Otto Fischer war 31 Jahre in verschiedenen Schulleitungsfunktionen tätig. Seit 2011 war er Rektor am Leibniz-Gymnasium. Foto: Georg Friedel

Otto Fischer war 17 Jahre lang Schulleiter des Leibniz-Gymnasiums. Im Interview berichtet er über die zukünftigen Campus-Pläne und den Prozess der Zusammenlegung beider Gymnasien. Gleichzeitig blickt er zurück auf seine berufliche Zeit.

Feuerbach - Otto Fischer ist seit 1986 in verschiedenen Funktionen der Schulleitung tätig gewesen, zunächst als Rektoratsassistent am Königin-Katharina-Stift, ab 1990 als stellvertretender Schulleiter des Solitude-Gymnasiums in Weilimdorf. 2001 übernahm er die Leitung des Leibniz-Gymnasiums. Mit seinem Weggang und der Zusammenlegung der beiden Feuerbacher Gymnasien im kommenden Schuljahr endet auch die Ära des Leibniz-Gymnasiums als eigenständige Schule. Wir haben ihn auch zu den aktuellen Entwicklungen befragt.

Herr Fischer, Sie werden am Freitag offiziell in der Festhalle verabschiedet. Was haben Sie für die Zeit danach geplant?
Ich gebe es ganz offen zu: Es gab bisher keine Zeit, konkret zu planen, was ich danach machen will. Nach dem Abschied brauche ich erst einmal Abstand. Eines habe ich mir fest vorgenommen. Am ersten Schultag nach den Ferien setze ich mich morgens auf eine Waldlichtung und mache Yoga. Erst dann wird es für mich Wirklichkeit, dass es nicht mehr in die Schule zurückgeht.
Werden Sie den Sonnengruß machen?
Nein, ich versuche den Baum.
Scheiden Sie mit Freude oder Wehmut aus dem Amt?
Natürlich ist dieser Abschied mit Wehmut verbunden. Beim Dienstantritt hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich der letzte Schulleiter des Leibniz-Gymnasiums sein werde. Das war natürlich der Entscheidung für die Einrichtung des Schulcampus Feuerbach geschuldet.
Sie hätten sich ja auch gegen diese Entwicklung stemmen können.
Natürlich, aber es war und ist eine auf die Zukunft gerichtete Entscheidung für künftige Schülergenerationen in Feuerbach. Außerdem gab es in diesem demokratisch angelegten Entwicklungsprozess entsprechende Gremienbeschlüsse.
Von wem kam eigentlich der Impuls, einen Schulcampus zu schaffen?
Es war sicherlich nicht so, dass uns dieser Prozess aufs Auge gedrückt wurde, sondern es war eine freie Entscheidung der Schulgremien. Ich war und bin davon überzeugt, dass dieser Innovationsprozess richtig ist.

„Rein personell spart das Land eine Schulleiterstelle“

Bei Unternehmen in der freien Wirtschaft sind die Begleiterscheinungen einer Fusion oft Sparprogramme. Wird dieses Ziel auch hier verfolgt?
Rein personell betrachtet spart das Land durch die Fusion eine Schulleiterstelle und eine stellvertretende Schulleiterstelle. Die sechs Abteilungsleiterstellen bleiben zunächst erhalten, aber am Ende des Prozesses soll es nur noch fünf Abteilungsleiter geben. Auf der Leitungsebene haben wir nach der Fusion also weniger als vorher. Aber dies sind – wie man so schön sagt – Kollateralschäden.
Könnte es weitere Kollateralschäden geben?
Von Pessimisten wird immer mal wieder die sorgenvolle Frage geäußert: Wird das auch beim Bau ein Sparprogramm? Aber da liegt die Verantwortung eindeutig bei der Stadt, dass sie unsere Entscheidung ernst nimmt und das Beste daraus macht.
Gibt es Anlass zur Sorge, dass es ein Sparprogramm werden könnte?
Im Moment gibt es keinen Grund dazu. So wie der Architektenwettbewerb lief und wie uns die Stadt beim Interim unterstützt, kann ich da keinerlei Klage führen. Und nach einem Sparprogramm sieht es derzeit auch nicht aus: Der Campus ist ja offenbar mit geschätzten 67 Millionen Euro das teuerste Schulprojekt in ganz Stuttgart.
2027 soll der Campus fertig sein. Ist dieser Zeitplan einzuhalten?
(Fischer klopft auf den Tisch im Rektorat). Wegen einer Sache habe ich wirklich Sorgen: Wenn ein juristischer Einspruch kommt, dann haben sie gleich ein oder zwei Jahre Zeitverlust.
Droht ein solches Szenario?
Ich bin kein Hellseher, aber ganz frei bin ich von der Sorge auch nicht. Ich wünsche dem Campus, dass er rechtzeitig fertig wird, aber wenn man die Zeitschienen von Großprojekten ansieht, dann muss man schon mit Verzögerungen rechnen. Die eigentlichen Schwierigkeiten liegen ja in der Vorplanung. Sie können bei einem solchen Projekt nicht einfach die Gebäude abreißen und neu bauen.
Was ist während der Interimsphase zu beachten?
Sobald die Baumaßnahmen losgehen, muss ein komplettes dreizügiges Gymnasium in anderen Gebäuden, also wahrscheinlich in Containern, untergebracht werden. Das ist nicht leicht, denn erstens sind Container unheimlich teuer und zweitens müssen sie zwei Jahre im Voraus bestellt werden.
Mit Baumaßnahmen kennen Sie sich offensichtlich gut aus.
In der Tat. Am 1. August 2001 habe ich als Schulleiter im Leibniz-Gymnasium angefangen. Und am 2. August wurde mir dann eröffnet, dass die Decken saniert werden, weil sie teilweise einsturzgefährdet waren. In der Folgezeit kamen viele Baumaßnahmen dazu. Ein Kollege prägte zu Ferienbeginn den Spruch: „Unser Chef wird wieder vom Schulleiter zum Bauleiter.“

„Eines braucht man allerdings bei Bauprojekten: Geduld“

Apropos Bauleitung: Man hört immer wieder, die Stadt habe Schwierigkeiten, ihre Projekte zeitnah umzusetzen.
Im Prinzip stimmt das, aber unsere Wünsche sind alle erfüllt worden. Eines braucht man allerdings bei Bauprojekten: Geduld. Ich bin trotzdem froh, denn ich kann nun dem Campus ein intaktes Haus übergeben. Das einzige, was noch fehlt, ist der Außenanstrich. Ansonsten steht das 106 Jahre alte Haus gut da.
Trotzdem gibt es bei einigen Feuerbachern auch Bedenken, was die Campus-Pläne betrifft. Wenigstens den Namen „Leibniz-Gymnasium“ würde einige gern behalten.
Ich will aus meinem Herzen keine Mördergrube machen: Ich hänge auch an dem Namen. Das wird wohl noch eine schwierige Diskussion werden. Und an der Stelle sage ich ganz offen: Ich bin froh, dass ich vorher aussteigen kann.
Prallen bei der Fusion verschiedenen Traditionen aufeinander?
Sie glauben ja gar nicht, was da für unterschiedliche Schulkulturen gewachsen sind. Erst in der Zusammenlegung stellt man fest, das lief ja an der einen Schule ganz anders als an der anderen. Und es gibt kein Handbuch für die Fusion zweier Gymnasien, ich habe zumindest keins gefunden. Insofern mussten wir und müssen nach wie vor vieles selbst regeln. Die sogenannte Interimsphase – also vor Baubeginn und während der Bauphase – das wird keine leichte Zeit werden.
Was spricht für die Zusammenlegung der beiden Gymnasien?
Der Campus wird das attraktivste Schulprofil in ganz Stuttgart haben: Es wird sonst kein Gymnasium in der Stadt geben, das G 9 (neunjähriges Gymnasium), G 8 (achtjähriges Gymnasium) und einen bilingualen Zug (Fachunterricht in der Fremdsprache Englisch) unter einem Dach vereinigt hat.
Glauben Sie nicht, dass auch manche vor der schieren Größe zurückschrecken – bei geschätzten Schülerzahlen von 1300 bis 1400?
Beide Gymnasien haben ja eine tolle Entwicklung hinter sich: In den letzten Jahren haben wir zusammengerechnet immer sechs Züge gehabt. Von der Nachfrage her hätten wir aber schon längst mehr Schüler aufnehmen können. Wir mussten uns beschränken, weil die Raumkapazitäten nicht da waren. Ich hoffe nicht, dass es einmal wegen der Größe eine stille Reue gibt. Denn es ist wichtig, dass die Breite des Angebotes erhalten bleibt.
Was ja auch ihr Verdienst ist.
Darauf bin ich in der Tat ein wenig stolz: G 9 und der bilinguale Zug kamen auf meine Initiative nach Feuerbach.

„Ich bin jetzt 31 Jahre in der Schulleitung tätig, da verliert man die Visionen“

Herr Fischer, wenn Sie heutzutage Kultusminister wären, was würden Sie ändern?
Ich bin jetzt 31 Jahre in der Schulleitung tätig. Da verliert man die Visionen und wird zum Hardliner in der Praxis. Man muss ja tagtäglich den Zug auf den Gleisen halten. Wir haben in all den Jahren viel Unruhe in der Bildungslandschaft gehabt. Nehmen wir nur mal die flächendeckende Einführung des G8 im Jahr 2004. Wir waren damals ja G8 Modellschule, sind aber nie nach unseren Erfahrungen gefragt worden. Man hätte vielleicht den einen oder anderen Fehler vermeiden können. Im Moment gibt es eine Gegenströmung. Viele sagen: Lasst uns wieder mehr Zeit zum Lernen und für die Schule nehmen.
Und für was wollen Sie sich jetzt mehr Zeit nehmen, vielleicht fürs Reisen?
Mich zieht es gar nicht so sehr in die Welt hinaus. Ich will einfach mal etwas anderes machen und habe mich zum Beispiel als Schöffe beworben. Ich bin für die Zeit danach offen, so wie in den 38 Jahren im Schuldienst. Das Tolle an dem Beruf war, es passierte jeden Tag etwas Neues und es gab dadurch auch keine Routine.
Das Gespräch führte Georg Friedel