Der Schauspieler Bernd Gnann als Rainer Holzrück im Video auf Facebook, das zurzeit tausendfach angeklickt wird. Foto: Facebook/@gehdochnachbiberach

Seit Tagen wird im Internet über ein Video der Stadt Biberach gelacht. Darin versucht der Schauspieler Bernd Gnann als Win-Back-Manager Rainer Holzrück, Schwaben von Berlin nach Biberach zu locken. Die Aktion hat einen ernsthaften Hintergrund.

Biberach/Berlin - Es hat eine Menge zu bieten, das kleine „Biberle“: Viel Geschichte, eine malerische Umgebung – und jede Menge Arbeitsplätze. Andrea Appel, die Pressesprecherin des oberschwäbischen Biberach an der Riss, mag zwar nicht von einem Notstand sprechen, aber schon von einer Jobkrise der ganz eigenen Art: Seit Jahren sei Biberach schuldenfrei und habe die niedrigste Arbeitslosenzahl in ganz Baden-Württemberg, sagt Appel. Biberachs Problem: es ist nicht unbedingt der Nabel der Welt. Analog zu Berlin, das gerne als arm und sexy gilt, könnte man sagen, dass das Biberle reich und unsexy ist.

Deshalb sucht die Stadt mit einer eigenwilligen und sehr lustigen Internetkampagne nach Arbeitskräften und Familien, die nach Biberach ziehen möchten. Titel der Initiative: „Geh doch nach Biberach“. Inspirieren lassen habe man sich von der Schauspielerin Bärbel Stolz, die mit dem Youtube-Kanal „Die Prenzlschwäbin“ so erfolgreich ist, dass nun ein Buch erschienen ist, sagt Appel.

Der schwelende Streit zwischen den Berlinern und den zugereisten Schwaben sollte also das Vehikel sein für die Kampagne. Ein Gesicht war auch bald gefunden: Der Schauspieler Bernd Gnann erklärte sich gerne bereit, wie er sagt, für Biberach durch Berlin zu ziehen und zu werben. Er selbst stammt aus der Biberacher Nachbargemeinde Bad Schussenried und ist bekannt als Kabarettist und als Schauspieler, zum Beispiel aus dem Tatort.

Knitze Currywurstgenießer

Sein komödiantisches Talent kann Gnann in den Videos, die seit einigen Wochen auf Facebook gepostet werden, bestens ausleben. In den Clips ist er als „Win-Back-Manager Rainer Holzrück“ in der Bundeshauptstadt unterwegs und sucht dort nach Schwaben, die keine Lust mehr haben, sich von den schnoddrigen Berlinern anpöbeln zu lassen und statt dessen lieber nach Biberach ziehen, getreu dem Motto „Geh doch nach Biberach“.

Dabei trifft er auf gutmütige Taxifahrer, knitze Currywurstgenießer und Rentnerinnen, für die Schwäbisch keine deutsche Sprache ist. „Die waren sehr, sehr nett, die Berliner“, sagt Bernd Gnann im Rückblick. Das sei aber kein Wunder. „Die wollen die Schwaben ja loswerden“, sagt er – und es bleibt unklar, ob Gnann das nun ironisch meint oder nicht. Der Schauspieler stellt sich mit einem Megafon unter anderem vor das Brandenburger Tor und verkündet Wahrheiten wie „Gottes größte Gabe ist der Oberschwabe“. Schließlich sprüht er sogar den Spruch „Geh doch nach Biberach“ ans Brandenburger Tor – der allerdings inzwischen wieder abgewaschen worden ist. Dazu sind Gnann und sein Team dann wohl doch zu sehr waschechte Schwaben.

Jahrelanger Streit zwischen Berlinern und Schwaben

Seit Jahren gärt zwischen den Berlinern und dort lebenden Schwaben ein gerne auch von den Medien genährter Streit. Manchen Berlinern sind die Schwaben zu spießig, sie stehen in der Bundeshauptstadt für Biederkeit und Gentrifizierung. Zuletzt war die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) aufgefallen, deren Busse der Spruch „Liebe Schwaben, wir bringen Euch gerne zum Flughafen“ zierte. Vor drei Jahren hatte der SPD-Politiker Wolfgang Thierse den Streit befeuert, als er sich beschwerte, dass in seinem Kiez beim Bäcker Wecken verkauft würden, obwohl es Schrippen heiße.

Wie es mit Rainer Holzrück weitergeht, ist im Moment noch offen. Das Video ist seit Freitag online und wurde seither tausendfach geklickt. Unabhängig davon, wie sich die Stadt Biberach entscheide, könne Rainer Holzrück aus seiner Sicht weiterleben, sagt der Schauspieler Gnann. „Zum Beispiel als Werbefigur für die schwäbische Industrie.“ Für den Kabarettisten verkörpert Holzrück die besten schwäbischen Tugenden: Fleiß, Bedächtigkeit und Tatkraft. „Wir sind die, die es anpacken.“