Simone Zaiser (li.)und Katharina Bossert De Paz bei der Grundsteinlegung. Foto: Lg/Kovalenko

Nach jahrelanger Planung ist in Stuttgarts Westen der Grundstein für ein Schulzentrum nebst Sporthalle für blinde, seh- und mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche gelegt worden. Damit geht es mit der Barrierefreiheit ein großes Stück voran.

Auf der Baustelle der Nikolauspflege am Kräherwald haben sich am Donnerstag ungewöhnliche Klänge in das Röhren der Baustellenfahrzeuge gemischt: die mit Begeisterung vorgetragene Musik der Nikorocker. Sie machten Stimmung bei der Grundsteinlegung für das Betty-Hirsch-Schulzentrum, an das viele Erwartungen geknüpft sind: Der Wunsch nach einer Schule, in der die Orientierung leichter fällt, nach elektrischen Türen, die funktionieren und dabei auch Geräusche machen, nach einem Pausenhof mit Bänken und dass man sich mit allen treffen kann.

Ein Zentrum für zwei Schulen

Denn noch sind die Betty-Hirsch-Schule 1, ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) mit Internat für Sehbehinderte mit mehrfachen Einschränkungen, und die Betty-Hirsch-Schule 2, eine inklusive Schule für Kinder und Jugendliche mit und ohne Förderbedarf, voneinander getrennt. Wie der Campus aussehen soll, wenn erst einmal alle räumlich beieinander sind, hat Architekt Heinrich Breitsprecher an einem Modell erklärt.

Inhaltlich sieht Anne Reichmann durch die Zusammenlegung die UN-Behindertenrechtskonvention erfüllt: „Die Stiftung muss Teilhabemöglichkeiten schaffen, Barrieren wahrnehmen und abbauen. Was die Kinder hier mitnehmen, wird helfen, die allerschlimmsten Barrieren, das sind die in den Köpfen, abzubauen“, sagte die Vorstandsvorsitzende.

Fürs Darlehn gab es noch gute Konditionen

Bereits 2016 war das Büro Birk, Heilmeyer und Frenzel Architekten mit der Planung beauftrag worden, nun brachte Vorstand Roland Flaig „Freude, Dankbarkeit und Respekt“ zum Ausdruck und das Publikum zum Staunen: „Allein für das Baugesuch habe ich 200 Unterschriften leisten müssen!“ Inzwischen seien 50 Prozent der Aufträge vergeben, nun stehe man vor der Herausforderung, für Technik und Innenausbau kompetente Firmen zu finden, „die das Werk in angemessener Zeit und zu bezahlbaren Preisen vollenden“. Das Darlehen habe man für die Dauer von 30 Jahren abgeschlossen, „heute wäre es doppelt so teuer“, so Roland Flaig. Der Grundstein für das Schulzentrum ist gelegt, der Beton umschließt die Kapsel, in der die oben genannten Schülerwünsche eingeschlossen sind.

Die Grußworte von Gudrun Weichselgartner-Nopper, der Botschafterin für den Neubau, wurden verlesen, die Wünsche für das Schulgebäude skizzierte Architekt Felix Fritz: sanitäre Anlagen und Umkleidebereiche allesamt barrierefrei, an den Fenstern eine tiefere Brüstungshöhe, damit auch Rollstuhlfahrer Ausblick haben, ein Lüftungssystem für alle Klassenzimmer, Beschattungen, die keine irritierenden Lichtreflexe erzeugen, ja sogar eine Pausenhalle ohne hindernde tragende Säulen – „und es hat geklappt dank unserer Tragwerksplaner“.

Eine Halle für den Sport

Im Sommer 2024 soll der barrierefreie Campus fertig sein. Bis dahin müssen sich Simone Zaiser, die Leiterin des Schulzentrums, und Katharina Bossert De Paz, die Leiterin der Betty-Hirsch-Schule, noch gedulden. Aber dann werden auch die Wünsche der älteren Schüler nach der schuleigenen Sporthalle, nach mehr Barrierefreiheit und nach einer besseren Kommunikation zwischen den Schülern – auch digital – erfüllt.

Das Betty-Hirsch-Schulzentrum

Der Bauplatz
Am Kräherwald 271 beginnt im Sommer 2021 der Abriss bestehender Gebäude und der Aushub einer gewaltigen Baugrube. Zehn Meter tief haben sich die Bagger in den Hang gefressen, 25 000 Kubikmeter Aushub mit einem Gewicht von 50 000 Tonnen mussten mit 1500 Lastwagen weggefahren werden.

Die Sicherheit
101 Bohrpfähle mussten in den Boden gerammt werden, damit der Hang gesichert werden konnte und das denkmalgeschützte Jugendstilgebäude aus dem Jahr 1908 keinen Schaden nimmt.

Der Neubau
Das Schulzentrum wird eine Nutzfläche von 5916 Quadratmeter und insgesamt 38 Klassenzimmer haben. 23 der Räume sind auf die Bedürfnisse von mehrfach behinderten Kindern und Jugendlichen zugeschnitten. Unter dem Schulzentrum befindet sich eine teilbare Sport-Multifunktionshalle. Bisher ging man von einem Finanzvolumen von 42 Millionen Euro aus. czi