Zuckerreduzierte Limonaden enthalten oft kalorienarme Süßstoffe. Foto: dpa/Lukas Schulze

In fast zehn Prozent aller gesüßten Lebensmittel kommen kalorienarme Süßstoffe zum Einsatz. Wer diese Produkte kauft, erhofft sich dadurch einen Schutz vor Übergewicht. Doch ist zuckerreduziert wirklich besser? Eine neue Studie gibt Aufschluss.

College Park - Egal ob Joghurt, Obstsaft, Cola oder Fruchtgummi: Bei fast zehn Prozent aller gesüßten Lebensmittel kommen mittlerweile kalorienfreie Süßstoffe zum Einsatz. Verbraucher erhoffen sich dadurch einen Schutz vor Übergewicht und Diabetes. Doch aktuelle Studien zeigen: Diese Hoffnungen sind trügerisch. Immerhin: Das Krebsrisiko scheint vom Tisch.

So kommt Clarissa Baker-Smith von der University of Maryland in den USA zu dem Schluss: „Man muss künftig Lebensmittel mit Süßstoffen auch deutlich als solche kennzeichnen.“ Denn es reiche nicht, sie schönfärberisch als „zuckerreduziert“ zu verkaufen. Weil das Entscheidende dieser Lebensmittel nicht sei, was ihnen fehle; sondern das, was ihnen beigemengt worden sei. Und das seien die Süßstoffe, die man aufgrund ihrer fragwürdigen Effekte deutlich deklariert an den Kunden bringen müsste.

Die Kinderärztin und Molekularbiologin hat zusammen mit anderen US-Forschern das komplette wissenschaftliche Datenmaterial analysiert, das im letzten Jahrzehnt zu Süßstoffen und deren Wirkung auf die Gesundheit veröffentlicht wurde. Die Arbeit ist jetzt im Fachblatt der American Academy of Pediatrics veröffentlicht worden.

Studie: Zuckerkonsum durch Süßstoffe sogar gesteigert

Tröstlich immerhin: Als potenzielle Krebserreger kann man Süßstoffe offenbar zu den Akten legen. So wurden gerade Aspartam, Saccharin, Sucralose und Cyclamat in dieser Hinsicht diskutiert, doch bei keinem ließ sich der Verdacht wirklich erhärten. Vorausgesetzt, dass man die Stoffe nicht exzessiv konsumiert. So gilt beispielsweise Aspartam – laut Berechnungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) – in Mengen von bis zu 40 Milligramm pro Kilo Körpergewicht als sicher, was ein 60 Kilogramm schwerer Erwachsener erst mit vier Liter aspartamsüßer Diät-Limonade pro Tag überschreiten würde.

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Doch ausgerechnet das Hauptmotiv für den Konsum von Produkten mit Süßstoffen – der Kampf gegen Diabetes und Übergewicht – steht wackelig da. So enthalten Süßstoffe zwar im Unterschied zum Zucker keine Kalorien. „Doch ob dies ausreicht, insgesamt die zugeführte Energiemenge zu senken, ist keinesfalls sicher“, warnt Baker-Smith. Im Gegenteil: Susan Swithers von der Purdue University im US-amerikanischen Indiana hat das Ernährungsverhalten von über 7000 Kindern untersucht, die über einen Zeitraum von fünf Jahren entweder zuckerhaltige Softdrinks, süßstoffhaltige Softdrinks oder aber beides in ihrem Speiseplan hatten. Im Ergebnis zeigte sich, dass alle drei Versuchsgruppen deutlich mehr Kalorien aufnahmen als eine Kontrollgruppe, in der lediglich Wasser getrunken wurde. Die meiste Energie – nämlich fast 30 Prozent mehr als bei den Wassertrinkern – gingen durch die Kehlen derjenigen, die sowohl Süßstoffe als auch Zucker verzehrten. „Sie hatten ihren Zuckerkonsum gesteigert, obwohl sie süßstoffhaltige Getränke konsumierten“, erläutert Ernährungspsychologin Swithers.

Das Gehirn giert weiterhin nach echtem Zucker

Warum aber verführen Süßstoffe ihre Konsumenten offenbar zum Zucker? Die Antwort: Sie versprechen, aber sie liefern nicht. Ihr Wesen besteht darin, dass sie süß wie Zucker schmecken, ohne dessen Energien zu liefern. Mit der Folge, dass gerade das Gehirn weiterhin nach echtem Zucker giert. Denn es braucht wie kein anderes Organ dessen Energien. Ein weiterer Effekt der Süßstofftäuschung: Der Körper schraubt immer mehr seine Zuckerverwertung zurück, weil die ja eigentlich nicht gebraucht wird. „Es handelt sich dabei um eine klassische Konditionierung“, so Swithers. Der Stoffwechsel derjenigen, die an Süßstoff gewohnt sind, erlahmt jedes Mal, wenn sie etwas Süßes schmecken – auch wenn dann einmal echter Zucker kommt. Dass dieses Paradox zu Übergewicht und Diabetes führen kann, liegt auf der Hand.

Für Swithers und Bakers-Smith steht daher fest: Der Weg muss darüber gehen, dass wir uns vom Süßgeschmack an sich emanzipieren – und Süßes insgesamt wieder die Ausnahme wird im Speiseplan. Wichtig ist, dass man das Süße nicht verbietet, sondern als etwas Besonderes betrachtet.