Die Schwaben und die SPD - geht nicht zusammen? Foto: dpa

Die in Umfragen gebeutelte SPD in Baden-Württemberg leidet aus Sicht von Partei-Bundesvize Ralf Stegner unter der schwäbischen Mentalität. Warum eigentlich?

Stuttgart/Berlin - Am Donnerstag versuchte Ralf Stegner zu retten, was zu retten ist. Dass im Süden das Schwäbische und das Sozialdemokratische „nicht immer perfekt zusammen“ passe, wie er gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geäußert hatte, trug ihm in den sozialen Netzwerken geharnischte Kritik ein.

Dabei habe er doch „überhaupt nichts gegen die baden-württembergische SPD sagen“ wollen, beteuerte er gegenüber unserer Zeitung: „Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass es die SPD in Schwaben schwer hat.“

Mit seinem Zitat zielt er auf die Mentalitäten. Er hält die Dankbarkeit gegenüber einer politischen Partei im Schwäbischen für noch weniger verbreitet als anderswo. Wem der gesellschaftliche Aufstieg gelungen sei, wähle „ leider häufig CDU“. Er kenne sich im Übrigen mit der Mentalität aus, so der gebürtige Bad Dürkheimer (Rheinland-Pfalz) weiter: „Ich bin Wahlbadener, mit einer Freiburgerin verheiratet, habe in Freiburg studiert und habe dort 1982 die Juso-Hochschulgruppe gegründet.“

Seine Abneigung gegen die Schwaben hat eine Vorgeschichte: 15 Jahre lang sei er an den Sonntagen als Fußball-Schiedsrichter durch Südbaden gezogen. Gelegentlich sei er auch ins Schwäbische gekommen: „Die Stuttgarter haben mich immer wieder als Gelbfüssler beschimpft.“

"Auch Häuslebauer sind bei der SPD bestens aufgehoben"

Seine badischen Parteifreunde kann Stegner damit allerdings nicht besänftigen. „Das Schwäbische und die SPD passen hervorragend zusammen, das sag ich auch als Badener“, sagte am Donnerstag Europaminister Peter Friedrich den Stuttgarter Nachrichten. Das Schwäbische stehe für gute Arbeit, Gerechtigkeit, Fleiß und Sparsamkeit – „und genau dafür steht auch die SPD“. Stegner habe wohl Vorurteile gegenüber den Schwaben, mutmaßt Friedrich.

Der Minister und stellvertretende SPD-Chef im Land versteht auch nicht, was dieser mit der Äußerung meine, die Baden-Württemberger wählten so lange SPD bis sie ihr Eigenheim hätten. „Denken Sie etwa an Robert Bosch, der demonstriert hat, dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale Verantwortung sehr wohl zusammen passen. Auch Häuslebauer sind bei der SPD bestens aufgehoben.“ Leistung, Fleiß und eine solide Haushaltsführung gehörten jedenfalls ebenso zur SPD wie Gerechtigkeit, Innovation und Weltoffenheit. Friedrich: „Stegner hat, glaube ich, ein viel zu eng gefasstes Verständnis von sozialdemokratischer Politik.“

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel will ihm deshalb Nachhilfe erteilen: „Wir werden unsere Imagebroschüre und unseren Imagefilm „Ein gutes Land noch besser machen“ als Fortbildungsmaßnahme zu Ralf Stegner nach Schleswig-Holstein senden.“ Darin werde anschaulich entfaltet, dass das Musterland Baden-Württemberg und das Denken und Fühlen seiner Menschen in Wirklichkeit ziemlich sozialdemokratisch gefärbt seien.

Und dann legt sich der Landtagsfraktionschef mächtig ins Zeug: „Die Menschen in Baden-Württemberg spüren gerade, dass die SPD in der grün-roten Landesregierung für gute Arbeit und ein gutes Leben auch in der Zukunft sorgt. Das schweißt zusammen. Und deshalb wird die SPD bei der nächsten Landtagswahl auch zulegen. Spätestens dann erwarten wir vom Genossen Stegner eine tiefe Verneigung vor den großen Erfolgen in Baden-Württemberg.“

Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler lenkt den Blick auf Stegners Leitungen als Bundesvize: Solange die Bundes-SPD in Umfragen bei 23 bis 24 Prozent dümpele, rechnet der frühere Landtagsfraktionschef vor, könnten die Südwest-Genossen, die traditionell ein paar Prozentpunkte weniger haben, keine Bäume ausreißen. Stegners Bemerkungen seien jedenfalls „nicht hilfreich“, befindet Drexler – zumal es die Südwest-SPD im bevorstehenden Duell zwischen Guido Wolf (CDU) und Winfried Kretschmann (Grüne) ohnehin schwer haben werde, sich zu profilieren.

Wolf schien auf die Debatte geradezu gewartet zu haben: „SPD-Vize Stegner hat Recht: Die SPD passt nicht zur schwäbischen Mentalität. Sie passt übrigens auch nicht zur badischen, kurpfälzischen oder hohenzollerischen“, teilte er mit.

Und dann zitierte er SPD-Landeschef Nils Schmid, der einmal Kürzungen von Agrarsubventionen ins Spiel gebracht hatte. Wolf: „Eine SPD, die ganz gerne mal Schwarzwaldtäler zuwachsen lassen will, hat hier keine Heimat. Sie kann Mittelschicht und Mittelstand nichts bieten.“

Stegners eigene Erfolgsbilanz als Spitzenkandidat ist übrigens überschaubar: 2009 erhielt die SPD in Schleswig-Holstein 25,4 Prozent – 13,3 Prozentpunkte weniger als sie vier Jahre zuvor erzielt hatte.