Guck mal: Ein Polizist zeigt im Fasanenhof, wie man sicher über die Straße kommt Foto: Max Kovalenko

Grundschulkinder sind immer seltener zu Fuß zur Schule unterwegs – und viele können als Viertklässler nicht einmal Rad fahren. Vor dem Beginn des neuen Schuljahres nächste Woche haben ADAC und Polizei appelliert, auf Schulwegen auf das Elterntaxi zu verzichten.

Stuttgart - Eigentlich müsste die Fasanenhofschule im gleichnamigen Stadtteil ein Idyll sein. Die Verkehrswege drum herum sind Wohnstraßen mit Tempo-30-Regelung, eine neue Engstelle vor dem Schuleingang macht die Überquerung der Fahrbahn zum Katzensprung. „Leider“, sagt die Schulleiterin Corinna Emeling, „halten sich viele Autofahrer nicht an Tempo 30, und die bauliche Verengung wird als Parkplatz missbraucht.“ Hier müssten dringend Poller aufgestellt werden, damit Kinder sicher über die Straße kommen.

Sicherheit auf Schulwegen: Am Dienstag stand die Ganztagsschule mit 210 Schülern im Möhringer Stadtteil Fasanenhof im Blickpunkt der gemeinsamen Aktion von ADAC und Stuttgarter Polizei, die es seit 30 Jahren gibt. Und wie immer geht es dabei nicht allein um die Erstklässler, die demnächst auf den Stuttgarter Schulwegen unterwegs sein werden – sondern vor allem um die Autofahrer. Für den Vorsitzenden des ADAC Württemberg, Dieter Roßkopf, sind viele Probleme auf den Straßen vor den Schulen hausgemacht: „Wir kriegen diese Elterntaxis einfach nicht los“, sagt er, „dabei ist das die liebloseste Art, Kinder in die Schule zu schaffen.“

Immer wieder kommt es bei diesem Hol- und Bringservice der Eltern zu gefährlichen Situationen. Bei einer Studie der Universität Wuppertal hat sich gezeigt, dass fast zwei Drittel der Grundschulen ein deutliches Problem mit dem Elterntaxi-Verkehr haben. „Eine negative Entwicklung“, so Roßkopf. Waren 1976 und 1986 noch gut 90 Prozent der Schüler eigenständig auf dem Weg zur Schule, sank diese Zahl 2010 auf nur noch 50 Prozent.

Die Motive der Eltern hatte der ADAC 2013 bei einer Befragung erhoben: „Schutz vor Belästigungen und Bedrohungen“ oder ein „zu gefährlicher Radweg“ waren mit über 50 Prozent die am häufigsten genannten Gründe. Weniger eine Rolle spielte offenbar das Argument „Busfahrt zu teuer“ und „Haltestelle zu weit entfernt“. Roßkopf appellierte an die Kommunen, notfalls eine sogenannte Hol- und Bringzone einzurichten, um den Elterntaxi-Verkehr zu kanalisieren und den Kindern wenigstens einen 250-Meter-Fußweg zu ermöglichen.

Verschiedene Versuche dazu gibt es im Land bereits. Etwa mit einem „Elternhalt“ in Karlsruhe. „Besonders radikal ist eine Lösung in Creglingen im Main-Tauber-Kreis“, sagt ADAC-Sprecher Reimund Elbe, „dort wird die Zufahrt während der Schulzeit mit einer Schranke abgeriegelt.“

Freilich: Auch Hol- und Bringzonen abseits der Schule müssen von den Eltern erst einmal angenommen werden. Die Silcherschule in Zuffenhausen, die über ein Zubringerchaos in der Sackgasse der Schwabbacher Straße klagt, muss feststellen: „Leider sind manche Eltern uneinsichtig“, so Rektorin Dorothea Maar, „und fahren trotzdem direkt vors Schultor.“

Immerhin halten sich die Schulwegunfälle in Grenzen, wie der Stuttgarter Vize-Polizeipräsident Norbert Walz feststellt. Die Zahl sank letztes Jahr von 19 auf 16. „Bei nahezu 50 000 Schülern ist diese Quote sehr erfreulich“, so Walz. Die Zahl der Unfälle mit verletzten Kindern sei im vergangenen Jahr von 124 auf 99 gesunken – „dem niedrigsten Wert seit zehn Jahren“. Die Polizei werde den Schuljahresbeginn wieder mit Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen begleiten. Das soll vor allem von Beamten der Reviere und der Einsatzhundertschaft bewältigt werden.

Bis Dezember sollen auch alle Stuttgarter Erstklässler ihr Schulwegtraining absolviert haben. Letztes Jahr waren das immerhin 4500. Ob die Verkehrserzieher der Stuttgarter Polizei das diesmal auch schaffen, ist fraglich: Von den 17 Stellen ist ein Großteil nicht besetzt, außerdem werden in nächster Zeit etliche Abgänge zu verkraften sein.