Bei vielen Schulsanierungen kommt es zu Verzögerungen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowsk/i

Mit mehr Personal, einer schnellen Eingreiftruppe und neuen Abläufen will Stuttgart der Hängepartie im Schulbau zu Leibe rücken. Doch es fehlt an Bewerbern, es kommen immer neue Schadensfälle hinzu. Schulleiter sehen Stuttgart auch bei der Digitalisierung im Rückstand.

Immer wieder haben die Stuttgarter Schulleiter wegen des Sanierungsstaus Alarm geschlagen und eine raschere Umsetzung der Maßnahmen verlangt – zuletzt vor drei Jahren. „Es müsste ein Konzept her, das die Schulsanierungen in die Breite bringt“, meinte kürzlich Manfred Birk, der kommissarische geschäftsführende Leiter der Stuttgarter Gymnasien, mit Blick auf die vielen maroden Schulhäuser, die Verzögerungen der Baumaßnahmen und den Bedarf an digitaler Aufrüstung. Der Hilferuf wurde gehört, die Umsetzung ist zäh. Andreas Hein, der Leiter des Schulverwaltungsamts, erklärt, was künftig anders laufen soll und wo es klemmt.

Neue Aufgaben und ein „fataler Sanierungsstau“

„Die Wünsche der Schulleiter waren für mich der Aufhänger, dass wir das Thema Organisation im Amt angucken müssen“, erklärt Hein im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn dessen Aufgabenspektrum habe sich rasant verändert. „Die Masse der Baumaßnahmen hat sich erhöht, die Geschwindigkeit der pädagogischen und rechtlichen Veränderungen erfolgt in immer dichterer Taktung“, berichtet der Amtsleiter. Neue Schularten, der Ganztag, die Abschaffung der Grundschulempfehlung, die Digitalisierung und dazuhin ein „fataler Sanierungsstau“: Das Sanierungsprogramm umfasse 512 Millionen Euro, das Investitionsprogramm für Neu- und Erweiterungsbauten 1,8 Milliarden – in der Summe also 2,3 Milliarden. „Das ist bei 160 Schulen eine Herausforderung“, so Hein.

Weshalb es zu Verzögerungen kommt

Zum ursprünglichen Sanierungsprogramm kamen und kommen ständig neue notwendige Maßnahmen und Schadensfälle hinzu. Das bedeutet Zeitverzögerungen, Kostenerhöhungen und enttäuschte Schulgemeinschaften. 195 Maßnahmen wurden zurückgestellt. Auch die Planungsvorläufe seien länger geworden. Grund seien strengere Bundes- und Landesgesetze, etwa zur Energieeinsparung, aber auch zum Artenschutz. Auch Nachbarschaftskonflikte hätten zugenommen, gerichtliche Auseinandersetzungen, wie etwa beim Ebelu, kosten zusätzlich Zeit. Oft seien Schulen von einer Teil- in eine Generalsanierung gerutscht, auch durch die Anforderungen der Digitalisierung.

Neue Stellen, aber zu wenig Bewerber

Vor allem aber: Das Personal reichte nicht aus, um all diese Aufgaben zu bewältigen. Dass der Gemeinderat nachgesteuert hat, „das war der Schlüssel“, sagt Hein. Allerdings seien von den 75 zusätzlichen Stellen aus den Haushalten 2020/21 und 2022/23 immer noch 25 unbesetzt. Es fehle vor allem an Bewerbern für den IT-Bereich, also den Ausbau des Schul-WLAN, und für die Infrastrukturplanung. Einige Stellen seien seit 2020 ausgeschrieben. „Wir können mit dem freien Markt nicht mithalten.“ Grund sei das Tarifgefüge im öffentlichen Dienst. Im Schulbeirat räumte Hein ein, auch Räume für die neuen Mitarbeiter zu finden sei „eine Herausforderung“. Da sei Homeoffice die Rettung.

Schnelle Eingreiftruppe für kleinere Maßnahmen

Zwei Wünsche der Schulleiter werden etwas schneller in Erfüllung gehen. Erstens: klare Ansprechpartner bei Baumaßnahmen. „Wir hoffen, dass wir das im Laufe des Herbstes umgesetzt bekommen“, meint Hein. Denn im Schulverwaltungsamt werden die Zuständigkeiten neu nach Themenfeldern und regionalen Bezirken geordnet. Zweitens hatten sich die Schulen gewünscht, kleinere Baumaßnahmen in Eigenregie durchzuführen. Das sei zwar nicht geplant, aber man werde für derartige Einsätze eine „schnelle Eingreiftruppe“ mit acht Handwerkerstellen einrichten, kündigte Hein an.

Schulen rangeln um Priorisierung

Bei den Schulen kommen die Bemühungen gut an. „Die Marschrichtung ist wichtig und richtig“, meint Birk, auch die schnelle Einsatztruppe mit den Handwerkern sieht er „durchaus in unserem Sinn auf die Reihe gebracht“. Allerdings erfolgten die Schulsanierungen „schon jetzt zu langsam für das, was an Digitalisierung notwendig wäre“, sagt der Gymnasialrektor. Die Stadt sei mit ihrem Plan „über fünf Jahre im Verzug“. Als Nadelöhr sieht er das Interimsgebäude – ein Modulschulzentrum, das in Möhringen entstehen soll. „Jetzt beginnt die Rangelei um Priorisierungen.“ Das Problem stelle sich auch in der Innenstadt: „Wo bringt man während der Sanierungen die Klassen unter?“ Denn das Interim könnten Schulen ja nur nacheinander benutzen – „es muss mehr gleichzeitig passieren“, fordert Birk. „Schulen, die spät dran sind, gucken in die Röhre.“

Stuttgart bei Digitalisierung im Hintertreffen

In die Röhre guckten auch die Schüler. „Unsere SMV hat ein Gäste-WLAN beantragt, damit Schüler mit ihren eigenen Geräten ins Netz können“, berichtet Birk von seinem Dillmann-Gymnasium. Dies habe die Stadt aus Sicherheitsgründen abgelehnt. „Unsere Schüler fragen sich, weshalb an einer Schule nicht geht, was an einer städtischen Klinik Standard ist.“ Auch an Gymnasien in anderen Kommunen sei das möglich, etwa in Esslingen. Birk findet: „Das bringt die städtischen Schulen in Stuttgart ins Hintertreffen.“ Auch beim Download fürs pädagogische Netz von schuleigenen Geräten aus klemme es noch. Da fehlten die technischen Rahmenbedingungen, um von allen Klassenzimmern aus ins Internet gehen zu können. „Wir können mit der Digitalisierung nicht warten, bis wir irgendwann mit der Schulsanierung dran sind“, so Birk.

„Das Geld ist da. Warum wird es nicht verbaut? Das ist aus Sicht der Schulen, der Schüler, Lehrer, Eltern nicht verständlich“, sagt Birk. „Die Landeshauptstadt ist gegenüber umliegenden Kommunen in erheblichen Rückstand geraten.“ Wenn es nicht möglich sei, das nötige Personal ins Amt zu holen, weshalb vergebe man die Aufgaben nicht extern, fragt sich der Schulleiter. Bei größeren Projekten geschehe das bereits, so Hein. Bei laufenden Veränderungen halte er es für effizienter, mit festem Personal zu arbeiten. Ziel sei, 20 Millionen Euro im Jahr zu verbauen. „Schneller“, meint Hein, „geht’s nicht.“

Eltern wünschen sich von den Zuständigen mehr Tempo

Das geht auch den Eltern zu langsam. Trotz der personellen Aufstockung und der Umstrukturierungen „werden wir leider noch lange hinterherhinken“, sagt Manja Reinholdt, die Vorsitzendes des Gesamtelternbeirats. Sie kritisiert, dass es immer wieder an Klassenräumen, Mensen und Ausweichflächen bei Sanierungen fehle, dass Container auf dem Schulhof zur Dauerlösung würden wie etwa im Lindenschulviertel und dass dort eine wegen Sanierung zu schließende Sporthalle nicht gut zu den zugehörigen Eliteschulen des Sports passe – „ein wesentliches Auswahlkriterium für die Schulwahl“. Mit Blick auf weitere Verzögerungen durch klagende Nachbarn wünscht sie sich „dringend mehr Kinderfreundlichkeit“.