Mal Mutprobe, mal Flucht vor der schulischen Ödnis – wenn Schulschwänzen aber notorisch wird, ist dies für den Werdegang des Kindes gefährlich. Foto: dpa

60 notorische Schulschwänzer drohen der Gesellschaft jedes Jahr verloren zu gehen. Die frühe Intervention rettet die Zukunft von Kindern und Jugendlichen, meint Redakteurin Barbara Czimmer in ihrem Kommentar.

Stuttgart - Die Schule hat ja wohl jeder schon einmal geschwänzt. Mal war es eine Mutprobe, mal die Flucht vor der drohenden Ödnis der Themen. Wie beim ersten Rausch drücken Erwachsene da gern ein Auge zu. Eltern, die gegen die Unlust bei ihren schulpflichtigen Kindern ankämpfen oder deren Tagesablauf wegen Berufstätigkeit nicht so recht im Blick haben können, finden am Schulschwänzen verständlicherweise nichts Niedliches.

Vielmehr beherrscht die Angst um die Zukunft ihrer Kinder ihr Leben, die Furcht, dass sie ihnen entgleiten. Hilflosigkeit macht die Sache nicht besser. Für die Familie ist ein Platz in der so genannten Perspektivegruppe ein Anker und bei der nachgewiesenen Erfolgsquote von fast 90 Prozent auch die Rettung.

Mitarbeiter müssen sich auf mehr Arbeit einstellen

Bei derzeit mehr als 50 000 Schülern in Stuttgart sind jährlich 60 notorische Schulschwänzer wahrlich kein Massenphänomen, der Hilfebedarf in Familien hingegen schon. Seit dem Jahr 2014 steigt die Anzahl der Haushalte und Familien, die Hilfe brauchen oder zur Mitarbeit angehalten werden, um jährlich zwischen 500 und 1000. Je mehr Kontakte, desto mehr Probleme werden offensichtlich. Das heißt, die Beratungszentren müssen sich auf allen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe auf wesentlich mehr Arbeit einstellen.

Hinzu kommen zugezogene Familien aus dem europäischen und nichteuropäischen Ausland, die es in ihren Herkunftsländern vielleicht nicht so ernst genommen haben mit der Schulpflicht. Sie müssen lernen: ohne Schulbesuch kein Abschluss, ohne Schulabschluss kein Job. Ansonsten könnten sich die bisher jährlich 60 Schulverweigerer schnell potenzieren und die Zahl der Arbeitslosen nach oben schnellen lassen.

Gemeinderat sollte zustimmen

Die Fallkonferenzen zwischen Jugendamt, Sozialamt, Staatlichem Schulamt und der Jugendgerichtshilfe sind dringend geboten, weil sie Kindern und Jugendlichen nicht nur jetzt nützen. Vielmehr helfen sie ihnen, als Erwachsene künftig ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben zu führen. Der Gemeinderat sollte die Stadt bei einer solchen Investition in die Zukunft unterstützen.