Nicht nur mit den Flügeln schlagen, die Jungenten müssen fliegen, damit sie vom Dach der Galerie herunterkommen. Foto: dpa

Ein Muttertier hat auf dem begrünten Dach der Schwabengalerie in Stuttgart-Vaihingen gebrütet. Mittlerweile sind die Jungvögel flügge. Einige haben wohl auch schon das Einkaufszentrum verlassen. Der Rest der Familie hat nun seinen eigenen Fluglehrer.

Vaihingen - Es sei ein Skandal, vielleicht sogar ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. So steht es in einer Mail, die in der vergangenen Woche unsere Redaktion erreicht hat. Sie stammt von einem Mitglied des Fitnessstudios in der Schwabengalerie, und es geht um die Stockenten auf dem Dach des Einkaufszentrums. Die Mutter habe die inzwischen nur noch fünf Jungtiere offensichtlich allein gelassen. Die Mieter der Galerie seien angewiesen worden, die Tiere nicht mehr zu versorgen – weder mit Futter noch mit Wasser. Und der Tiernotdienst wolle offensichtlich auch nicht mehr tätig werden. „Man setzt darauf, dass die Tiere dann das Terrain selbstständig verlassen. Unfassbar!“, heißt es in der Mail. Dabei seien die Enten so zutraulich, dass ein Einfangen sicher kein großes Problem darstellen würde. Doch anscheinend wolle man die Tiere wissentlich verenden lassen.

Diesen Vorwurf weist Martin Thronberens, ein Sprecher der Stadt Stuttgart, entschieden zurück. Der Tiernotdienst sei am 3. September zuletzt vor Ort gewesen und habe probiert, die Küken einzufangen. Nur seien diese inzwischen auch sehr agil. „Wir hätten sie nur mit robusteren Maßnahmen kriegen können. Dann hätte aber die Gefahr bestanden, die Tiere zu verletzen“, sagt Thronberens. Weil die Kleinen mittlerweile so agil seien, gehe der Tiernotdienst nun davon aus, dass die Jungvögel alsbald flügge werden, und dann wegfliegen können. Richtig sei, dass der Tiernotdienst dem Betreiber der Galerie empfohlen habe, seine Mieter anzuweisen, dass die Tiere nicht mehr gefüttert werden. Das bedeute aber nicht, dass die Enten nun verhungern müssen. Denn auf dem begrünten Flachdach der Galerie gebe es noch einen Rest an Futter, also vor allem Gras. „Es geht nur darum, den Enten ihren Aufenthalt auf dem Einkaufszentrum nicht auch noch zusätzlich attraktiv zu machen“, sagt der Pressesprecher der Stadt.

Die Enten haben eine Fangemeinde

Thronberens fügt aber auch hinzu: „Wenn die Enten nicht allein wegfliegen und sich der Gesundheitszustand der Tiere zusehens verschlechtert, dann kann man uns gern noch einmal kontaktieren.“ In diesem Fall würden die Mitarbeiter des Tiernotdienstes noch einmal nach Stuttgart-Vaihingen kommen und sich eine andere Strategie überlegen.

Doch danach sieht es derzeit nicht aus. „Einige der kleinen Enten sind bereits weggeflogen“, sagt Franz Jebavy. Der Centermanager der Schwabengalerie ergänzt: „Wir setzen alles daran, dass die anderen Tiere das Dach auch verlassen.“ Ein Mitarbeiter der Haustechnik mache sich derzeit als Fluglehrer verdient. Er laufe den Jungvögeln nach, wenn er sie sieht, versuche, sie ein wenig aufzuscheuchen und ihnen zu zeigen, dass sie ihre Flügel bewegen müssen. „Wir versuchen, sie ganz sanft zu vertreiben, und hetzen sie natürlich nicht zu Tode“, betont Jebavy. Richtig sei, dass die Mieter angewiesen wurden, die Tiere nicht zu füttern.

Der Centermanager macht keinen Hehl daraus, dass er die Wasservögel loswerden möchte. Die Entenfamilie sei nur eine kurze Freude gewesen. Mittlerweile seien sie vor allem eine Last, weil sie viel Dreck machen. Die Kunden der Galerie und des Fitnessstudios seien, was die Entenfamilie betrifft, zweigeteilt. Zweifelsohne hätten die Enten eine Fangemeinde, sagt Jebavy. Aber nicht alle würden Gefallen an den Tieren und vor allem nicht an ihren Hinterlassenschaften finden.

Die Hinterlassenschaften sind zum Problem geworden

Die waren vor allem für die Betreiber und die Kunden des Fitnessstudios zu einem Problem geworden. Denn das Fitnessstudio nutzt einen Teil des Flachdachs für seine Terrasse. Dort gibt es Tische, Stühle, Sonnenliegen und sogar eine Tischtennisplatte. Zuletzt waren die Holzpaneele und das Mobiliar aber immer wieder verdreckt gewesen, weil die Enten dort ihr Geschäft gemacht hatten. Mehrmals am Tag musste das Team des Fitnessstudios die Terrasse reinigen.

Es war nicht das erste Mal, dass eine Ente auf der Galerie gebrütet hat. Auf die Frage, wie man in Zukunft vermeiden kann, dass sich das Federvieh dort niederlässt, weiß Jebavy keine Antwort. „Davon habe ich keine Kenntnis“, sagt er und ergänzt: „Wir haben das Thema bei der Stadt gemeldet. Wenn der Tiernotdienst eine Idee hat, sind wir gern bereit, diese umzusetzen.“