Ist auf den Schulstart so gespannt wie ihre Schüler: Betül Kirac Foto: factum/Weise

Nicht nur für Schüler beginnt das neue Schuljahr, auch für Betül Kirac beginnt an diesem Montag der Ernst des Lebens. An der Schwieberdinger Glemstalschule tritt die junge Lehrerin ihre erste Stelle an. Ihre Fünftklässler können sich schon mal freuen.

Schwieberdingen – - Über Schule wird viel geredet – viel zu oft geht es darum, dass Unterricht ausfällt, Eltern Lehrer das Leben schwer machen, und Schüler immer komplizierter werden. Betül Kirac schreckt das nicht. An diesem Montag hat die 32-Jährige ihren ersten Arbeitstag. Im Gespräch erzählt sie, was ihre Schüler erwartet, wie ein guter Lehrer sein sollte und was ihre Lieblingslehrerin ausgemacht hat.
Frau Kirac, warum wollen Sie Lehrerin sein?
Weil es schön ist, zu sehen, wie Kinder etwas Neues lernen. Es ist eine Freude, mit ihnen zu arbeiten. Sie sind neugierig und bringen eigene Gedanken und Ideen. Das gefällt mir.
Was erwartet Ihre Schüler?
Ich bin nett, aber wenn es sein muss bin ich streng. Mit mir kann man über alles reden, meine Schüler brauchen keine Angst vor mir zu haben. Aber Respekt, den sollen sie haben.
Sie haben Deutsch und Philosophie/Ethik studiert, unterrichten werden Sie aber auch Geschichte und EWG, also Erdkunde, Wirtschaftslehre, Gemeinschaftskunde. Wie sehr gruselt es Ihnen davor?
Gar nicht. Es stimmt schon, in Erdkunde und EWG bin ich fachfremd, aber da muss ich mich eben einlernen. Das muss mal als Lehrer ja immer machen, man ist nicht in allen Gebieten permanent topfit. Und im Referendariat macht man ja auch nichts anderes. Man kommt aus einem wissenschaftlichen Studium, aber darüber, wie man Schülern Stoff vermittelt, weiß man noch nicht viel.
Und jetzt?
Jetzt weiß ich mehr. Vor allem, dass man alles lernen kann. Am Anfang des Referendariats zum Beispiel dachte ich, ich werde es nie schaffen, einen Unterricht schnell vorzubereiten. Für eine Schulstunde braucht man als Anfänger ewig viel Zeit. Aber während des Unterrichtens selbst habe ich gemerkt, wie es doch geht. Wenn man alles abrufen kann, was man theoretisch gelernt hat. Und wenn man merkt, dass es auch andere Wege zum Ziel gibt.
Was macht einen guten Lehrer aus?
Fachkompetenz ist wichtig – aber noch wichtiger finde ich Sozialkompetenz. Dass man sich auf die Schüler einlassen kann und empathiefähig ist. Wenn man mit Menschen arbeitet, kann man nicht wie ein Stein sein oder wie ein Roboter. Ein guter Lehrer versucht, Wissen zu vermitteln, lässt aber neue Ideen zu. In einem guten Unterricht, gibt es ein Miteinander zwischen Lehrer und Schülern.
Haben Sie als Schülerin einen Lieblingslehrer gehabt ?
Ja, meine Klassenlehrerin in der siebten und achten Klasse. Frau Würth hieß sie, und sie hat mich sehr geprägt. Sie war so engagiert, hat so tolle Sachen mit uns gemacht, daran denke ich noch heute zurück. Sie hat mit uns über Drogen gesprochen, über Sexualität, wir haben mal eine echtes Schweineherz untersucht, und im Schullandheim haben wir eine Kanutour gemacht – das war so cool.
Das Klischee zeichnet Lehrer noch immer als faul. Ärgert Sie das?
Anfangs hat es mich geärgert. Mittlerweise weiß ich, was ich alles arbeite. Sollen die Leute denken, was sie wollen.
Sie sind eigentlich Gymnasiallehrerin, nun unterrichten Sie an einer Gemeinschaftsschule. Wollten Sie das?
Ja, warum nicht?
Ich hoffe, dass eine kommt. Aber jetzt bin ich erst mal zufrieden, freue mich auf die Schüler und warte ab, was sich entwickelt.
Schon jetzt ist klar, dass im neuen Schuljahr landesweit wieder viel Unterricht ausfallen wird. Viele Stellen sind unbesetzt, und dass im Winter, wie überall, Kollegen krank werden, ist vorhersehbar. Schockt Sie das?
Nein. An meiner Ausbildungsschule sind letztes Jahr sehr viele Frauen schwanger gewesen, man wusste also, dass sie ausfallen werden. Das Schulleitungsteam hat alles mögliche versucht, um den Verlust aufzufangen – aber die neuen Leute kamen erst gegen Ende des Schuljahres.
Warum?
Vielleicht macht es die Bürokratie unnötig kompliziert. Aber ich vermute eher, dass es am Geld liegt. Lehrer selbst gibt es ja. Viele meiner Kommilitonen, und auch ich, haben lange nicht gewusst, ob wir eine Stelle bekommen, manche sind in ein anderes Bundesland, weil sie dort eine Zusage hatten. Und jetzt sind viele Stellen nicht besetzt? Das verstehe ich nicht.
Was wünschen Sie sich von den Schülern?
Dass sie sich respektvoll behandeln, sich nicht verprügeln oder beschimpfen.
Was ist das Wichtigste, was Sie ihren Schülern beibringen wollen?
Mit offenen Augen durchs Leben zu gehen. Nicht alles glauben, was sie hören, sehen oder mitbekommen, sondern kritisch hinterfragen. Das eigene Hirn nutzen.

Leben, Lernen, Lehren

Persönlich
Betül Kirac, 32, hat in Tübingen Deutsch und Philosophie/Ethik auf Lehramt am Gymnasium studiert. Ihr Referendariat absolvierte sie am Andreae Gymnasium in Herrenberg (Kreis Böblingen). An der Glemstalschule wird sie eine von zwei Klassenlehrerinnen einer fünften Klasse sein. Betül Kirac, die seit Freitag Beamtin ist, hat einen elf Jahre alten Sohn, den sie alleine erzieht.

Amtlich
Mit einer Feier im Ludwigsburger Schloss sind am Freitagmorgen die Lehrkräfte begrüßt worden, die nun ihren Dienst im Kreis Ludwigsburg beginnen. Die 224 Männer und Frauen sind verteilt auf 133 Grund-, Werkreal, Gemeinschafts- und Realschulen sowie den Sonderpädagogischen Einrichtungen. Kultusministerin Susanne Eisenmann rechnet wegen Lehrermangels landesweit schon jetzt wieder mit Unterrichtsausfällen.