Nach Schulschluss warten an der Schwabschule schon die Eltern auf den Nachwuchs. Foto: Lg/Julian Rettig

Wenn Eltern ihren Nachwuchs mit dem Auto bis vors Schultor bringen, geht es dort gefährlich zu. Die Aktion „Sicher zu Fuß zur Schule“ bietet Anreize, das Elterntaxi stehen zu lassen.

Stuttgart - Spielende Kinder auf dem Pausenhof und ein paar wartende Mütter vor dem Eingang – die Situation vor der Schwabschule im Stuttgarter Westen am Montagmittag ist entspannt. „Der heutige Tag ist untypisch, weil die Schüler nicht wie sonst alle um 17 Uhr Schulschluss haben“, meint Schulleiterin Elisabeth Tull. „Normalerweise ist hier einiges los.“ Die Ecke Schwabstraße/Bebelstraße ist eine viel befahrene Kreuzung, unmittelbar daneben ist eine Stadtbahn-Haltestelle – diese Situation gehört zum täglichen Schulweg von 380 Schülern der Schwabschule.

Aus Sorge um das Wohl der eigenen Kinder im Straßenverkehr ließen immer weniger Eltern ihre Kinder zur Schule laufen und nähmen stattdessen das Auto, teilt die Stadt Stuttgart mit. Oft würden die Schüler direkt vor der Schultüre abgesetzt. Das erhöhe die Gefahr zunehmend. Hektisch würden Kinder im Halteverbot abgeliefert und zwischen anderen Autos hindurchgelotst.

Nur noch 17 Prozent der Kinder laufen

Während in den 70ern noch 91 Prozent der Kinder ihren Schulweg alleine zurückgelegt hatten, sind es laut Stadt Stuttgart heutzutage nur noch 17 Prozent. „Das eigene Kind loszulassen ist ein schwieriger Schritt für die Eltern“, sagt Schulleiterin Tull. „Sie machen sich Sorgen und fahren lieber.“ Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und die Selbstständigkeit und Gesundheit von Kindern zu fördern, entstand das Gemeinschaftsprojekt „Sicher zu Fuß zur Schule“.

Die Stadt Stuttgart, das Polizeipräsidium und der Förderverein Sicheres und Sauberes Stuttgart e. V. möchten die Kinder zum „Umsteigen“ auf den Fußweg motivieren. In der Woche vom 16. bis 20. April gibt es Belohnungspunkte, wenn die Kinder ihren Schulweg gelaufen sind. Die Klasse mit den meisten gesammelten Punkten gewinnt einen gemeinsamen Ausflug.

Pro Jahr machen 5000 Kinder ein Schulwegtraining

„Die Aktion soll den Kindern Selbstbewusstsein und den Eltern Vertrauen geben“, sagt Klaus Thomas, Vorsitzender des Fördervereins Sicheres und Sauberes Stuttgart e.V. „Man muss den Eltern klarmachen, dass es die Kinder stark macht, wenn sie den Weg alleine meistern“, meint Silke Schmidt-Denker vom Förderverein Kinderfreundliches Stuttgart. „Wir überlegen, wie wir Eltern und Kinder bestmöglich dabei unterstützen können.“ Ein Mittel sei zum Beispiel der Verkehrsführerschein in Kooperation mit der Polizei. Auch diese legt den Fokus auf die Kinder, denn sie seien die schwächste Verkehrsgruppe. „In der ersten Klasse erhält jedes Kind in Stuttgart ein Schulwegtraining. Pro Jahr sind das ungefähr 5000 Kinder“, erzählt Ulrich Sauter, Leiter des Referats Prävention im Polizeipräsidium Stuttgart. Im Jahr 2017 habe es 19 Unfälle auf dem Schulweg gegeben, unter anderem verursacht durch wegfahrende Eltern, die ihre Kinder an der Schule abgeliefert haben. „Eigentlich können wir erst zufrieden sein, wenn die Zahl der Unfälle bei null liegt“, sagt der Leiter des Staatlichen Schulamts Stuttgart, Thomas Schenk.

Dass das Gemeinschaftsprojekt sich auf einem guten Weg befindet, zeigen die Teilnehmerzahlen: Im Jahr 2016 nahmen 5667 Kinder aus 22 Schulen teil, in diesem Jahr sind es 7339 Kinder aus 28 Schulen – eine deutliche Steigerung. Allerdings bedeutet das auch, dass sich 43 der insgesamt 71 Grundschulen nicht an der Aktion beteiligt haben.

Der Elternbeirat der Schwabschule im Stuttgarter Westen befindet die Initiative für wirksam und appelliert an das Staatliche Schulamt, weiter für die Gemeinschaftsaktion zu werben. Schließlich kämen mit jedem Schuljahr neue Schulkinder und ihre Eltern hinzu.