Ein Notfallseelsorger betritt eine Seelsorgerstelle zur psychologischen Unterstützung bei einer Berufsschule. Foto: dpa

Schulen rufen immer mehr nach Unterstützung durch Psychologen. Doch diese befürchten, dass sie in Zukunft noch mehr Verwaltungsarbeit leisten müssen.

Stuttgart - Das Klima an vielen Schulen im Land wird rauer. Immer mehr Schüler schwänzen über lange Zeiträume, andere fürchten sich vor ihren Mitschülern. Lehrer klagen über gewalttätige Schüler und aggressive Eltern. Der Verband der Schulpsychologen geht davon aus, dass an einer „normalen Schule“ mit 600 Schülern 120 Kinder psychische Auffälligkeiten zeigen und zwischen 30 und 180 Opfer von Mobbing wurden. 30 haben demnach eine Lese-, Rechtschreibschwäche, weitere 30 eine Dyskalkulie. Von 35 Lehrern an der „normalen Schule“ litten elf an Erschöpfung oder psychischen Krankheiten, vier würden überlegen, ihren Beruf aufzugeben.

Dazu kommen hohe Erwartungen an die Schulen, sie sollen die Schüler zu besseren Leistungen führen, neue Lernformen anwenden und die Inklusion behinderter Kinder bewerkstelligen. Zunehmend rufen Bildungspolitiker und Lehrer nach multiprofessionellen Teams an den Schulen. Allen voran nach Sozialarbeitern und Schulpsychologen.

Schulpsychologen befürchten „Kahlschlag“

Doch die Schulpsychologen sind unverhältnismäßig viel mit Verwaltungsarbeit beschäftigt. Das hat der Rechnungshof bereits früher als Geldverschwendung kritisiert. Jetzt könnte der Verwaltungsaufwand noch steigen, befürchtet Nina Großmann, die Vorsitzende des Landesverbands Schulpsychologie Baden-Württemberg.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) arbeitet mit Hochdruck an neuen Strukturen in der Schulverwaltung um die Qualität im Bildungswesen zu verbessern. Doch die Schulpsychologen befürchten, dass ihre Arbeit unter dem geplanten Umbau der Kultusverwaltung leiden wird. „In unserem Verwaltungsbereich könnte ein Kahlschlag vollzogen werden“, sorgt sich Nina Großmann. Es könnte sogar drohen, dass Stellen von Schulpsychologen in Verwaltungsstellen umgewidmet werden. „Dagegen verwahren wir uns“, betont Großmann gegenüber unserer Zeitung.

Rechnerisch kommen im Südwesten rund 7200 Schüler auf einen Schulpsychologen. Das sei viel zu viel. Die Experten halten laut Großmann ein Verhältnis von einem Psychologen auf 1000 Schüler für erforderlich.

Verdoppelung der Stellen verlangt

Doch jetzt will der Verband zunächst die Verwaltung sichern. Gerade mal 18 volle Verwaltungsstellen seien in den 29 Schulpsychologischen Beratungsstellen momentan besetzt, rechnet Großmann vor. Das Minimum wäre aus Sicht des Verbandes aber 38 Stellen. Dann käme auf vier Schulpsychologen rechnerisch eine Verwaltungsstelle.

Bisher haben die Schulpsychologischen Beratungsstellen bei Verwaltungsreformen im Land stets verloren, ruft Großmann in Erinnerung. 2004 hatten sie demnach noch 33 Verwaltungsstellen. Dann kamen sie von den Oberschulämtern an die Landratsämter und hatten nur noch 27 Stellen. Fünf Jahre später wurden die staatlichen Schulämter aus den Landratsämtern herausgelöst, die 27 Stellen wurden nicht mehr gesondert für die Beratungsstellen geführt, jetzt seien noch 18 Stellen besetzt. Den neuen Verwaltungsumbau sieht Großmann mit Sorge.

Kultusministerin zeigt Verständnis

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) zeigt Verständnis. Die Beratungsstellen werden künftig im neuen Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) verortet, doch die „Beratungsleistungen werden weiterhin an den bisherigen Standorten angeboten werden“, teilt das Ministerium auf Anfrage mit.

„Die Schulpsychologen brauchen zwingend Verwaltungskräfte, die ihnen den Rücken freihalten, damit sie ihren wichtigen Aufgaben in der Diagnostik und Beratung von Schülern, Eltern, Familien und Lehrkräften nachgehen können“, sagte Eisenmann unserer Zeitung. „Deshalb werden wir alles dafür tun, dass die schulpsychologischen Beratungsstellen auch künftig mit genügend Verwaltungsstellen ausgestattet sein werden“, so die Ministerin. Ziel der Qualitätsreform sei es ja gerade, die Beratungs- und Unterstützungsleistungen für Schulen zu verbessern. Dass verlässliche und effiziente Verwaltungsstrukturen dafür eine besondere Rolle spielen, liege auf der Hand.

Nina Großmann findet, die Schulpsychologen seien im Kultusministerium bisher immer auf Verständnis gestoßen seien. Allerdings müsse das Verständnis im Finanzministerium wohl noch geweckt werden.