Manfred Weber im Europäischen Parlament Foto: dpa

Manfred Weber von der CSU will nicht Nachfolger von Martin Schulz als Präsident des EU-Parlaments werden. Die Besetzung dieses Postens gewinnt an Dynamik.

Brüssel - Der CSU-Politiker Manfred Weber, der im Europaparlament die mit 216 Abgeordneten größte Fraktion leitet, will nicht in die Fußstapfen von Martin Schulz (SPD) treten und Präsident des Parlamentes werden. Dies teilte der 44-Jährige, der auch CSU-Vize ist, in Brüssel mit. Weber hatte sich bis zuletzt eine Kandidatur für den Spitzenposten offen gelassen, über den das Parlament im Januar abstimmt. Viele deutsche Christdemokraten hatten Weber gedrängt, nach dem Posten zu greifen. Am Vortag in der Fraktionssitzung war Weber unter Druck geraten. Der Franzose Alain Lamassoure, der sich wie die Irin Mairead McGuinness für die Schulz-Nachfolge bewirbt, hatte Weber gebeten, Farbe zu bekennen und zu sagen, ob er selbst Ambitionen auf das Amt habe.

Die politische Kultur ändern

Doch Weber sagt, er habe anderes im Sinn: Er wolle die politische Kultur im Europa-Parlament ändern. Er will dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit künftig auf die Fraktionschefs schaut. Der wichtigste Politiker in der Volksvertretung, die in Brüssel und Straßburg tagt, soll künftig nicht mehr der Parlamentspräsident sein. Das Ansinnen ist durchaus nachvollziehbar, weil im Bundestag und in so ziemlich allen anderen Parlamenten der Präsident der Volksvertretung zwar ein wichtiges Amt hat, aber eher eines, das vor allem repräsentative Funktion hat.

Man kennt die Rolle von den Präsidenten im Bundestag, wie etwa Norbert Lammert (CDU) und Wolfgang Thierse (SPD) sie meisterhaft ausgefüllt haben: Sitzungen leiten, Staatsgäste empfangen, gern auch intellektuell ansprechende Reden halten. Aber eben nicht Parteipolitik machen. Und so soll es nach seinen Vorstellungen auf europäischer Ebene in Zukunft auch sein. Der Plan von Weber zeugt auch davon, dass der zurückhaltende Niederbayer ganz schön machtbewusst ist. Weber beansprucht damit nämlich die wichtigste Rolle im EU-Parlamentsbetrieb für sich: Er ist der Chef der größten Fraktion im Hohen Haus, er hat 215 Abgeordnete aus 28 unterschiedlichen Ländern hinter sich. Gerade eben haben sie ihn wieder gewählt mit 98 Prozent der Stimmen. Daraus kann man schon eine Legitimation beanspruchen.

Keine Kopie von „Erfolgsmodell Schulz“

Weber bringt die parteipolitische Entkleidung des Präsidentenamtes, die er anstrebt, auf die Formel: „Es wird keinen Schulz II geben.“ Er findet, das Erfolgsmodell, das Martin Schulz die vergangenen fünf Jahre über entwickelt und verkörpert habe, lässt sich nicht kopieren. Schulz hatte es geschafft, als „das Gesicht“ des Europaparlaments in der Öffentlichkeit akzeptiert zu werden.

Das ist eine interessante Volte, die der CSU-Politiker da vollzieht: Er hängt das umstrittene Amt niedriger. Er versucht so, Luft aus dem Zoff zu nehmen, der sich zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten über Monate um die Personalie des Parlamentspräsidenten aufgebaut hatte. Nach der letzten Europawahl 2014 hatten die Fraktionen von Sozialdemokraten und Christdemokraten, S&D und EVP, eine informelle Zusammenarbeit im Europaparlament verabredet. Sie haben bei wichtigen Gesetzgebungsvorhaben dafür gesorgt, dass die Kommission Mehrheiten im Parlament bekommt, etwa beim Juncker-Investitionsfonds EFSI oder beim Haushalt.

Die Zusammenarbeit der Fraktionen

Teil der Absprache war zudem, dass Martin Schulz, der Spitzenkandidat der Sozialisten bei der Europawahl, die erste Hälfte der Wahlperiode Parlamentspräsident bleiben darf und dann die EVP die Nachfolge bestimmen kann. Doch je näher der Wechseltermin kommt, desto weniger wollen die Sozialisten von ihrem Versprechen wissen. Erst wollte Schulz weiter machen, und jetzt wirft der Fraktionschef der Sozialisten im Europaparlament, der Italiener Gianni Pitella, seinen Hut in den Ring. Schon wird deswegen darüber spekuliert, ob damit die Zusammenarbeit zwischen den beiden Fraktionen gescheitert ist.

Es kommt aber noch dicker: Nicht nur Pitella kandidiert für die Schulz-Nachfolge, sondern auch der Belgier Guy Verhofstadt, der die liberale Fraktion im Europaparlament mit ihren 69 Abgeordneten anführt. Auch die Fraktionschefin der Linken im Europaparlament, Gaby Zimmer, überlegt, bei der Wahl einen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Damit wird es unübersichtlich. Für Weber könnte es letztlich auch ungemütlich enden: Seine Fraktion erwartet von ihm, dass er einen EVP-Kandidaten zum Schulz-Nachfolger macht. Sollte ihm das bei den vielen Kandidaten nicht gelingen, dürfte er in den eigenen Reihen viel Kredit einbüßen. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.das-gesicht-der-eu-wer-kommt-nach-martin -schulz.366eef3b-af3e-4a84-92a4-90b7a35a2900.html http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.spd-politiker-martin-schulz-will-nach- berlin-wechseln.3f30ce48-3d0a-4d8a-a08a-dcdeef278caf.html