Ganz schön was los: Die Kreuzung an der Waldschule in Degerloch ist morgens stark frequentiert und sehr unübersichtlich. Foto: Lg/Max Kovalenko

Der Schulweg ist für viele Kinder der erste längere Weg alleine. Nicht immer ist er allerdings sicher. Vor der Waldschule in Stuttgart-Degerloch müssen Schüler beispielsweise besonders gut aufpassen. Doch tun sie das?

Degerloch - Morgens, halb acht, an der Waldschule in Degerloch. An der Kreuzung Königsträßle – Löwenstraße/Georgiiweg ist die Lage angespannt. Wer hat hier denn Vorfahrt? Rechts vor links – oder Groß vor Klein? Das betrifft vor allem die Kinder, die zu Fuß die Kreuzung queren, und die von den Erwachsenen in den Autos nur zu gerne „übersehen“ werden. Die Jungen und Mädchen sind denn auch die Leidtragenden, die sich ihren Weg zur Waldschule regelrecht durch das Verkehrschaos schlagen müssen. Denn die Straßen vor der Schule gleichen fast einer Kampfzone.

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Patrick Wahler, dessen Sohn in die erste Klasse der Waldschule geht, stellt täglich fest, dass die Situation „relativ hektisch ist“, wenn er sein Kind zur Schule bringt. „Besonders an der Kreuzung Königsträßle – Löwenstraße/Georgiiweg, stehen oft vier Autos, zwei Fahrräder, ein Roller und fünf Kinder – und keiner weiß, wer Vorfahrt hat.“ Momentan wird der Junge immer noch von seinen Eltern zur Waldschule gebracht, Wahler hätte „durchaus Bauschmerzen bei dem Gedanken“, dass sein Sohn dort alleine über die Straße müsste. Er habe schon mit vielen anderen Eltern über das Thema diskutiert. Viele würden sich Sorgen machen, einige forderten, dass Maßnahmen ergriffen werden.

Vor fast allen Grundschulen wurde das Tempo herabgesetzt

Auch an anderen Stuttgarter Grundschulen gibt es immer wieder Beanstandungen zum Thema Schulwege, entweder von Seiten der Schule oder der Eltern. Pauschale Lösungen gebe es allerdings nicht: „Wir müssen uns die Situation immer vor Ort anschauen und dann eine individuelle Lösung finden“, sagt Claudia Rexer. Sie ist die Schulwegbeauftragte der Stadt Stuttgart. „Wenn wir auf Mängel stoßen, ergreifen wir natürlich Maßnahmen, um diese zu beheben.“ Für die sichere Gestaltung von Schulwegen werde von allen verkehrsregelnden und baulichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, betont Claudia Rexer.

Eine Maßnahme, die man allerdings an allen Grundschulen gleichermaßen umzusetzen versucht hat, ist, dass – wenn möglich – auf den Straßen vor dem jeweiligen Schulgebäude die Geschwindigkeit auf Tempo 30 herabgesetzt wurde. Dazu wurden im Jahr 2015 alle 73 städtischen Grundschulen im Stadtgebiet dahingehend überprüft, ob sie an Hauptverkehrsstraßen lagen. Das Ergebnis: Die meisten lagen bereits an temporeduzierten Straßen. Bei den 20 Grundschulen, die an Hauptverkehrsstraßen lagen, wurde geprüft, wo der Bereich des unmittelbaren Schulzugangs lag, ob die Herabsetzung des Tempos einen zusätzlichen Sicherheitsgewinn darstellen würde und ob andere, den Verkehr weniger einschränkende Maßnahmen möglich wären. Vor 17 Schulen wurde die Geschwindigkeit herabgesetzt. Bei drei Schulen sei es nicht möglich oder notwendig gewesen: Bei der Riedseeschule, um die Außenstelle der Riedseeschule beim Königin-Charlotte-Gymnasium sowie um die Uhlandschule in Zuffenhausen-Rot.

An der Waldschule wird nun ein Zebrastreifen eingerichtet

An der Waldschule bleibt indes die Kreuzung unübersichtlich. Bisher. Denn um die Situation zu entspannen, hat die Stadt beschlossen, einen Zebrastreifen einzurichten. Die Prüfung und Abstimmung mit allen städtischen Ämtern ist bereits abgeschlossen, derzeit läuft die Planung zur Umsetzung. Die Ausführung ist nach Auskunft des Tiefbauamtes in der ersten Jahreshälfte 2022 vorgesehen. „Lange Zeit war die Querung Königsträßle kein Problem“, sagt Rexer. Als im Jahr 2018 die Grundschule dazukam, hätte sich die Situation geändert: „Für kleine Kinder ist das natürlich schwieriger, außerdem kommen die ganzen Elterntaxen hinzu, die die Situation in der Form erst heraufbeschwören“, so Rexer.

Sie erklärt, wie man das Problem lösen will – und auch, wie schwierig das sei: „Von der Löwenstraße kommend ist die Querung des Königsträßle nötig, um in den Georgiiweg und zur Schule zu gelangen. Es geht aber nicht, einen Zebrastreifen direkt an die Kreuzung zu legen.“ Deshalb müsse er das Königsträßle ein paar Meter weiter oben, in Richtung Jahnstraße hin, queren. „Das ist dann aber nicht mehr der direkte Laufweg der Kinder, das heißt, dass zumindest größere Kinder weiterhin so über die Straße laufen werden“, sagt Rexer. „Das ist eine schwierige Situation – da muss man abwägen.“

Waldschule wünscht sich zwei weitere Zebrastreifen

Kerstin Vollmer, Schulleiterin der Grundschule, wünscht sich dringend zwei weitere Zebrastreifen: Einer soll über den Keßlerweg führen. Der andere soll vom Haupteingang der Waldschule aus über den Georgiiweg zum Spielplatz gehen. Rexer sagt aber: „Aus rechtlichen Gründen dürfen wir nur dort einen Zebrastreifen bauen, wo zur Spitzenstunde mindestens 200 Autos fahren.

Der Georgiiweg ist eine Sackgasse, der Keßlerweg eine Einbahnstraße, in der eine Höchstgeschwindigkeit von Tempo 30 gilt und die auch nicht viel befahren ist – da sehen ich keine Chance.“ Allerdings sei es möglich, über andere bauliche Maßnahmen nachzudenken. Rexer bietet an, dass, wenn die Schule Interesse hat, jemand vom Tiefbauamt sich die Lage anschauen könne.

Hintergrund

Schulwegunfälle
Im Jahr 2020 gab es in Stuttgart acht Unfälle auf dem Schulweg, 2019 waren es 16 und 2018 elf Unfälle.

Waldau
Das Sport- und Erholungsgebiet soll umstrukturiert werden, dabei wird auch über den Verkehr nachgedacht, hieß es im Oktober im Sportausschuss.

Lotsen Alle Schulen haben die Möglichkeit, Lotsen einzusetzen. Das können Erwachsene oder Schüler sein, die mindestens 13 Jahre alt sind. Es ist ein Ehrenamt, die Lotsen werden von der Polizei ausgebildet und von der Verkehrswacht ausgestattet.

Schulwegpläne Eine wichtiges Hilfsmittel für Eltern und Kinder sind Schulwegpläne, die es für alle staatlichen Grundschulen gibt und die im Internet abrufbar sind (https://www.stuttgart.de/leben/mobilitaet/fussgaenger/zu-fuss-zur-schule/schulwegplaene.php). Dafür werden von Seiten der Stadt die Wege abgegangen und geschaut, wie die Kinder sicher zur Schule kommen. Dabei wird wir nicht immer den kürzesten Weg, sondern den sichersten gewählt.

Weitere mögliche bauliche Maßnahmen Anstelle eines Zebrastreifens könnte man eventuell eine Gehwegüberfahrt bauen: Diese erzeugt eine bauliche Situation, in der die Fahrzeuge einen Weg kreuzen und nicht die zu Fußgehenden eine Fahrbahn. Das heißt: Autofahrer müssen die Vorfahrt achten, das Kind hat Vorrang. Auch Gehwegnasen sind denkbar: Wenn etwa rechtsseitig geparkt wird und die Kinder wegen der Autos die Fahrbahn nicht einsehen können, kann man den Gehweg vorziehen, sodass die Kinder an den parkenden Autos vorbeischauen können. Auch Halteverbote sind möglich wie auch „ Vorsicht, Kinder“-Schilder.