Aufatmen auf dem Schurwald und im Remstal: Der Netzbetreiber verschiebt das Verfahren mit Verweis auf die neue Bundesregierung. Foto: Symbolbild/dpa

Ein im Sommer von heftiger, lautstarker Gegenwehr begleitetes Projekt ist zumindest vorläufig auf Eis gelegt: Die Transnet BW verschiebt die Planungen für die im Osten der Region Stuttgart vorgesehene 380 000-Volt-Höchstspannungsleitung auf unbestimmte Zeit.

Ein im Sommer von heftiger, lautstarker Gegenwehr begleitetes Projekt ist zumindest vorläufig auf Eis gelegt: Die Transnet BW verschiebt die Planungen für die im Osten der Region Stuttgart vorgesehene 380.000-Volt-Höchstspannungsleitung auf unbestimmte Zeit.

Stuttgart/Schorndorf - Der Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW, der seinen Sitz am Pariser Platz in Stuttgart hat, wollte eigentlich zwischen Bünzwangen im Landkreis Göppingen und Goldshöfe nahe Aalen im Ostalbkreis eine Starkstromtrasse errichten. Die Masten sollten 35 bis 65 Meter, bei Waldüberquerungen auch 75 bis 90 Meter hoch sein. In etlichen sogenannten Trassierungswerkstätten in Plüderhausen, Wäschenbeuren, Alfdorf oder Göppingen wurde das Vorhaben dargestellt. Doch Bürger wie Bürgermeister reagierten mit geharnischten Wortbeiträgen, es gab Pfiffe und Buhrufe, Protestplakate wurden hochgehalten. „Für diese industrielle Stromautobahn gibt es keine Notwendigkeit“, hieß es etwa.

Dass die Transnet BW GmbH nun einen Rückzieher macht, liegt allerdings weniger an den sommerlichen Protesten. Vielmehr bezieht sich Geschäftsführer Rainer Joswig auf den Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Bundesregierung. Dieser „entschleunigt den Ausbau der erneuerbaren Energien und kann dadurch Konsequenzen für den Netzausbau insbesondere im Raum Ost-Württemberg haben“. Anstelle der bisher drei als erforderlich eingestuften Gleichstromverbindungen sehe der Übertragungsnetzbetreiber für Baden-Württemberg jetzt nur noch zwei Verbindungen nach Philippsburg und Großgartach als vordringlich an. Ob eine dritte Verbindung notwendig sei, hänge von der weiteren energiepolitischen Entwicklung ab. Joswig: „Die Verbindung Bünzwangen–Goldshöfe wird erst dann gebaut, wenn der Bedarf sich auch unter den nun veränderten Rahmenbedingungen bestätigt.“ Die Transnet BW habe sich deshalb entschlossen, „das formelle Verfahren so lange ruhen zu lassen, bis Klarheit herrscht“. Dies werde sich allerdings frühestens im Jahr 2015 abzeichnen.

Unter den Lokalpolitikern im Ostalb- und Rems-Murr-Kreis hat diese Ankündigung erkennbare Zufriedenheit ausgelöst. Ausdrücklich begrüße er den Planungsstopp für die Hochspannungsleitung, erklärte Rems-Murr-Landrat Johannes Fuchs.

Kürzlich in Auftrag gegebenes Gutachten nun überflüssig

Schließlich war durch die vor einigen Monaten vorgenommene Westerweiterung des Suchkorridors für die Trasse inklusive Schorndorf und Rudersberg auch der Rems-Murr-Kreis erheblich von dem Projekt betroffen. „Die Notwendigkeit der Leitungsverbindung Bünzwangen–Goldshöfe ist derzeit zweifelhaft“, urteilt Fuchs. „Daher ist es nur konsequent und sinnvoll, weitere Planungsaktivitäten auf Eis zu legen. Der Ausbau von Übertragungsnetzen muss vom Bedarf aus begründet werden und nicht von wachsweichen prognostischen Visionen.“

Fast schon euphorisch reagiert Alfdorfs Bürgermeister Michael Segan auf die neue Entwicklung. Er spricht von einem „schönen Weihnachtsgeschenk – das verändert alles“. Mit dem vorläufigen Planungsstopp werde die Auffassung Alfdorfs bestätigt. Allerdings hat die Gemeinde kürzlich ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass den Sinn beziehungsweise Unsinn einer 380-kV-Leitung aufzeigen sollte. Das Gutachten scheint nun überflüssig – wird allerdings von den Fachleuten bereits bearbeitet. Segan muss nun sehen, ob noch ein Stopp dieser nicht ganz billigen Expertise möglich ist.

Mit der Entscheidung reagiert nach Auffassung des CDU-Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Backnang/Schwäbisch Gmünd, Norbert Barthle, „unser heimischer Übertragungsnetzbetreiber auf die veränderten politischen Rahmenbedingungen; das zeugt von Klugheit und ist auch ein Ausweis für die Dialogbereitschaft, die Transnet BW immer für sich in Anspruch genommen hat“. Durch die in Berlin beschlossene Verlangsamung des Ausbaus der erneuerbaren Energien könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht zuverlässig abgeschätzt werden, wie sich dies auf den hiesigen Teil des Übertragungsnetzes auswirken werde. „Die Verschiebung ist sachgerecht.“ Insgesamt, so Barthle, sei er sicher, „dass diese Nachricht in vielen Familien in meinem Wahlkreis als vorzeitiges Weihnachtsgeschenk gern angenommen wird“.