An der Rappachschule in Giebel können Schüler künftig auch den Werkrealschulabschluss machen. Foto: Leonie Hemminger

Alle Hauptschulen im Stuttgarter Norden werden vom kommenden Schuljahr an zu Werkrealschulen. Dort können Schüler künftig sowohl den Haupt- als auch den Werkrealschulabschluss machten.

Stuttgarter Norden - Lange haben Elternvertreter dafür gekämpft, dass Weilimdorf eine Werkrealschule bekommt. Denn als die neue Schulart eingeführt wurde, war zunächst keine der drei ansässigen Hauptschulen berücksichtigt worden. Erst mit einem Jahr Verspätung wurde die Wolfbuschschule im Schuljahr 2011/12 schließlich doch Werkrealschule, da sie dank einiger Umschichtungen im Einzugsgebiet die geforderte Schülerzahl aufbrachte.

Nun ändert sich die Situation erneut. Vom kommenden Schuljahr an wird es in Weilimdorf nicht mehr nur eine, sondern drei Werkrealschulen geben: Neben der Wolfbusch- dürfen sich auch die Rappach- und die Reisachschule so nennen. Dabei handelt es sich um keinen Weilimdorfer Spezialfall, sondern: „Alle Hauptschulen bekommen vom nächsten Schuljahr an den Werkrealschultitel“, sagt die Leiterin des staatlichen Schulamts Ulrike Brittinger. Lediglich auf dem Land würden einzelne Hauptschulen bestehen bleiben, die zu wenig Schüler hätten, um eine zehnte Klasse zu bilden. „Auch die bisherige Hauptschule war keine Sackgasse. Aber jetzt wird die Hürde zu einem mittleren Bildungsabschluss noch niedriger“, sagt Brittinger.

Gemischter Unterricht

An der Rappachschule haben sich nach derzeitigem Stand etwa 22 Schüler für die zehnte Klasse angemeldet; davon 17 für den Werkrealschul- und fünf für den Hauptschulabschluss, der bei Wunsch künftig ebenfalls erst nach zehn Schuljahren gemacht werden kann. „18 Schüler kommen aus unseren eigenen Reihen, die restlichen stoßen von außerhalb dazu, auch von Gymnasien oder Realschulen“, sagt die Schulleiterin Sigrid Walter. Die Schüler werden gemeinsam in einer Klasse unterrichtet – egal für welchen Abschluss sie sich angemeldet haben. An einem Praxistag pro Woche werden die Hauptschüler eine ortsansässige Firma aufsuchen, um Berufserfahrung zu sammeln. Die Werkrealschüler lernen an diesem Tag den zusätzlichen Stoff, der für ihren Abschluss vorausgesetzt wird.

Die Rektorin Sigrid Walter ist zuversichtlich, dass die neue Regelung gut funktionieren wird. „Die Lehrer, die die zehnte Klasse unterrichten werden, sind sehr engagiert. Wir können das gut hinkriegen“, sagt sie. Da sich wegen des Wegfalls der verbindlichen Grundschulempfehlung weniger Fünftklässler angemeldet haben, gebe es weder ein Raum- noch ein Personalproblem. Obwohl auch die Reisachschule zur Werkrealschule umgenannt wird, wird es dort im September keine zehnte Klasse geben. Denn mittelfristig soll dort nur die Grundschule fortbestehen. Fünf Reisachschüler, die den Werkrealschulabschluss anstreben, wechseln daher an die Wolfbuschschule. Dort haben sich bislang 22 Schüler für den Werkrealschul- sowie zwei für den Hauptschulabschluss nach der zehnten Klasse angemeldet.

„Der Unterricht ändert sich dadurch nicht“

Auch die Stammheimer Hauptschule trägt im kommenden Schuljahr den Titel Werkrealschule. Die baulichen Voraussetzungen erfüllt sie, seit der Fachbau saniert wurde. Allerdings fehlen ihr Schüler in den unteren Jahrgängen. Daher wird es nach den Ferien keine fünfte Klasse geben. Offen ist noch, ob die Schule mittelfristig zu einer Realschule oder einer neuartigen, sogenannten Gemeinschaftsschule wird. Die Möglichkeiten sollen in den kommenden Monaten vom Schulamt geprüft werden. „Ich finde es wichtig, dass es in Stammheim eine weiterführende Schule gibt“, sagt Rektorin Angelika Hillmann. Der Titel „Werkrealschule“ sei gut für das Bewusstsein der Eltern und Schüler. „Die Schule wird deshalb anders wahrgenommen. Der Unterricht ändert sich durch den Titel Werkrealschule allerdings nicht“, betont Hillmann.

Die Bismarckschule in Feuerbach ist bereits seit dem vergangenen Schuljahr Ganztages- und Werkrealschule: „Diesmal haben wir 34 Neuanmeldungen“, sagt Schulleiter Gerald Mandl. Die Verwirrung in der Bildungslandschaft sei groß, meint der Rektor: „Im vergangenen Jahr hat man sich noch gefreut, wenn man Werkrealschule wurde. Jetzt ist es plötzlich jeder.“

Bislang waren nur Schulen als Werkrealschule zugelassen, die zweizügig aufgestellt waren. Damit sollte sichergestellt werden, dass sich später genügend Schüler für die zehnte Klasse anmelden. Diese Voraussetzung wird nun fallen gelassen, da das Schulamt vom kommenden Schuljahr an ohnehin mit mehr Jugendlichen rechnet, die den Werkrealschulabschluss anstreben. Der Grund: Es werden mehr Schüler zu dem neu eingeführten Bildungsabschluss zugelassen. Denn bislang war ein Notendurchschnitt von 2,4 die Voraussetzung dafür, die zehnte Klasse einer Werkrealschule besuchen zu dürfen. Diese Zugangsbeschränkung gilt vom kommenden Schuljahr an nicht mehr. Da auch einige Hauptschüler künftig die zehnte Klasse besuchen werden, gibt es laut Ulrike Brittinger künftig doppelt so viele Zehntklässler an den Werkrealschulen wie noch im vergangenen Schuljahr.