Im Herbst wird es gefährlich für Kinder: Schulanfänger achten als Verkehrsanfänger nicht immer auf die Autos. Nur, wenn sie gut zu sehen sind, sind sie sicher. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Erstklässler sind noch leicht dazu zu überreden, Warnwesten oder Mützen mit Reflektoren zu tragen. Doch schon bald wird das uncool.

Stuttgart - Eine ganze Reihe von Institutionen und Menschen kümmert sich in der Landeshauptstadt darum, dass Kinder möglichst unbeschadet zur Schule kommen. Zum Beispiel Susanne Putzien, die Schulwegbeauftragte der Stadt. Sie hat beobachtet, dass der Einfluss der Eltern, Lehrer und Verkehrserzieher bei Grundschulkindern leider sehr schnell schwindet: „Erstklässler sind noch bereit, die Mützen mit Reflektoren der Verkehrswacht aufzusetzen, die wir verteilen. Oder sie ziehen die Warnwesten an, die der ADAC an Schulen ausgibt. Aber sobald einer in der Klasse beschließt, dass es nicht mehr cool ist, damit rumzulaufen, lässt das nach“, berichtet sie. Coolness und Modebewusstsein würden bei Kindern immer früher einsetzen, darunter leide dann unter Umständen die Sicherheit der Jungen und Mädchen.

Die Gesamtelternbeiratsvorsitzende macht sich Sorgen

Mit ihrer Analyse ist Susanne Putzien nicht allein. Auch Stuttgarts Gesamtelternbeiratsvorsitzende Doreen Halm ist besorgt: „Dank der Modeindustrie trägt ein Großteil der Bevölkerung dunkle Kleidung. Bei Erwachsenen ist dies schon schlimm. Viel schlimmer finde ich es aber, wenn Kinder dunkel gekleidet sind“, schreibt sie in einem Brief an unsere Redaktion. Auf dem Weg zur Arbeit komme sie durch eine Tempo-30-Zone, in der sie sehr wachsam sei, da dort ein Schulweg verlaufe. „Kürzlich rannte ein Kind fünf Meter vor dem Zebrastreifen über die Straße. Es war dunkle gekleidet und fast nicht zu sehen. Da kann es auch bei Tempo 30 zu einem schweren Unfall kommen“, schildert Halm.

Trotz der großen Gefahren für kleine Verkehrsanfänger sind Schulwegunfälle in der Stadt relativ selten. „Wir machen viel Präventionsarbeit und denken, dass man deren Wirkung an der geringen Zahl der Unfälle sieht“, sagt ein Polizeisprecher. Die Präventionsbeamten seien aktuell – wie zu Beginn jedes Schuljahrs – dabei, in Zusammenarbeit mit dem staatlichen Schulamt und dem Kinderförderverein das Schulwegtraining für den Kinderfußgängerschein anzubieten. „Man muss die Kinder auf die Gefahren hinweisen“, sagt der Präventionsbeamte Hermann Volkert. „Dazu gehört auch, ihnen klarzumachen, wie wichtig es ist, in der dunklen Jahreszeit gesehen zu werden“, fügt er hinzu. Die Beamten verteilen bei dem Training an die Erstklässler Reflektoren, die sie an ihrem Schulranzen befestigen können – zusätzlich zu den Reflektorstreifen, die an den meisten Modellen angebracht sind. „Viele Kinderjacken und nahezu alle Schulranzen haben ja solche Reflektorenflächen“, sagt die Schulwegbeauftragte Susanne Putzien.

Die Polizei verschenkt Reflektoren, der Verkehrswacht Mützen

Trotz all der Bemühungen um die Sicherheit der Kinder hat die Polizei am Dienstag einen Schulwegunfall in Botnang aufnehmen müssen. Zum Glück sei der Siebenjährige mit ein paar leichten Schrammen davongekommen und nicht ernsthaft verletzt worden. „Er ging unachtsam zwischen geparkten Autos auf die Straße“, heißt es im Unfallbericht der Polizei. Die Anwohner wittern noch eine zweite Ursache: Auf der Corellistraße, wo sich der Unfall zutrug, herrsche zu Schulbeginn immer reger Elterntaxiverkehr. „Wir sehen das jeden Morgen und haben immer Angst, dass etwas passiert“, sagt eine Augenzeugin des Unfalls. Sie beobachte, dass viele Eltern zwar sehr vorsichtig zur Schule fahren würden. „Aber wenn der Nachwuchs ausgestiegen ist, geben sie Gas, weil sie Zeitdruck haben und zur Arbeit müssen.“

Als Anwohnerin und Mutter appelliere sie daher eindringlich an andere Eltern, ihre Kinder zu Fuß zur Schule zu schicken. „Unsere Tochter hat sogar immer eine Klassenkameradin heimgebracht, damit sie auch einen etwas längeren Fußweg hat, weil wir auch damals schon in der Straße wohnten, wo ihre Grundschule war“, sagt die Mutter aus Botnang.

Den Appell unterstützt die Schulwegbeauftragte der Stadt: „Kinder müssen lernen, mit Gefahren umzugehen. Das lernen sie nicht, wenn man sie immer nur geschützt im Auto von einem Ort zum anderen gefahren werden. Sie müssen üben“, betont Susanne Putzien. Auf dem Schulwegplan der Stadt seien daher immer Hinweise, wie man den Schulweg übe.