Wirtschaftsredakteur Daniel Gräfe im Gespräch mit SySS-Chef Sebastian Schreiber, dem LKA-Beamten Stefan Middendorf und Verbraucherschützer Erich Nolte (von rechts Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Veranstaltung ausverkauft, das Publikum wissbegierig: Mehr als 100 Besucher informierten sich beim Stadtschreibtisch der Stuttagrter Nachrichten. Der Rat der Experten: Benutzen Sie vor allem ihren gesunden Menschenverstand.

Stuttgart - Gespannt sind alle Augen auf das Online-Bestellformular eines Pizzalieferservice gerichtet, das per Beamer auf die Leinwand im Stuttgarter Buchhaus Wittwer projiziert wird. Mit wenigen Mausklicks hat Sicherheitsexperte Sebastian Schreiber das Dokument so manipuliert, dass die Familienpizza im virtuellen Einkaufskorb nur noch zwei Euro kostet. Bestellt wird natürlich nicht. Der angetäuschte Teigfladenbetrug dient nur als Beispiel für die Gefahren, denen sich leichtsinnige Internetnutzer aussetzen.

Wie vielfältig die Möglichkeiten sind, sich im weltweiten Netz Ärger einzuhandeln, und wie man sich davor schützen kann, war Thema des Stadtschreibtischs unserer Zeitung, der am Mittwochabend unter dem Motto „Geld weg, Daten weg? Wie man sich gegen Abzocker und Hacker im Internet wehrt“ stattfand. Dass die Veranstaltung mit über 100 Interessierten ausgebucht war, zeigt, wie groß die Verunsicherung bei den Verbrauchern ist. Was muss man beachten, um sicher shoppen und surfen zu können?

Schreiber ist Geschäftsführer der Tübinger Sicherheitsspezialisten von SySS, die im Auftrag von Unternehmen Sicherheitslücken aufdecken, indem sie deren Sicherheitseinrichtungen attackieren. In der Expertenrunde, die durch Kriminalhauptkommissar Stefan Middendorf und Erich Nolte von der Verbraucherzentrale komplettiert und von Wirtschaftsredakteur Daniel Gräfe moderiert wird, kommt dem Auftragshacker die Rolle des Entertainers zu. Eine gefälschte SMS von einem beliebigen Handy aus versenden? Kleinigkeit. Ein Gespräch abhören? Das reinste Kinderspiel. Wäre es nicht erschreckend, mit welcher Leichtigkeit der Kenner vermeintliche Hürden überwindet – man könnte ihm glatt wie einem Zauberkünstler zusehen.

Tatsächlich lösen die Hacker-Einlagen eher Beunruhigung aus. Wer garantiert denn, dass die nächste Kurznachricht einer guten Freundin auch wirklich von ihr gesendet wurde? „Wir wollen Sie nicht dazu bewegen, gleich den Stecker ziehen“, betont Stefan Middendorf. Es gebe keine Veranlassung für Paranoia und allumfassendes Misstrauen. Wohl aber gute Gründe für erhöhte Aufmerksamkeit: „Das eigene Gehirn ist die beste Firewall“, lautet das Credo des Mannes vom LKA.

Wenn eine Mail den sicheren Weg zum Topeinkommen in Rekordzeit verspreche, genüge der gesunde Menschenverstand als Alarmanlage. Wer von seiner Bank aufgefordert werde, Daten und Tan-Nummern zu versenden, der solle zumindest zum Telefon greifen und nachfragen, was es mit dieser ungewöhnlichen Aktion auf sich habe.

Laut Umfragen war jeder zweite Deutsche schon einmal von Virenbefall des Rechners oder Online-Betrug betroffen. Unter den Besuchern der Stadtschreibtisch-Veranstaltung ist der Prozentsatz geringer. Einige allerdings können doch aus eigener Erfahrung berichten, wie es ist, wenn Rechnungen plötzlich mehrfach abgebucht werden oder seltsame Nachrichten von Bekannten eintrudeln, deren Mail-Konten gehackt wurden. Spam kennt ohnehin jeder. 50 bis 200 Milliarden der unliebsamen Nachrichten werden weltweit täglich versandt. Angesichts dieser Zahlen ist es fast schon verwunderlich, dass nicht noch mehr des Datenmülls auf unseren Rechnern landet.

Die Ausführungen des Experten-Trios greifen viele Themen auf, die sich im Zuge der Telefonaktion der Stuttgarter Nachrichten Mitte November herauskristallisiert hatten: Was unterscheidet Spam und Phishing? Wann erstatte ich Anzeige? Was tue ich, wenn ein Trojaner zugeschlagen hat? Woran erkenne ich eine sichere Webseite? Die Antworten der Fachleute sind ganz am Nutzeralltag orientiert. Wo Fachbegriffe fallen, werden sie kurz erläutert. Technische Details werden höchstens gestreift. Jeder soll eine Handvoll praktischer Tipps mit nach Hause nehmen.

„Man kann sich hinreichend schützen“, entgegnet Nolte einem älteren Herrn, der sein Missfallen über die um sich greifende Vernetzung und ihre Schattenseiten zum Ausdruck bringt. „Wer sich gut überlegt, welche Daten er preisgibt und was er anklickt, muss nichts fürchten.“ Absolute Sicherheit bieten Bargeld oder analoge Kreditkarte schließlich auch nicht. Trickbetrüger lauern ja nicht nur im Internet.

Schreibers Appell: „Benutzen Sie in jedem Fall Ihren Verstand! Seien Sie kritisch!“