Moderator Nikita Gorbunov (rechts) mit den schwäbischen und badischen Slam-Poeten im Alten Schloss in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Gell, do glotsch! Der Heimvorteil hat den Schwaben nicht genutzt, um beim Poetry-Slam der Mundart in Stuttgart gegen die Gäste aus Baden zu gewinnen. Es ging unentschieden aus. Am fairen Publikum lag’s, dem klaren Sieger im württembergischen Landesmuseum. Kumm, geh mer fort!

Stuttgart - Vom „Ding“ spricht Stefan Unser, der Landesmeister der Slam-Poeten aus Malsch bei Karlsruhe, vom „Schnäpperle“ Sylvie le Bonheur aus Waiblingen, die einzige Dichterfrau in dieser Sechser-Runde. Aber beide meinen das Gleiche. Badener versus Schwaben nur mit Witz und Worten im Alten Schloss zu Stuttgart. Wie unterschiedlich die Badener und Schwaben zum männlichsten Körperteil des Mannes sagen, könnte uns eigentlich am A... vorbeigehen. Aber weil keines der beiden Teams an diesem Thema vorbeikommt – immer auf die meisten Lacher und den stärksten Applaus aus –, darf eines nicht unerwähnt bleiben: Ja, fürwahr, die Menschheit hat sich seit der Steinzeit weiterentwickelt.

Einst sprangen alle in den Höhlen nackt herum, woran Stefan Unser, der Badener, das Schwabenpublikum erinnert. Die Männer konnten also ihr „Ding“ vergleichen. Heute, da Männer bekleidet sind, brauchen sie Ersatz-Dinger, um sich messen zu können – mit Autos, Villen, Sportboote sind sie beim Parallelenziehen noch lange nicht fertig.

In der ersten Halbzeit gewinnen die Badener

Sind die Wort-Wettkämpfe der gegeneinander antretenden Poeten ein moderner „Schnäpperle-Vergleich“, um es auf gut Schwäbisch zu sagen? Es reicht jedenfalls nicht, nur auf einen feinsinnigen Kopf zu setzen. Der derbe Humor von Crazy-Typen wie Opa Karl alias Bernd Lutz aus Rheinau-Linx, so hat sich beim Poetry-Slam-Wettbewerb als Vorgriff der großen Schwabenausstellung im württembergischen Landesmuseum gezeigt, schafft es viel leichter, eine Lach-La-ola im Publikum anzustoßen. Bei den Derbheiten liegen die Gäste aus Baden klar vorne. Nachfahren der schwäbischen Dichter und Denker hingegen berichten davon, wie Trübsal und Selbstmitleid bei ihnen zu Besuch waren.

Die Zuhörer erweisen sich als ausgesprochen fair. Sie sind die wahren Gewinner. Beklatscht werden die besten Wortkünstler, nicht automatisch die eigenen Matadoren. Die Stärke des Beifalls entscheidet über die Sieger. In der ersten Halbzeit liegen die Badener beim Auswärtsspiel ganz klar vorn (wir sagen nicht Badenser, denn das ist für sie ein Schimpfwort wie für uns Schwobaseggel).

In der zweiten Halbzeit gibt die Schwäbin Sylvie le Bonheuer alles, um den Rückstand aufzuholen. Also erklärt sie den Unterschied zwischen dem schwäbischen Schaffen und dem schwäbischen Anschaffen. Wer einen Beruf im horizontalen Gewerbe ausübt, dürfe nicht länger diskriminiert werden.

In der zweiten Hälfe holen die Schwaben auf

Die Waiblingerin malt sich aus, wie das ist, wenn man eines Tages mit diesem Beruf auch im privaten Kreise um Hilfe gebeten wird, wie dies bereits etwa bei einem Physiotherapeuten heute schon ist. Dem Pychsiotherapeuten passiert es heute schon oft, dass er bei Bekannten kurz mal die Schulter einrenken muss, wenn was schmerzt. Und was werden Menschen, die anschaffen gehen, eines Tages privat hören? Die Poetin stellt sich’s vor: „Du ich hab gerade nen Ständer – hast du nicht drei, vier Griffe dafür drauf?“ Uppps! Frauen im Publikum halten sich die Hand vor den Mund und stoßen spitze Lachschreie aus.

Darf die das? Beim Poetry-Slam darf man fast alles, nur keine Requisten verwenden. Jetzt darf man sogar mit Mundart auftreten.

Die Idee, das angestaubte Image des Dialekts in einem Dichterwettstreit zu widerlegen, haben sich die Organisatoren der deutschen Poetry-Slam-Meisterschaft (vom 2. bis 5. November in Stuttgart) und der Landesverband Amateurtheater ausgedacht. Die Landesmuseen in Stuttgart und Karlsruhe schlossen sich an. Auf den Wettbewerb in Stuttgart folgt am Freitag, 14. Oktober, das Rückspiel in Karlsruhe, erneut mit dem wunderbaren Nikita Gorbunov als Moderator. Dank der anrüchig aufdrehenden Sylvie haben die Schwaben am Donnerstagabend in der zweiten Hälfte im Alten Schloss gewonnen und ziehen nun mit einem Unentschieden zur alles entscheidenden Dichterschlacht nach Baden.

Funktioniert Mundart beim Slam? Wunderbar sogar! Poeten sind am besten, wenn sie ganz speziell sind. Authentisch sind sie, wenn sie ihr Mundwerk nicht verstellen müssen – Hochdeutsch kann ein Bremsklotz sein. „Ding“ auf Badisch und „Schnäpperle“ auf Schwäbisch klingen besser als ein ... auf Hochdeutsch – na, Sie wissen schon.