Der 43-jährige Angeklagte schweigt eisern Foto: dpa

Der Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht gegen ein mutmaßliches Ex-Mafia-Mitglied ist mit Zeugenaussagen fortgesetzt worden. Weil es um Gewalttaten aus dem Jahr 1995 geht, verweist ein Zeuge auf Erinnerungsprobleme.

Stuttgart - Vor 20 Jahren hat die Familie M. unter ihren italienischen Landsleuten für Angst und Schrecken gesorgt. Eisdielenbesitzer, Reifenhändler und Pizzeriainhaber sollten Schutzgeld bezahlen, Bürgschaften übernehmen und bei dem Familienclan, der ein Im- und Exportgeschäft in Stuttgart-Feuerbach betrieb, ihre Waren kaufen – zu überhöhten Preisen natürlich. Jetzt steht ein Mitglied des Clans vor Gericht: der 43-jährige Enrico M. Der Mann hatte sich gestellt und war sofort in U-Haft genommen worden. Vor dem Landgericht schweigt er.

Wenig Licht ins Dunkel bringt ein 57 Jahre alter Zeuge, der aus der Schweiz angereist ist. Der ehemalige Chef einer Pizzeria in Tamm soll Mitte der 90er Jahre ein Vertrauter der Familie M. gewesen sein. Ihn soll man damals geschickt haben, um den italienischen Geschäftsleuten in Raum Stuttgart klarzumachen, an wen sie zu bezahlen hatten. Dafür ist der 57-Jährige rechtskräftig verurteilt worden. „Das ist eine alte Geschichte. Ich weiß nicht mehr, was damals passiert ist“, sagt der Zeuge. Bei der Polizei hatte er einst ausgesagt, Enrico M. habe ihn das eine oder andere Mal losgeschickt – was die Staatsanwaltschaft als Hinweis auf die Verstrickung des Angeklagten in die Machenschaften seiner Familie bewertet.

Der Zeuge wiegelt ab. Der Bruder des Angeklagten, der sich Don Aniello nennen ließ, sei der Boss gewesen. „Er hat die Fäden gezogen“, so der 57-Jährige. „Ich bin nur zu meinen Landsleuten gegangen, weil ich helfen wollte“, so der Zeuge treuherzig.

Die Familie M. hatte auch vor drastischen Maßnahmen nicht zurückgeschreckt. Vor Eisdielen im Raum Ludwigsburg landeten Molotowcocktails. Im September 1995 schoss einer der Brüder des Angeklagten vom Motorrad aus sogar sechsmal in eine Eisdiele. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. Vater Francesco M., der inzwischen gestorben ist, und die zwei Brüder des Angeklagten waren 1997 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Einer der Brüder sitzt inzwischen wegen weiterer Gewalttaten in Italien im Gefängnis. Der Prozess gegen den schweigsamen Enrico M. wird fortgesetzt.