Will in diesem Jahr Urlaub im Schwabenland machen: Parlamentsvize Thierse Foto: dpa

Die Schwaben in Berlin nerven! Für diese Kritik muss Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse reichlich Prügel einstecken. Im Interview erklärt er, dass er den Südwesten doch eigentlich mag.

Stuttgart/Berlin - Die Schwaben in Berlin nerven! Für diese Kritik muss Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse reichlich Prügel einstecken. Im Interview erklärt er, wie seine Schelte wirklich gemeint ist.


Guten Morgen Herr Thierse, was gab es denn heute bei Ihnen zum Frühstück – Laugaweckle oder Croissants?
Weder noch, sondern gutes, altes, deutsches Landbrot.

Werden Sie künftig aus Prinzip Linsen und Spätzle, Maultaschen oder Kässpätzle verschmähen?
Das ist ohnehin nicht meine kulinarische Leidenschaft. Denn ich bin nicht in Schwaben geboren und aufgewachsen, sondern in Breslau geboren und in Thüringen aufgewachsen und lebe nun schon seit fast 50 Jahren in Berlin .  . .

. . . und die süddeutsche Küche ist nicht recht nach Ihrem Geschmack?
Gelegentlich schon. Es gibt in der Kantine des Deutschen Bundestages mit schöner Regelmäßigkeit schwäbisches Essen. Aber so doll‘ ist ja Kantinenessen oft nicht. Es gibt Spätzle und – wie heißt das andere? – Maultaschen, in besseren Ausgaben. Das habe ich in Schwaben auch schon häufiger gegessen – und da hat es erstaunlich gut geschmeckt, im Gegensatz zur Kantine.

Wann waren Sie den zuletzt im Schwabenland zu Besuch?
Das war im vorigen Sommer – und zwar privat, nicht beruflich. Da war ich am Bodensee, weil ich mit Alfred Heizmann, dem Mundartdichter und Fastnachter, der auf der Insel Reichenau lebt, befreundet bin.

Also ist es gar nicht so schlimm im deutschen Südwesten?
Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Wenn ich mir vorstelle, wo ich denn leben könnte, wenn ich nicht in Berlin lebte, würden mir verschiedene Ecken in Baden-Württemberg schnell in den Sinn kommen. Tübingen und Heidelberg etwa oder Freiburg und Konstanz – das sind alles wunderschöne Städte.

Die Berliner rühmen sich gerne ihrer Weltoffenheit und Multi-Kulti- Bevölkerung. Gehören Schwaben nicht zu diesem Multi-Kulti-Mix?
Doch, ohne Zweifel. Ich habe in besagtem Interview selbstironisch gesagt, man müsse mich als Übriggebliebenen allmählich unter „Artenschutz“ stellen, denn 90 Prozent der Bewohner im südlichen Prenzlauer Berg, wo ich lebe, sind erst nach 1990 zugezogen – das heißt, es sind andere verdrängt worden. Die schöne Vorderseite hat eine schmerzliche Hinterseite, wie bei allen Veränderungen. Es geht mir aber zu weit, wenn ich beim Bäcker nicht mehr Schrippe sondern Weckle oder Wecken sagen soll oder Pflaumendatschi statt Pflaumenkuchen. Da werde ich zum Verteidiger des Berlinerischen. Aber das sind heiter-ironische Bemerkungen, weshalb mich die Heftigkeit der Beschimpfungen erschüttert hat. Sie können sich nicht vorstellen, mit welchen Schimpfworten ich in E-Mails bedacht werde und auch öffentlich von der Herren Oettinger und Niebel – das erschreckt schon. Ich wusste nicht, dass Schwaben so humorlos sein können. Ganz abgesehen davon, dass Herr Niebel mich als „pietistischen Zickenbart“ bezeichnet und dabei ganz übersehen hat, dass ich gar kein Protestant bin.