiten Quartal 2021 soll der Tower jetzt fertig werden

Die vorhandenen Fassadenelemente wie die Fenster abzunehmen und ein Stück weit nach außen zu rücken, sei sogar auf zwei Stockwerken bereits versucht worden. Bemerkt hat das kaum jemand. Das hat sich allerdings wegen deren Verankerung als schadensanfällig herausgestellt, sagt George Moutoulis. Die jetzt vorgesehene neue Fassade mit weniger Glas und Balkonen, aber ausgewechselten Fenstern – die alten werden recycelt – reduziert die Angriffsfläche für Hitze und Kälte von außen deutlich. Das ganze Paket einschließlich dem Einbau der zusätzlichen Anlagen zur regenerativen Energiegewinnung verteuert den Ausbau des Wolkenkratzers um etwa 10 Millionen Euro, sagt Gröner, und es verbraucht weitere sechs Monate Bauzeit. Im zweiten Quartal 2021 soll der Tower jetzt fertig werden. Jörg Wolf aus Backnang, von Anfang an schon der Architekt des weithin sichtbaren Großbauwerks am westlichen Ortsrand Fellbachs, stören die gewünschten Umplanungen nicht. Er gesteht sogar, dass es ihn stolz macht, den jetzigen Entwurf für den „neu gedachten“ Wohnturm vorstellen zu können. Er bewundert seinen Auftraggeber, der das nötige Geld in die Hand nehme, um „vorausblickend alle möglichen technischen Voraussetzungen schon jetzt zu erfüllen“.